GPUs ohne Markterfolg I: Die Visionen der Bitboys
In der verhältnismäßig kurzen Zeit, in der Computer existieren, gab es immer wieder Projekte, die eingestellt wurden. Diese Serie behandelt in loser Abfolge die GPUs, die entweder nie in Produktion gegangen sind oder am Markt floppten, obwohl der Ansatz vielversprechend aussah. Die Bitboys lebten quasi in dieser Kategorie.
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Die Bitboys aus Finnland
Während der Markt für diskrete Grafikkarten heute von Nvidia und AMD bestimmt wird – Intel schickt sich erst für Ende 2021 an, als neuer dritter Player in Erscheinung zu treten –, herrschte in den Anfangstagen der 3D-Grafikkarten ein reges Treiben. Bis zu 70 Firmen tummelten sich vor der Jahrtausendwende auf dem Markt und eine davon waren die Bitboys.
Die Bitboys kamen aus der Demoszene
Anfang der 1990er-Jahre gab es in Finnland eine aktive Grafikdemoszene, die die Heimcomputer technisch ausreizten und die Dateien dabei so klein wie möglich hielten. In Deutschland besonders prominent war Farbrausch mit seinem 96 KB großen Ego Shooter .kkrieger von 2004. Eine weitere bekannte Größe war die Future Crew, die schon zehn Jahre zuvor mit Unreal ][ – The 2nd Reality ihren Durchbruch feierte.
Mitglieder der Future Crew gründeten über die Jahre immer wieder Unternehmen wie MadOnion (später Futuremark, heute UL Benchmark), Remedy Entertainment (bekannt für Max Payne) und im Jahr 1991 die Bitboys (Web Archive).
Pyramid3D: Ein Auftrag aus Singapore
Besagte Bitboys erhielten im Jahr 1996 von TriTech aus Singapur den Auftrag zur Entwicklung der GPU Pyramid3D, die den ersten Voodoo-Chip von 3dfx deutlich schlagen sollte. Der Chip verfügte schon über Multi Texturing, während die Voodoo 1 noch Single Texturing bot, und es gab programmierbare Recheneinheiten, die so genannten Shader. Dazu gesellten sich 32 Bit Farbtiefe und „Environment Bump Mapping“, das von Microsoft im Jahr 1998 in Direct3D 6.0 übernommen wurde. Programmierbare Shader folgten hingegen erst mit Direct3D 8.0 im November 2000 und für den Pyramid3D damit viel zu spät. Über den Prototypstatus kam der Pyramid3D nie hinaus, der Auftraggeber TriTech meldete ohne Abnehmer Konkurs an.
Glaze3D: 2. Anlauf ohne Shader
Beim Nachfolger Glaze3D wollten die Bitboys bis 1999 auf eigene Faust Revolutionäres auf den Markt bringen, auch wenn dafür die bis dato quasi wertlosen Shader wieder entfernt wurden. Dafür sollte RDRAM von Rambus im Quad-Channel-Modus (16 Bit * 4) den bis dahin langsamen Grafikspeicher beflügeln. Anstatt 1,7 GB/s wie bei der damals gerade aktuellen Nvidias Riva TNT (1998) und 2,9 GB/s beim TNT 2 Ultra (1999) wollten die Bitboys über 64 Bit und dank „Double Data Rate“ (DDR) brachiale 9,6 GB/s zur Verfügung stellen. Die Konkurrenz bot erst Jahr 2002 mit der GeForce 4 Ti so ein Niveau. Zusätzlich sollte der Glaze3D einen 72 MBit (9 MB) großen eDRAM nutzen, um die für die GPU verfügbare Bandbreite weiter zu erhöhen. Der Markenname der Architektur: Xtreme Bandwith Architecture (XBA).
Geplant war, das Design zu verkaufen. Da sich aber keine Kunden fanden und damit auch kein Fertiger, sollte Infineon die Fertigung von Chips übernehmen, die dann von den Bitboys weiterverkauft werden. Doch es gab immer wieder Rückschläge und Verzögerungen.
Mehr Chips: Bis zu vier GPUs sollten es richten
Um trotzdem auf der Höhe der Zeit zu bleiben, wurde immer weiter an der Technik und der Taktschraube gefeilt, die Pipelines wurden in einer zweiten Generation des Glaze3D verdoppelt. Die Bitboys gingen auch dazu über, bis zu vier Glaze3D-Chips auf eine Karte verpflanzen zu wollen, wobei diese Technik anders funktionierte als SLI von 3dfx. Die GPUs von den Bitboys berechneten nicht abwechselnd Zeilen, sondern teilten das Bild in Kacheln – ähnlich wie bei den Kyro-Chips von PowerVR. So wurden aus dem Glaze3D die Modelle Glaze3D 1200, 2400 und 4800. Die trilineare Filterung erfolgte in zwei Schritten, GeForce 2 und Radeon waren in diesem Punkt schneller.
