Lenovo Tab P11 Pro im Test: Hardware, Laufzeiten, Android 10 und Tastatur-Case
2/3Schwache Hardware
Die Prozessor-Wahl hinterlässt beim P11 Pro ein großes Fragezeichen. Während Samsung das Galaxy Tab S7 bei einem ähnlichen UVP bereits mit einem Oberklasse-SOC vom Typ Qualcomm Snapdragon 865 Plus ausstattet, verbaut Lenovo bei seinem Tablet lediglich einen Snapdragon 730G aus gleichem Hause, der gerade einmal den Einstieg in die Mittelklasse symbolisiert. Das P11 Pro besitzt zwar gegenüber dem S7 das AMOLED-Displays, ob das den Preisunterschied aber ausmacht, bleibt fraglich.
Der Snapdragon 730G wird von Qualcomm in 8 nm gefertigt und besitzt insgesamt 8 Kerne, die zu zwei Clustern von jeweils zwei Kryo 470 Gold (Cortex-A76-Derivate) und sechs Kryo 470 Silver (Cortex-A55-Derivate) aufgeteilt sind und jeweils mit einem Maximaltakt von 2,2 GHz und 1,8 GHz betrieben werden können. Gepaart mit einer Adreno 618 als Grafikeinheit sowie im vorliegenden Fall 6 GByte RAM, soll die Kombination zur nötigen Performance beitragen – was ihr nur teilweise gelingt. Für eigene Inhalte stehen 128 GByte zur Verfügung.
Enttäuschende Performance
In den Leistungsmessungen kann die SoC-Einheit des P11 Pro nicht einmal annähernd mit Qualcomms Klassenprimus aus dem letzten Jahr mithalten, selbst das „normale“ iPad von 2020 ist dem Lenovo-Tablet haushoch überlegen. Mit Glück bringt es gegenüber dem kleinen Bruder P11 in manchen Disziplinen gerade einmal doppelt so viel Leistung in die Messungen, meist aber nicht einmal das. Natürlich ist das P11 Pro mit seiner Leistung ausreichend für die meisten täglichen Anwendungsszenarien, aber das kann kein Anspruch für ein Tablet in dieser Preisklasse sein – dafür ist die Performance eindeutig zu niedrig. Hier muss nur einmal zur Galaxy-Tab-S7-Reihe von Samsung geschaut werden, vom iPad Air soll an dieser Stelle gar nicht erst die Rede sein. Sollte der Nutzer auf die Idee kommen, mit dem Tablet aufwendigere Arbeiten wie zum Beispiel Videoschnitt erledigen zu wollen, wird er beim P11 Pro in die nicht mehr vorhandene Röhre schauen – denn hier wird dem Tablet ganz schnell die Puste ausgehen.
Durchwachsene Laufzeiten
Bei den Laufzeiten kann das Tab P11 Pro das günstigere P11 zumindest beim YouTube-Test endlich einmal deutlich übertrumpfen. Hierbei strich die Pro-Variante erst nach über 15 Stunden die Segel, das kleinere Tablet schaltete bereits 3,5 Stunden vorher das Display aus. Beim Akkutest von PCMark, bei dem verschiedene Nutzungsszenarien simuliert werden und somit auch die Hardware gefordert ist, schaut es dann jedoch wiederum deutlich anders aus – hier kommt das Tab P11 Pro gerade mal auf knapp über 10 Stunden und landet damit bei den Geräten der letzten Jahre im Mittelfeld. Das Tab P11 läuft dagegen mehr als 2 Stunden länger – und das bei einem kleineren Energiespeicher.
Konnektivität
In Sachen Schnittstellen bietet Lenovo beim P11 Pro solide Spezifikationen. So ist die USB-C-Verbindung anders als beim kleinen Bruder mit seinem langsamen USB-C-2.0-Standard mit voller Geschwindigkeit nach USB-C 3.1 angebunden. Die drahtlose Verbindung zu anderen Komponenten kann per WLAN im Standard 802.11a/b/g/n/ac in den Bändern 2,4 GHz und 5 GHz oder per Bluetooth 5 erfolgen. NFC steht dagegen nicht zur Verfügung. Eine Lokalisierung kann per A-GPS, BeiDou und Glonass erfolgen.
