C:\B_retro\Ausgabe_79\: Der Hosentaschen-PC mit i386 und 4 MB RAM
Der Nokia 9000 Communicator war mit einem Intel i386 und 4 MB Arbeitsspeicher sowie dem DOS-basiertem Betriebssystem PEN/GEOS ein echter PC mit Telefonfunktion für die Hosentasche. Primär für den geschäftlichen Einsatz konzipiert, konnte der erste „Communicator“ dann auch Privatanwender für sich begeistern. Ein Blick zurück.
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Nokia 9000 Communicator
Vor beinahe 25 Jahren, am 15. August 1996, stellte das finnische Unternehmen Nokia als der seinerzeit weltweit mit großem Abstand führende Hersteller von Handys den innovativen sowie 2.700 DM teuren Nokia 9000 Communicator vor.
Für umgerechnet und inflationsbereinigt 2.000 Euro erhielten Käufer das seinerzeit fortschrittlichste Mobiltelefon zur Organisation und Verarbeitung von Daten.
Mit seinem Intel i386EX mit 24 MHz und 4 MB Arbeitsspeicher sowie einem Betriebssystem auf DOS-Basis entsprach der Nokia 9000 Communicator aber in vielen Belangen eher einem Personal Computer als einem Handy oder einfachen PDA.
Die Geschichte
Als erstes Produkt überhaupt aus der bis 2008 produzierten Communicator-Serie, später auch noch als Nokia E-Series bekannt, wurde der Nokia 9000 Communicator erstmals auf der CeBIT 1996 in Hannover präsentiert und angekündigt. Die Pressemitteilung von Nokia aus dem August 1996 lässt sich noch heute über das Archiv abrufen.
First GSM-based communicator product hits the market Nokia Starts Sales of the Nokia 9000 Communicator
The Nokia 9000 Communicator provides a wide range of mobile communications services as well personal as organiser functions.
The product combines a GSM phone with applications like fax, e-mail, short messaging and internet access.
It also includes the most useful organizer functions; a calendar, an address book and a calculator. All of this is available in a sophisticated, pocket-sized unit.
Nokia 9000 Communicator, Pressemitteilung
Im Gegensatz zu den herkömmlichen Mobiltelefonen seinerzeit besaß der Nokia 9000 Communicator eine umfangreichere Ausstattung zur Organisation und Verarbeitung von Daten und wurde primär für das geschäftliche Umfeld konzipiert.
Neben den damals vor allem auf PDAs beliebten PIM-Applikationen bot der erste Communicator auch Kommunikationsfunktionen via SMS, MMS, Fax, E-Mail, Bluetooth (ab Modell 9300) und Infrarot sowie Bürosoftware, mobiler Internet- und Datenzugang und die Möglichkeit, externe Anwendungen und Programme zu installieren.
Insbesondere die Fähigkeit, echtes Multitasking zu nutzen, unterschied den Nokia 9000 Communicator von den Konkurrenzprodukten seiner Zeit. Das Mobiltelefon ließ sich wie ein Laptop aufklappen und verfügte über eine vollwertige QWERTZ-Tastatur.
Die im Vergleich zu anderen Handys äußerst ausladenden Proportionen und das hohe Gewicht brachten dem Communicator die Spitznamen „Ziegelstein“ und „Telefonzelle“ ein. Von vielen Käufern ebenfalls bemängelt wurde der fehlende Vibrationsalarm.
Die Hardware
Der Nokia 9000 Communicator basierte auf Hardware, die einige Jahre zuvor noch in IBM-kompatiblen PCs zum Einsatz kam und besaß ein Betriebssystem von GeoWorks, das auf Basis von PC/GEOS seine Wurzeln bei DOS hat.