Da auch T&L („Transform and Lighting“) am Horizont erschien, entwickelten die Finnen den Thor-Chip, der diese beiden Aufgaben übernahm. Der Glaze3D sollte nicht schon wieder zum Reißbrett. Der Vorteil eines zusätzlichen Chips war darüber hinaus, dass nicht jede GPU auf den Multi-GPU-Grafikkarten über die Transistoren verfügen musste.
Aus dem Glaze3D wurde nach Streitigkeiten um die Namensrechte der Avalanche mit 12 MB eDRAM. Mit dem eDRAM wurde eine Speicherbandbreite von 12 GB/s beim Glaze3D und 20 GB/s beim Avalanche3D erreicht. Mehr als bei der ATi Radeon 9700. Im Jahr 2005 zeigte ATi in der Xbox 360 mit 10 MB SRAM und AMD in den Karten mit RDNA 2, was ein interner Speicher zu leisten vermag. Vom Avalanche zeigten die Bitboys im Jahr 2001 Prototypen. Er verfügte auch wieder über Shader, die zu DirectX 8.1 kompatibel waren. Statt RDRAM nutzte er aber normales SDRAM als Grafikspeicher.
Die Frage, ob es diese Avalanche-GPU zum Markterfolg geschafft hätte, stellte sich am Ende aber aus einem ganz anderen Grund nicht mehr.
Avalanche: Keine Chance ohne Infineons eDRAM
Denn parallel zur Entwicklung stieg Infineon Ende 2001 aus der Fertigung von eDRAM aus. Der Technologie-Partner fiel damit weg, so dass weder der Glaze3D noch der neue Avalanche in die Produktion gehen konnten.
Darum setzten die Bitboys auf eDRAM
Aber warum setzten die Bitboys auf den eDRAM, der letztendlich das Aus der Entwicklung bedeutete? Die Entwickler aus Finnland wollten so den Bandbreitenhunger der GPU zur Berechnung der neuen Effekte stillen. Die TNT 2 Ultra fuhr mit 183 MHz Speichertakt oder mehr an der Grenze des Machbaren, während die Nachfolger geringer getaktet waren.
So errechneten die Bitboys, dass ohne Anti-Aliasing schon allein für die normale Berechnung 7 GB/s benötigt wurden – Tendenz steigend. Aus 600 Millionen Pixel/s bei 32 Bit Farbtiefe und einem 32 Bit tiefen Z-Buffer ergaben sich 12 Byte an Speicher pro Pixel. Dazu kamen 64 MB/s für den Videorefresh (1024 x 768 @ 60 Hertz) und 500–2000 MB/s für das Lesen der Texturen. Daraus ergab sich eine benötigte Bandbreite von 6,87 GB/s. Die Finnen haben den Umrechnungsfaktor 1.000 statt 1.024 genutzt und kamen somit allein für die Pixel auf 7,2 GB/s.
600.000.000 x 12 Byte/1.048.576 [1024*1024] + 0,0625 [64 MB/s/1024] GB/s + 0,488 GB/s [500 MB/s/1024]
Das Ende
Nach dem Aus für Avalance als x-te Überarbeitung des Glaze3D konzentrierten sich die Bitboys zusehends auf den mobilen Bereich, für den ein komplettes Lineup aus G20 bis G40 entwickelt und den großen Marken angeboten wurde. Die nachfolgende Techdemo der Bitboys zeigte die Fähigkeiten des G40-Chips auf.
Zu den neuen Investoren dieser Bestrebungen gehörte Nokia und NEC trat als Lizenznehmer auf. Doch auch keines dieser Produkte fand den Weg in die PDAs oder Handys der damaligen Zeit. Trotzdem schrieb die Firma ab 2004 Gewinne und beschäftigte bis zu 45 Personen.
Etwas Bitboys steckt noch in Adreno-GPUs
Im Jahr 2006, 15 Jahre nach der Gründung und ohne ein Produkt am Markt, wurde Bitboys Oy von ATi aufgekauft, die im mobilen Bereich schon mit den Imageon-Chips vertreten waren. Im Jahr 2008 wurde dann der Imageon Z180 eingeführt, der genau wie der Bitboys G40 eine Vector-Einheit nutzte. Wie viel Expertise der Finnen dahintersteckte, ist nicht bekannt. Im Jahr 2008 wurde ATi dann von AMD übernommen und gut ein Jahr später wurde die Abteilung für Handheld-Chips an Qualcomm weiterverkauft. In den Adreno-GPUs (Anagramm zu Radeon) der Qualcomm-SoCs steckt damit auch heute noch ein Stück Bitboys.
Die bekannten technischen Daten im Überblick
Die nachfolgende Übersicht enthält abschließend alle bekannten technischen Daten zu den vielen geplanten GPUs der Bitboys und deren Revisionen im Überblick.
Ein großer Dank geht an das Community-Mitglied kryzs für die Unterstützung.
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