Neben den Schnittstellen unterstützt das Tab P11 Pro zudem LTE als reine Datenverbindung mit einem Downstream von bis zu 800 Mbit/s sowie einem Upload von bis zu 150 Mbit/s. 5G wird nicht unterstützt.
Erneut kein aktuelles OS
Den größten Patzer leistet sich Lenovo aber erneut wie beim kleinen Bruder mit Android 10. Kamen im damaligen Test bereits Befürchtungen auf, dass Lenovo seine Mobilgeräte wie in der Vergangenheit in Sachen Software auch aktuell nicht wirklich pflegen wird, weicht die einstige Annahme immer mehr der Gewissheit. So kommt auch P11 Pro ebenfalls Android 10 zum Einsatz, obwohl Version 11 das aktuelle OS darstellt und Android 12 bereits in den Startlöchern steht. Und wie bereits beim normalen P11 befinden sich hier die Sicherheits-Patches auf dem Stand vom 5. Dezember 2020. Das konnte zum Test des P11 Ende Februar noch zähneknirschend hingenommen werden, zwei Monate später jedoch nicht mehr.
Während Google seine Geräte bereits seit geraumer Zeit mehrere Jahre unterstützt, Samsung Update-Versprechen für drei bis vier Jahre ausgibt und auch Nokia mit Android One seine Smartphones einige Jahre mit Aktualisierungen versorgt, deutet bei Lenovo alles in die andere Richtung: Der Kunde soll einmal sein Geld beim Hersteller lassen und ihn danach am besten nicht mehr behelligen.
Das System selbst ist nur geringfügig verändert worden und entspricht in weiten Teilen dem des kleinen Bruders. Somit bietet auch das neue Tablet nur wenig zusätzliche Software. Neben den bekannten Google-eigenen Apps sind noch Office 365 und OneNote von Microsoft vorinstalliert, für die jedoch eine Registrierung und gegebenenfalls ein Abonnement nötig sind. Für Notizen und Zeichnungen per Stifteingabe stehen Bamboo Paper und Squid zur Verfügung, Netflix soll dagegen den Entertainment-Bereich abdecken. Als Kindersicherung kann zudem Kids Space von Google dienen, mit dem Kinder auf altersgerechte Apps, Bücher und Videos zugreifen können – sofern ein so teures Tablet in die Hände von Kindern gegeben werden soll.
Sicherung per Gesichtserkennung und Fingerabdruck
Um das Tablet vor unbefugten Zugriffen zu schützen, besitzt das P11 Pro neben der vom P11 bekannten Gesichtserkennung einen Fingerabdrucksensor, der im Einschaltknopf auf der linken Seite integriert ist. Beide verrichteten im Test ihre Arbeit gut und sperrten nicht autorisierte Nutzer zuverlässig aus, auch bei Brillenträgern traten keine Probleme auf. Während bei der Gesichtserkennung nach wie vor nur ein Gesicht gespeichert werden kann, lassen sich bei der Freigabe per Finger bis zu fünf Abdrücke registrieren – womit das Tablet somit auch von anderen Personen genutzt werden kann. Des Weiteren steht die Entsperrung per PIN, Passwort oder Wischmuster zur Verfügung.
Gute Stifteingabe
Das P11 Pro verfügt über eine Digitizer-Einheit von Wacom, wodurch auch eine Nutzung per Stift möglich ist. Lenovo selbst stellt dafür den Precision Pen 2 bereit, der entweder einzeln zu einem UVP von 59 Euro oder im Bundle samt Tablet und Tastatur-Case erworben werden kann. Der Stift ist rund 16 cm lang, wiegt 19 g und erinnert in seiner Gestaltung mit den sechs Kannten mehr an einen Bleistift. Wie auch die aktuellen Varianten von Apple und Samsung arbeitet dieser nicht induktiv, sondern benötigt ebenfalls eine eigene Stromversorgung. Einmal voll aufgeladen, soll der Akku für rund 100 Stunden Schreiben und Zeichnen reichen, dann muss er wieder an ein Ladegerät mit USB-C-Stecker angeschlossen werden – ein induktives Laden am Tablet selbst sieht Lenovo nicht vor.
