Life is Strange: True Colors im Test: Alte Tugenden mit aufpolierter Technik
Life is Strange: True Colors, der dritte Teil der Adventure-Serie, überzeugt inhaltlich auf ganzer Linie und legt auch bei der Technik zu. Das liegt nicht nur an der Integration von DirectX 12 – und im Test erst recht nicht an Raytracing, wie die ausführlichen Analysen und Benchmarks zeigen.
Auch mit der finalen Release-Version lässt sich auf dem Redaktions-Rechner kein Raytracing aktivieren beziehungsweise es zeigt sich einfach kein optischer Unterschied. Die Option wird wie bisher im Grafikmenü angeboten und nach der Aktivierung hängt das Spiel für eine handvoll Sekunden, bevor es dann weiter geht. Doch zeigen weder Framerate noch Screenshotvergleiche einen Unterschied zwischen an- und abgeschaltetem Raytracing. Wer ähnliche Erfahrungen gemacht hat oder wer die Strahlen gar ans Laufen gebracht hat, ist dazu ermutigt, dies im Forum kundzutun.
Mit Life is Strange: True Colors beschreitet die bekannte Adventure-Serie einige neue Wege, bleibt dem eigentlichen Kern der Serie aber vollständig treu: Auch die dritte Auflage ist trotz aller Änderungen primär eine ausführlich erzählte Geschichte inklusive komplexer Charaktere, auf die mit Entscheidungen Einfluss genommen werden kann, während das eigentliche Gameplay nur eine eher untergeordnete Rolle spielt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Spielverlauf in True Colors erstmals nicht mehr komplett linear abläuft.
Life is Strange: True Colors legt grafisch deutlich zu
Grafisch macht Life is Strange: True Colors ebenfalls einen großen Schritt nach vorne, gegenüber Life is Strange 2 ist die Optik kaum wiederzuerkennen. Nichtsdestoweniger bleiben Square Enix und das Entwicklerteam Deck Nine auch in diesem Punkt den Wurzeln treu. Der Stil des Spiels stimmt trotz aller Verbesserungen immer noch mit dem des Originals überein.
Der Stil passt nicht nur zum Spiel, er hilft obendrein beim Verschleiern, dass True Colors nicht von einem großen AAA-Team entwickelt wird, sondern es sich um eine eher kleine Produktion handelt und man das auch an allen Ecken und Kanten sieht: Wer sich die Grafik im Detail anschaut, findet quasi überall Schwächen – von den Animationen bis hin zu den Texturen.
Aber das macht nicht wirklich etwas, denn Deck Nine schafft es, die Schwächen mit vielen liebevoll gestalteten Details, einer guten Kameraführung, einem ansprechenden Art-Design und einer wirkungsvollen Beleuchtung locker auszugleichen, sodass Life is Strange: True Colors stellenweise richtig schick und idyllisch aussieht. Insbesondere die zahlreichen Zwischensequenzen sind toll inszeniert, die frei spielbaren Sequenzen in der Außenwelt sind hingegen die größte Schwachstelle.
Erwähnenswert ist, dass das Spiel in vielen Szenen mit Hilfe einer massiven Unschärfe am Bildrand versucht, den Fokus auf eine gewünschte Stelle zu richten. Das fällt beim eigentlichen Spielen kaum auf. Wer dagegen explizit nach dem Effekt sucht oder sich Screenshots anschaut, wird den Effekt schnell bemerken. Wer sich auch beim Spielen daran stört, kann das Feature abschalten, indem die Grafikoption „Nachbearbeitungsqualität“ auf die Stufe „Mittel“ gesetzt wird.
Unreal Engine 4 mit DirectX 12 (und Raytracing)
Life is Strange: True Colors setzt wie der der zweite Teil der Serie auf die Unreal Engine 4. Eine Änderung hat es jedoch bei den APIs gegeben, denn neben DirectX 11 unterstützt das Spiel auch DirectX 12. Die Entwickler empfehlen, DirectX 11 zu benutzen. Zur Low-Level-API sollen nur diejenigen greifen, die Raytracing verwenden wollen – eine weitere Premiere für die Spielserie.
Raytracing-Schatten wollten im Test nicht
Life is Strange: True Colors nutzt Raytracing für die Schatten, im Grafikmenü können diese an- oder abgeschaltet werden. Den Schalter gibt es auch in der Testversion des Spiels, doch hatte er keinerlei Funktion. Weder gibt es sichtbare Unterschiede in der Qualität der Schatten noch eine Änderung an der Performance. Fazit: Raytracing funktioniert in der Testversion nicht.
Laut Publisher Square Enix soll Raytracing funktionieren und andere Magazine hätten dies auch bestätigt. Auf zwei verschiedenen Redaktionsrechnern lief Raytracing nicht. Raytracing-Tests werden nachgeholt, sobald das Problem in der Redaktion (oder doch im Spiel) aus der Welt geschafft wurde.
