Xbox 1 (2001): Microsoft versuchte Nintendo zu kaufen
Zum 20. Geburtstag der ersten Xbox beleuchten Entscheidungsträger von damals den Weg zur Spielkonsole. Geradlinig verlief er nicht, eine der seltsamsten Irrungen war der äußerst kurzlebige Versuch, erst Electronic Arts und dann Nintendo zu kaufen.
Anlässlich des Jubiläums haben ehemalige Manager aus der Branche den Weg zur Xbox im Interview mit Bloomberg nachgezeichnet. Interessant ist schon der Grund für die Etablierung einer Spiele-Sparte um jeden Preis. Ausschlaggebend waren im Wesentlichen zwei Faktoren. Zunächst wurde Sonys Vision von Haushalten, die keinen Rechner, aber mehrere PlayStation-2-Konsolen enthalten, als Gefahr für den PC und damit für Windows, mithin als Fehdehandschuh betrachtet. Die Tatsache, dass PlayStation-2-Spiele ohnehin auf dem PC entwickelt wurden, tat ein Übriges, sie gebar die Idee, eine Windows-Konsole mit der Hardware eines Gaming-PCs zu entwickeln.
In diesem Sinne wurden Ende des letzten Jahrtausends mehrere Konzepte entwickelt. Das Vorhaben, einen „Gaming-PC“ im Konsolenformat durch andere Hersteller produzieren zu lassen, erwies sich als unpraktikabel. In der Branche gewann diese Idee keine Freunde. Dell beurteile das Vorhaben kritisch, EA, damals einer der größten Publisher am Markt, verweigerte die Unterstützung, weil die vorbehaltlose Unterstützung durch den Plattformhalter als wesentliche Voraussetzung für den Verkauf relevanter Stückzahlen betrachtet wurde. Intern wurde die „DirectX Box“ daher zeitweilig „Coffin Box“ (dt.: Sarg) genannt.
Das Vorhaben, die Konsole mit einer Version von Windows zu bestücken, wurde schließlich fallen gelassen. Hilfreich war das erklärte Ziel des Unterfangens: Nicht etwa Spieler als Zielgruppe für Microsoft zu begeistern, sondern im Wohnzimmer zu landen und diesen Bereich des Hauses vor Sony-Produkten zu sichern. Ende 1999 wurde aus dem kompakten Gaming-PC deshalb eine Plattform mit eigener Hardware, auf der spezielle Software lief – also eine klassische Konsole.
Die Jagd nach Spielen
Publisher wie EA und Bethesda blieben jedoch skeptisch, so stellen es die CEOs von damals dar. Denn Microsoft hatte auch vor 20 Jahren den Ruf, viel auszuprobieren, Projekte bei Misserfolg aber schnell wieder einzustampfen. Solche Fehlinvestitionen wollten sich kleinere Unternehmen nicht leisten. Bei der Jagd nach Spielen sagten zunächst Konami nach Sicht der Hardware-Specs und Tecmo nach einer durchzechten Nacht zu. Versucht wurde außerdem, zusätzliche Entwickler zu kaufen. EA lehnte eine Anfrage allerdings rundheraus ab.
Steve Ballmer schickte daraufhin ein Team zu Sondierungsgesprächen zu einem Treffen mit Nintendo. Das Ergebnis beschreibt Kevin Bachus, der damalige Director für Third-Party-Relations so: „Sie haben sich kaputtgelacht. Stellt euch vor, dass jemand euch eine Stunde lang nur auslacht. So ungefähr ist das Treffen gelaufen“. Auch der Vorschlag einer Kooperation wurde abgelehnt. Das Angebot hier war zumindest auf dem Papier etwas vielversprechender: Microsoft schlug vor, sich um die Hardware zu kümmern, die bei Nintendo traditionell geringere Bedeutung hat, der japanische Konzern sollte die Spiele für die dann gemeinsame Plattform entwickeln.
Der Underdog als Matchwinner
Als unerwarteter Matchwinner entpuppte sich Bungie, das Ende der 1990er Jahre niemand auf dem Radar hatte und von Microsoft gekauft wurde, obwohl Halo zunächst nur für den PC entwickelt wurde. Midway-CEO Neil Nicastro nannte das Xbox-Team daraufhin „die dümmsten Menschen in der Branche“, erinnert sich Bachus. Einen PC-Entwickler mit einem First-Person-Shooter, einem Genre, das auf Konsolen zu dem Zeitpunkt als quasi ungeeignet galt, zu übernehmen, ließ sich von außen schwer nachvollziehen. Auch mit der Entscheidung, voll auf die kommenden Breitband-Internetanschlüsse zu setzen, lief Microsoft gegen Erwartungen, bedeutete Multiplayer damals doch, zusammen auf einer Couch zu sitzen. Beide Entscheidungen zusammen verschafften der Xbox allerdings eine eigene Identität und trotz zunächst ausbleibender Profitabilität einen soliden Marktanteil.