Der Stift funktioniert nur direkt über dem Display, kann also nicht, wie bei Samsung, als Fernbedienung verwendet werden. Dafür benötigt der Precision Pen 2 jedoch keine Bluetooth-Verbindung. Der Stift bietet seinem Nutzer die üblichen 4.096 Druckstufen samt Neigungserkennung, bei einem Zeichen- oder Malprogramm kann der Pen somit die Nutzung eines normalen Stiftes simulieren. Das klappt in der Praxis auch recht gut, dennoch dürften Profis deutliche Unterschiede zu realen Stiften erkennen. Für gelegentliche kreative Aufzeichnungen reicht dieser aber vollkommen aus. Die beiden über der Spitze angebrachten Taster sind mit verschiedenen Funktionen belegt, wobei der obere Button meist zum Homescreen zurückführt – dieser sollte also nicht versehentlich betätigt werden.
Ein größeres Problem dürfte jedoch die Latenz darstellen. Da Lenovo beim P11 Pro lediglich ein Display mit 60 Hz verbaut, weicht die Darstellung der Eingabe immer von der Position der Stiftspitze ab – in ihrer Distanz abhängig von der Geschwindigkeit, mit welcher der Stift über den Bildschirm bewegt wird. Wird also normal und langsam geschrieben, beträgt der Versatz nur ein paar Millimeter. Müssen dagegen einmal schnell Notizen aufs digitale Papier gebracht werden, kann dieser schon mal auf 1,5 bis 2 cm anwachsen.
Gewöhnungsbedürftige, aber gute Tastatur
Das entweder optional für 99 Euro oder im beschriebenen Bundle erhältliche Tastatur-Case setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: dem Schutz der Rückseite und die eigentliche Tastatur, die gleichzeitig das Display schützt. Das Case ist außen mit rauem, grauem Stoff überzogen, der dem Ganzen einen edlen Anblick verleiht. Die Seiten des Tablets bleiben bei der von Lenovo verwendeten Lösung jedoch frei und damit ungeschützt. Die Arretierung des Displays erfolgt durch den abgeknickten unteren Bereich der Rückseite und nicht über den Aufsatz an der Tastatur, wobei der Mechanismus stabil genug ist, um das Gewicht des Tablets auch bei einem flachen Winkel zu tragen. Das verleiht dem Nutzer eine große Flexibilität bei der Aufstellung.
Ist das Tablet einmal aufgesteckt, wechselt das System in den Fenstermodus, mit dem ein Desktop-ähnliches Arbeiten ermöglicht wird. Auf viele vom heimischen PC gewohnte Funktionen muss verzichtet werden. Dennoch reicht die Umgebung für viele Office-Arbeiten aus – an die Möglichkeiten des DeX-Modus von Samsung reicht die Lösung aber nicht heran.
An die kleinere Tastatur müssen sich Nutzer selbst beim Umstieg von einem kleineren Notebook erst einmal gewöhnen, denn die Tasten liegen deutlich enger beieinander und sind zudem kleiner. Lenovo hat bei der Tastatur zwar an den Seiten etwas Platz verschenkt, ob sich die paar Millimeter jedoch über die komplette Breite gesehen auf die einzelnen Tasten nennenswert ausgewirkt hätten, dürfte fraglich sein. Das Tippgefühl ist gut, der Tastenhub natürlich entsprechend gering und dennoch mit gutem Widerstand. Hat sich der Nutzer erst einmal an das veränderte Layout gewöhnt, sollten auch längere Texte kein Problem sein. Eine externe Tastatur kann das Case aber nicht ersetzen.