Ein einfaches Grafikmenü für den PC mit einigen Funktionen
Life is Strange: True Colors bietet auf dem PC kein allzu komplexes Grafikmenü, ein paar Komfortoptionen gibt es aber. Neben den klassischen Grafik-Presets und den einzelnen Grafik-Optionen findet sich zum Beispiel ein FPS-Limiter im Menü, der jedoch nur 30 oder 60 FPS und keine höheren Werte zulässt, solange er nicht gänzlich abgeschaltet wird. Darüber hinaus gibt es spieleigenes Upscaling, wobei 70 Prozent der eingestellten Pixel den Minimum-Wert darstellen, der sich in 5-Prozent-Schritten bis 100 Prozent erhöhen lässt. Downsampling gibt es ebenso wenig wie Komfort-Optionen.
Inwieweit sich die einzelnen Optionen auf die Grafik auswirken, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Es gibt nur eine einfache Umschreibung für die Optionen, Beispiel-Screenshots fehlen.
Grafik-Presets mit kleinen bis großen Auswirkungen
Life is Strange: True Colors kommt mit fünf verschiedenen Grafik-Presets daher. „Niedrig“, „Mittel“ „Hoch“, „Sehr hoch“ und „Videosequenzen“ stehen zur Auswahl, wobei letzteres zugleich die maximal mögliche Qualität darstellt. Warum sich die Entwickler für eine derart merkwürdige Namensgebung für die höchste Option entschieden haben, kann nur gemutmaßt werden. Einfluss auf die Videosequenzen hat der Modus jedenfalls definitiv nicht.
Generell sind die Grafik-Unterschiede zwischen „Videosequenzen“ und „Sehr hoch“ nicht sonderlich groß. Primär wird bei einigen Objekten die Renderdistanz reduziert, sodass bei größerer Sichtweite irgendwann kaum noch Details dargestellt werden. Das passiert auch bei maximaler Grafikpracht im Preset „Videosequenzen“, nur eben ein paar Meter weiter weg. Darüber hinaus ist die Grasdichte allgemein etwas reduziert, weitere Unterschiede sind nicht zu erkennen. Das hat zur Folge, dass in vielen Spielszenen überhaupt kein Unterschied zwischen den zwei Optionen zu sehen ist. Wer aus Leistungsgründen auf die zweithöchste Stufe zurückschaltet, muss sich keine Sorgen um die Qualität machen.
Mit dem Hoch-Preset geht dagegen deutlich mehr Qualität verloren, da Sichtweite und Detaildichte weiter eingeschränkt werden. Hinzu kommt, dass das Bild etwas unscharf wird, was mit einer reduzierten Qualität der Kantenglättung zusammenhängt. Diese macht in True Colors eigentlich einen richtig guten Job. Die Bildstabilität ist selbst in niedrigen Auflösungen sehr gut, dafür leidet in Full HD die Bildschärfe. Das wird ab WQHD besser und in Ultra HD ist das Bild scharf. Mit dem Hoch-Preset werden dann aber auch hohe Auflösungen unscharf und zudem leidet die Bildstabilität. Darüber hinaus arbeitet das LOD aggressiver, sodass Objekte immer mal wieder aus dem Nichts auftauchen.
Bis „Hoch“ sieht das Spiel noch ordentlich aus, ab dem Mittel-Preset verliert True Colors aber sehr deutlich an Grafikqualität. Mit diesem Preset fällt auch die Bildhelligkeit deutlich ab, während die Beleuchtung an sich immer noch gleich zu sein scheint. Zudem werden Sichtweite und Objektdichte noch einmal zurückgefahren und das Bild flimmert stark. Das Mittel-Preset sollte also nur genutzt werden, wenn ansonsten kein spielbares Ergebnis erzielt werden kann.
Grafik-Presets können die Pixel-Anzahl verändern
Erwähnenswert bei den Presets ist noch die Option „Auflösungsskalierung“. Ist sie aktiviert, wird ab dem Preset „Hoch“ auch die Auflösung stufenweise reduziert. Ist die Auflösungsskalierung dagegen deaktiviert, ändern die Presets auch an der Pixel-Anzahl nichts. Für die Screenshots und Benchmarks ist die Auflösungsskalierung durchweg abgeschaltet.
Große Leistungssprünge sind möglich
Wer Leistungsprobleme in Life is Strange: True Colors hat, kann mit Hilfe der Grafik-Presets noch einiges an Performance herausholen. Bereits das immer noch hübsche Sehr-hoch-Preset beschleunigt die Radeon RX 6800 XT um ordentliche 43 Prozent, die GeForce RTX 3080 liefert damit gar 47 Prozent mehr FPS. Mit einer schnellen aktuellen Grafikkarte sind damit auch mehr als 60 FPS in Ultra HD kein Problem mehr.
Das Hoch-Preset macht noch einmal einen vergleichbar großen Sprung und beschleunigt die Radeon um weitere 45 Prozent, die GeForce dagegen um nur noch rund 22 Prozent. Mit dem optisch deutlich schlechteren Mittel-Preset gibt es dann noch einmal ein Plus von 38 Prozent respektive 44 Prozent.