Geschäftsmodell 2.0: Volkswagen will vermehrt auf OTA-Updates setzen
Bei Volkswagen soll die Software im Auto künftig eine noch größere Rolle als ohnehin bereits spielen. Das Unternehmen will verstärkt auf OTA-Updates setzen, um neue Funktionen hinzuzufügen und Fehler zu beseitigen. Auch das automatisierte Fahren soll Schritt für Schritt mittels Software um stetig mehr Szenarien erweitert werden.
Fahrzeuge auf Basis des Modularen Querbaukastens (MQB) können über Mobilfunk lediglich In-Car-Apps laden und mittels „We Upgrade“ zusätzliche Funktionen freischalten. Im aktuellen Golf 8 lassen sich zum Beispiel Features wie die automatische Distanzregelung „ACC“, die automatische Fernlichtregelung „Light Assist“, eine Sprachbedienung oder die Integration von Alexa erst nach dem Kauf aktivieren.
Beim MEB gibt es Updates für den ICAS
Bei den E-Autos bringt der Modulare E-Antriebsbaukasten (MEB) hingegen die Möglichkeit mit, OTA-Updates auch für das gesamte Betriebssystem des Autos durchzuführen. Damit ist nicht nur die Software des Infotainmentsystems gemeint, sondern auch die Steuergeräte können so aktualisiert werden. Genau genommen handelt es sich nicht mehr nur um Steuergeräte, denn deren Anzahl hat Volkswagen drastisch reduziert und die Funktionen auf sogenannte In Car Application Server (ICAS) zentriert. Diese bilden bei neuen Modellen wie dem ID.3, ID.4 und ID.4 GTX das Kernelement der neuen End-to-End-Elektronik-Architektur, wie es von Konzernseite heißt. Mit dieser Hardware ist es überhaupt erst möglich, künftig OTA-Updates des Auto-Betriebssystems zu erhalten.
Die ersten ID.3 musste VW noch manuell flashen
Berühmt-berüchtigt ist in diesem Zusammenhang der ID.3 geworden, der eigentlich von Anfang an mit OTA-Fähigkeit kommen sollte, letztlich aber zunächst ohne diese Funktion ausgeliefert wurde, weil Software-Probleme die Markteinführung verzögerten. Die Produktion soll zu Beginn ein „absolutes Desaster“ gewesen sein, Funktionen mussten erst einmal gestrichen und später über ein Update nachgereicht werden. Den frühen Autos musste später in der Werkstatt ein großes Update verpasst werden, das laut Handelsblatt rund sieben Stunden für die Installation benötigte. Wie VW erklärt, seien die ersten ID.3 mit Software-Version 1.0 auf den Markt gekommen, Ende 2020 folgte dann 2.0. Aktuell werden alle aktuellen ID.-Modelle mit der ID. Software 2.1 ausgeliefert.
OTA-Updates nur im Stand
Künftige OTA-Updates sollen „einfach wie ein Smartphone-Update“ ablaufen. Steht eine neue Software zur Verfügung, wird dies mittels Hinweis im Cockpit signalisiert. Diese Meldung erhält der Fahrer aber erst, wenn der Download bereits abgeschlossen ist. Letztlich geht es also nur noch um die Entscheidung, ob die neue Version aufgespielt werden soll oder nicht. Installiert werden kann die neue Software grundsätzlich erst dann, wenn der ID.3, ID.4 oder ID.4 GTX abgestellt worden ist. Aus Sicherheitsgründen ist es nicht möglich, den Wagen während des Updates zu starten. Das ist bei kritischen Updates anderer Hersteller jedoch nicht anders. Sobald die Installation beendet ist, muss der Fahrer das Update kurz aktiv per Ok-Taste auf dem Multifunktionslenkrad beenden.
Schritt für Schritt soll mehr automatisiertes Fahren kommen
Eine Roadmap für neue Funktionen in künftigen OTA-Updates gibt es noch nicht, aber VW stellt bereits gewisse Szenarien in Aussicht, etwa beim automatisierten Fahren. Die neue Software- und Elektronik-Architektur soll mittelfristig den Durchbruch des automatisierten Fahrens und damit ein neues Komfort- und Sicherheitsniveau ermöglichen. Schritt für Schritt sollen mehr definierte Szenarien wie das Fahren auf der Autobahn immer weiter automatisiert werden. Mittelfristig soll die Automatisierung mit Fahrzeugprojekten wie dem Trinity immer weiter hochgefahren werden, die Skala soll im Laufe der Jahre von Level 3 bis hin zum Level 4 reichen. Langfristig gesehen soll auch der Automatisierungsgrad Level 5 umgesetzt werden. Die Weichen dafür seien mit der neuesten Elektronik- und Software-Architektur bereits heute gestellt, sagt VW.
OTA-Updates als Geschäftsmodell 2.0
Mehr OTA-Updates wird es aber auch aus einem anderen Grund geben, den derzeit viele Autohersteller verfolgen. „Volkswagen betrachtet progressive Software als elementaren Faktor der Wertschöpfung“, was nichts anderes bedeutet, als dass Volkswagen damit auch im Bereich After Sales Potenzial für neue Umsatzquellen sieht. Umsatz soll demnach nicht nur das Auto selbst zum Kauf generieren, auch im Nachhinein erworbene, teils schon ab Werk verbaute, aber noch deaktivierte Features, werden damit vermehrt Einzug halten. VW sagt dazu: „Im künftigen Geschäftsmodell 2.0 will das Unternehmen neue Erlöse in der Nutzungsphase seiner Autos generieren – mit Lade- und Energiedienstleistungen, mit softwarebasierten Funktionen, die der Kunde je nach Bedarf zubuchen kann, oder auch mit dem automatisierten Fahren.“
Gegenüber der Welt ist Volkswagen bereits konkreter hinsichtlich der künftigen Monetarisierung geworden. Thomas Ulbrich, Entwicklungsvorstand der Marke Volkswagen, sagte der Zeitung, dass erste „Functions on Demand“ im zweiten Quartal 2022 für Kunden angeboten werden sollen.
Zusatzfunktionen sollen sich stunden- oder tageweise für das Auto buchen lassen. „Wir planen Angebote bis hin zu Reichweiten- oder Leistungserhöhungen bei Elektroautos, die man zuschalten kann. Da sind wir bereits in der Abstimmung mit den Regulierungsbehörden“, sagte Ulbrich.
Autonomes Fahren für 7 Euro die Stunde
Interessanterweise ließen sich Ulbrich auch bereits Aussagen zum autonomen Fahren entlocken, das Volkswagen aufgrund der sehr hohen Kosten überwiegend als Zusatzdienst sieht. „Beim autonomen Fahren können wir uns vorstellen, dass wir es stundenweise zuschalten. Wir gehen von einem Preis von rund sieben Euro pro Stunde aus“, sagte Ulbrich. Dies mache autonomes Fahren für alle zugänglich, denn Volkswagen rechnet mit einem fünfstelligen Aufpreis für die Technologie. Gegen Ende des Jahrzehnts sollen entsprechende Fahrzeuge angeboten werden.