- Intel i386EX mit 24 MHz
- 8 MB Systemspeicher
- 4 MB Arbeitsspeicher
- 2 MB Programmspeicher
- 2 MB Datenspeicher
- 4,5 Zoll LC-Display mit 640 × 200 Pixeln und 148 PPI
- Sprache: GSM900
- GSM 900 und GSM 1800 (Modell 9000e)
- Daten: CSD mit 9,6 kbit/s
- IrDA 1.0 mit 115,2 kbit/s (UART)
- GeoWorks PEN/GEOS 3.0 mit Nokia GUI
- Lithium-Ionen-Akku mit 24 Stunden Stand-by
- 173 × 64 × 38 (L×B×H)
- 397 Gramm
- Mini-SIM
Der 1999 erschienene und bis 2001 produzierte Nachfolger, der Nokia 9110 Communicator, basierte auf einem 486er vom Typ AMD Elan SC450 mit 33 MHz, der bereits auf dem Am5x86 basierte, und wurde sowohl in Sachen Abmessungen als auch Gewicht deutlich reduziert. Zudem konnte der äußerst knapp bemessene Speicherplatz von 2 MB für Daten erstmals per MMC erweitert werden.
Der auf das Unboxing älterer Handys und Smartphones von Nokia spezialisierte YouTube Kanal „Nokia Phones Collection“ präsentiert den Nokia 9000 Communicator in einem ausführlichen Unboxing-Video im Detail
Heute ist der erste Communicator von Nokia ein gefragtes Sammlerstück und ein Meilenstein der mobilen Kommunikation.
Das damalige Vorstandsmitglied und spätere CEO von Nokia Jorma Ollila sagte 2012 über den Nokia 9000 Communicator, dass das Mobiltelefon der Konkurrenz um Jahre voraus war.
We were five years ahead.
Jorma Ollila, Nokia-CEO
Die Software
Als „Betriebssystem“ kam die grafische Benutzeroberfläche PEN/GEOS zum Einsatz, die wiederum auf der grafischen Benutzeroberfläche PC/GEOS für IBM-PC kompatible Betriebssysteme basierte.
PEN/GEOS wurde von GeoWorks zwischen 1992 und 1995 entwickelt und setzte auf ROMDOS, einem Embedded-DOS von Datalight, auf. PEN/GEOS zeichnete sich vor allem durch seine gute Skalierbarkeit auf x86-Hardware und eine stark anpassbare GUI aus.
Auszüge aus der Betriebsanleitung (PDF) des Nokia 9000 Communicator vermitteln einen guten Eindruck des Betriebssystems.
Neben dem eigentlichen Betriebssystem verfügte der Nokia 9000 Communicator über diverse Büro-Anwendungen, einen Browser und einen Mail-Client sowie einen Taschenrechner und Organizer.
Vor allem das damalige Surfen im Internet mit einem „smarten“ Telefon aus dieser Epoche ist heute kaum noch vorstellbar. Mit maximal 9,6 kbit/s war das nicht nur extrem langsam, sondern auch sehr teuer, da die Abrechnung hierfür nicht nach übertragenem Datenvolumen, sondern nach der Onlinezeit erfolgte.
Die Konkurrenz
Echte Konkurrenz hatte die Communicator-Serie zu Beginn nicht zu fürchten, denn alternativ zur neuen Allzweckwaffe von Nokia griffen Geschäftsleute damals zu einem regulären GSM-Handy in Kombination mit einem PDA wie dem Palm Pilot.
Eine ernsthafte Alternative zum Nokia 9000 Communicator existierte in den Jahren 1996 bis 1998 schlicht und ergreifend nicht. Einzig der IBM Simon kam bereits im August 1994 auf den Markt, konnte aber technisch nicht ansatzweise mit dem Communicator mithalten und wurde zum Preis von rund 1.000 US-Dollar ausschließlich in den USA verkauft.
Der Nokia 9000 Communicator gilt heute als einer der größten Meilensteine auf der Entwicklung hin zu den heutigen Smartphones und stellte die Weichen für spätere Erfolge von Blackberry, Palm und Motorola.
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