Psychonauts 2 im Test: Spielkritik und Fazit
3/3Spielkritik
Das erste Psychonauts aus dem Jahr 2005 war eines dieser Spiele: Intelligent, witzig, ungewöhnlich und hoch dekoriert, aber kaum gespielt. Kommerziell erfolgreich wurde das Jump’n’Run erst durch langsame Mundpropaganda und Portierungen Jahre nach der Veröffentlichung. Eine Fortsetzung ließ deshalb lange auf sich warten und brauchte eine Crowdfunding-Kampagne im Rücken. Das Warten und Hoffen hat sich allerdings gelohnt.
Erneut einfach anders
Was Psychonauts 2 spannend macht, ist seine Fremdartigkeit. Als ein „Psychonaut“, eine Art Geheimagent mit übernatürlichen Fähigkeiten, erkunden Spieler vor allem Gehirne anderer Personen, um sich dort mit ihren Gedanken und Ängsten auseinanderzusetzen. Die Psychonauten im Laufe der Geschichte vor alten Feinden zu schützen ist deshalb bloß ein übergeordnetes Ziel, mit dem viele kleinere Geschichten verwoben sind, die den Ereignissen und vor allem Figuren Tiefe verleihen. Dass Spieler wieder in der Haut des Jugendlichen Raz stecken, zaubert zudem einen Coming-of-Age-Strang hervor. Denn kaum ist der Held nach dem ersten Teil endlich im Hauptquartier der Psychonauten angekommen, wird er schnurstracks in die Schule gesteckt und muss sich nicht nur mit Klassenkameraden, sondern auch eigenen Fehltritten auseinandersetzen.
Den kreativen Freiraum eines solchen Settings nutzt Double Fine voll aus; die Umgebungen sind angenehm surreal, es macht Freude, sie zu erkunden. Ähnlich faszinierend präsentiert sich die Welt außerhalb der Köpfe, die nach normalen Maßstäben immer noch ziemlich schräg ist – und durch Humor an Würze gewinnt. Aus Anleihen bei Austin Powers, Marvel und Alice im Wunderland entsteht eine wilde, aber immer wieder faszinierende Mischung, aus der eine lohnenswerte Reise entsteht.
Das Hirn des Spielers wird nur gekitzelt
Der Parkours dazwischen ist es weniger: Es geht mehr darum graue Zellen zu erkunden als sie zu benutzen, der Reise stehen kaum Hürden im Weg. Selten muss einmal länger überlegt werden, wo ein Missionsziel hinführt oder ein Weg weitergeht, im Allgemeinen lassen sich Sprung- und Kampfsequenzen zügig meistern. Psychonauts kitzelt das Hirn eher als es zu martern. Herausforderungen liegen eher in der Orientierung oder dem Finden von Geheimnissen und Sammelobjekten. Mit ihnen steigt Raz im Level auf, was das Aufwerten und Modifizieren seiner Psi-Fähigkeiten erlaubt. Da nicht alle vom Start weg zur Verfügung stehen, schafft das (mäßig spannende) Anreize, alte Level noch einmal zu spielen. Mechanisch gelingt das alles eher durchschnittlich, zumal die Steuerung ultimative Präzision vermissen lässt: Übliche Anforderungen werden kompetent, aber nicht übermäßig inspiriert erfüllt.
Psychonauts 2 benötigt jedoch nicht in jeder Disziplin Bestnoten, um richtig gut zu unterhalten. Seine liebenswerte Welt, seine Ideen und letztlich der Mut, das Medium Videospiel zur Darstellung ungewöhnlicher Sachverhalte auf eine abstraktere, sanftere Art zu nutzen, produzieren eine wunderschöne, flüssig ineinandergreifende Reise. Das Erleben und Erkunden von Fremdheit, das Finden von Bedeutung: Im Grunde löst Tim Schafer das Urversprechen künstlicher Welten ein.
Fazit
Psychonauts 2 ist wie der Vorgänger ein ziemlich ungewöhnliches Spiel, das mit seinem verrückten Ansatz trotz einiger Schwächen absolut zu gefallen weiß. In Kombination mit dem eigenen und absolut passenden künstlerischen Stil unterstützt die Grafik das Szenario und macht genau das, was sie soll – ohne große Stärken, aber auch ohne große Schwächen. Dass das kleine Studio weder die Ambitionen noch die Mittel hatte um mit AAA-Produktionen mitzuhalten, sieht man dem Titel zwar deutlich an, ein Problem bedeutet das für Psychonauts 2 hingegen nicht.
An Geschwindigkeit mangelt es dem Titel in jedem Fall nicht, solange auf die höchste Auflösung verzichtet wird, gibt es in der Regel FPS satt. 60 FPS gibt es in Full HD bei maximalen Details bereits mit einer GeForce GTX 1060 oder Radeon RX 580, was heutzutage eher eine Seltenheit ist. Auch WQHD läuft mit einer aktuellen oder ehemaligen Mittelklasse-GPU problemlos und erst ab Ultra HD muss es dann schneller werden. Hier ist für 60 Bilder pro Sekunde dann immerhin eine Radeon RX 6800 oder GeForce RTX 3060 Ti notwendig. Unabhängig von der Alters- und der Leistungsklasse zeigt sich, dass Grafikkarten von Nvidia schneller unterwegs sind als die von AMD. Das ist nichts ungewöhnliches für die eingesetzte Unreal Engine 4.
Das übliche UE4-Problem ist deutlich spürbar
Ebenso nicht ungewöhnlich für diese Engine ist das Problem, mit dem Psychonauts 2 auf dem PC am stärksten zu kämpfen hat: Betritt der Spieler ein neues Areal, hakt und stockt der Titel immer wieder spürbar, bis alle benötigten Shader im Cache vorhanden sind. Das Verhalten gibt es bei der Unreal Engine 4 und DirectX 12 quasi immer, andere Spiele verstecken es aber etwas besser.
Abgesehen davon muss kritisiert werden, dass die Grafik-Preset derart stark an die Renderauflösung gekoppelt wurden, dass selbst bei leicht reduzierten Grafikdetails schnell Bildmatsch entsteht. Wer hier nicht manuell eingreift, verschenkt viel optische Qualität. Dabei läuft der Titel auf einem halbwegs aktuellen PC auch mit 100 Prozent der eingestellten Auflösung schnell genug.
ComputerBase hat Psychonauts 2 von Microsoft zum Testen erhalten. Das Spiel wurde unter NDA zur Verfügung gestellt. Eine Vorgabe war der frühestmögliche Veröffentlichungszeitpunkt. Darüber hinaus dürfen bis zum Release keine eigens erstellten Screenshots gezeigt werden. Weil das für diesen Artikel nicht von Relevanz gewesen ist, erfolgte die Veröffentlichung unter Einhaltung dieser Vorgabe. Eine weitere Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht.
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