Sprachchat-Überwachung: Rowdys zwingen in Valorant zum Mitschneiden
Wie viel Freiheit verträgt das Netz? Für Riot Games keine unbegrenzte. Das Unternehmen entscheidet sich dafür, den Sprachchat im Multiplayer-Shooter Valorant künftig aufzuzeichnen und bei Bedarf auszuwerten. So sollen Spieler, die sich unangemessen verhalten, schnell sanktioniert werden können.
Die Aufzeichnung von Sprachnachrichten in Valorant bezeichnet Riot Games als Grundlage, um aufgrund einer klaren Beweislage eingreifen zu können. Erst bei einer Meldung oder der automatischen Erkennung von unangemessenem Verhalten, mit dem andere Spieler drangsaliert werden, wird die Aufzeichnung ausgewertet. Nachdem der Fall bearbeitet und die Aufzeichnung dem Urheber zur Verfügung gestellt wurde, soll sie sofort gelöscht werden. Dies gleiche Meldungen, die sich auf Textnachrichten beziehen.
Wird nichts gemeldet, werden Aufzeichnungen nach Ablauf eines unbekannten Zeitraums gelöscht. Eine aktive Dauerüberwachung gibt es nicht. Um Aufzeichnungen zu entgehen, kann der Sprachchat deaktiviert werden. Andere Spiele von Riot, darunter League of Legends, sind von der Neuerung nicht betroffen, auch wenn sich das Unternehmen in den Nutzungsbestimmungen entsprechende Änderungen erlaubt.
Freiheit oder Miteinander
Warum Riot in Valorant durchgreifen möchte, liegt auf der Hand: Das Verhalten eines Teils der Community gehe „einer Menge Spieler gewaltig auf die Nerven“. Dieses Argument dürfte in der Breite nachvollziehbar sein, schließlich müsste jeder aktive Online-Spieler mehr oder weniger regelmäßig in Berührung mit Menschen gekommen sein, die im Sprachchat keinerlei Wert auf respektvollen Umgang und ein Miteinander legen. Davon sind Spiele, die auf ein jüngeres, noch im Wachsen begriffenes Publikum zielen, tendenziell stärker betroffen.
Auch wenn Riot in dem Bemühen, eine möglichst entspannte und angenehme Atmosphäre herzustellen, logischerweise auch finanzielle Interessen im Hinterkopf hat, greift die Entscheidung ein grundsätzliches Spannungsverhältnis auf. Einerseits wird das Internet als grundsätzlich „freier“ Raum angesehen, der losgelöst vom engen Regelkorsett normaler Interaktion und Struktur ist. Andererseits stößt dieses Ideal positiver Anarchie im Sinne einer unregulierten, harmonischen Gemeinschaft, an die Grenzen des Individuums, das grundlegende Konventionen eines Miteinanders nicht einzuhalten gewillt ist und damit im weltweiten Netz leicht sowohl Vorbilder als auch Resonanzräume findet.
Instanzen etablieren sich
Im Internet entstehen deshalb zunehmend regulierte Räume, in denen unerwünschtes Verhalten sanktioniert wird. Die Definition von unerwünscht kann dabei variieren. Riot steht dabei nicht alleine auf weiter Flur. Auch Sony nutzt Aufzeichnungen im Sprachchat der PlayStation 5 aus den gleichen Gründen zum gleichen Zweck: Im Kern wird die Einhaltung gesellschaftlicher Normen durchgesetzt.
Beide verfolgen damit einen ganz anderen Ansatz als etwa Intel. Der Tech-Gigant entwickelt mit „Bleep“ eine Software, die Beleidigungen verschiedener Kategorien in einem Sprachchat auf Wunsch automatisch wegpiepen soll. Was und in welcher Schwere gefiltert wird, lässt sich per Schieberegler wählen. Dieser „Lautstärkeregler für Anstößiges“ gerät allerdings in die Kritik, weil sie den Tätern ihre Freiräume lässt und ihnen das Argument, nicht zuhören zu müssen, in die Wiege legt – so argumentiert etwa die Zeit. Auch wenn die Maßnahme selbst umstritten ist, signalisiert sie doch ebenso wie andere Maßnahmen, dass in diesem Bereich die Grenzen des Erträglichen zunehmend erreicht werden.