Bundespolizei: Staatstrojaner-Einsatz ohne konkreten Tatverdacht
Die Bundesregierung will nochmals den Einsatz für den Staatstrojaner ausweiten. Wie Netzpolitik.org meldet, soll die Bundespolizei das Überwachungswerkzeug künftig präventiv – also ohne Tatverdacht – einsetzen können. Außerdem sollen alle Geheimdienste einen Zugang erhalten.
Bei der präventiven Einsatzmöglichkeit handelt es sich um einen Kompromiss beim Bundespolizeigesetz – an dieser Reform arbeitet die Große Koalition schon seit langem. Nun wollen CDU/CSU und SPD das Gesetz kurz vor Ende der Legislaturperiode final beschließen.
Staatstrojaner-Einsatz ohne konkreten Tatverdacht
Präventiv heißt, die Bundespolizei darf Personen mit dem Staatstrojaner überwachen, obwohl gegen diese noch kein Tatverdacht begründet ist – und daher auch keine strafprozessuale Maßnahme wie die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) angeordnet werden kann. Kriminaltaktisch wäre diese präventive Telekommunikationsüberwachung laut der Bundesregierung „insbesondere bei der Bekämpfung der Schleusungskriminalität sowie bahnpolizeilich relevanten banden- und gewerbsmäßig begangenen Straftaten geboten“.
Die Begründung ist ebenso umstritten wie der präventive Einsatz des Staatstrojaners als solches. Immerhin werden auf diese Weise Personen überwacht, gegen die noch kein Tatverdacht vorliegt. Noch im Februar erklärte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, diese präventive Überwachung wolle man „auf keinen Fall“. Den Einsatz des Staatstrojaners hält Esken auch weiterhin für falsch. Sie respektiere aber die Mehrheit in der SPD, die anders entschieden hat.
Neu ist so ein Gesetz kurz vor Ende der Legislaturperiode nicht. Bereits die letzte schwarz-rote Bundesregierung hatte den Einsatz des Staatstrojaners wenige Monate vor der Wahl massiv ausgeweitet.
Staatstrojaner für alle 19 Geheimdienste – Internet-Provider müssen helfen
Geeinigt hat sich die Bundesregierung auf eine Änderung des Verfassungsschutzrechts. Das heißt: Alle 19 deutschen Geheimdienste erhalten Zugriff auf den Staatstrojaner. Bei den 19 Geheimdiensten handelt es sich um den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz samt der 16 Landesämter. Auch dieser Schritt ist umstritten.
Die Geheimdienste können laut Netzpolitik.org künftig die Quellen-TKÜ plus nutzen. Während Sicherheitsbehörden bei der Online-Durchsuchung das komplette Gerät infiltrieren dürfen, ist der Einsatz des Staatstrojaners bei der Quellen-TKÜ nur auf die Kommunikation beschränkt. Die Quellen-TKÜ plus ermöglicht es aber, zusätzlich bereits gespeicherte Kommunikationsinhalte zu erfassen. Eine Ausweitung, die einige Juristen als verfassungswidrig einstufen.
Außerdem sollen Internet-Provider verpflichtet werden, Geheimdienste beim Einspielen der Staatstrojaner zu unterstützen. Das soll in der Praxis erfolgen, indem die Daten über einen Server der Sicherheitsbehörden laufen. Somit wird also ein „Geheimdienst-Proxy“ heimlich zwischengeschaltet, um Geräte von Betroffenen zu infizieren. Bis dato war es stets nötig, dass Sicherheitsbehörden einen physischen Zugriff auf das jeweilige Gerät erhalten.
Bundestag befasst sich am Donnerstag mit den Gesetzen
Morgen stehen die Gesetzentwürfe im Bundestag auf der Tagesordnung. Dass Abgeordnete der Großen Koalition diese auch beschließen, ist wahrscheinlich.
Wie erwartet hat der Bundestag heute die Gesetze mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD beschlossen. Vertreter der Bundregierung verteidigten den erweiterten Staatstrojaner-Einsatz. Ein effektiver Verfassungsschutz müsse verschlüsselte Inhalte abfangen können, sagte etwa der SPD-Abgeordnete Uli Grötsch laut einem Bericht der Tagesschau.
Die Opposition kritisiert die Vorhaben massiv. Linken-Politiker André Hahn bezeichnete das neue Überwachungsrecht als „ganz offensichtlich verfassungswidrig“. Konstantin von Notz von den Grünen kritisiert indes, dass Behörden Sicherheitslücken ausnutzen müssen, um den Staatstrojaner in Systeme einschleusen zu können. Wenn diese Sicherheitslücken aber nicht geschlossen werden, können auch Kriminelle diese ausnutzen – und das gefährde die Sicherheit von allen.