Mechanische Billig-Tastatur im Test: Risiko und Genauigkeit helfen Sparfüchsen
Folgt man der Newsberichterstattung, scheinen mechanische Tasturen „für Spieler“ aktuell weit über 100 Euro zu kosten. Wie falsch das Bild ist, zeigt die Suche am ganz anderen Ende des Spektrums bei der Premiumversion von Wish, dem Amazon Marketplace. Es ist trotz vieler Fallstricke ein knapper Sieg des Sparfuches.
Der rotfellige Geizfreund hat eine klare Mission. Gesucht wird eine Tastatur mit ISO-Layout, also zumindest einer großen Eingabetaste, wenn schon nicht mit deutscher Tastenbelegung. Das Layout darf gerne kompakter sein, mechanische Taster sind Grundbedingung, RGB-Beleuchtung (Gaming!) ist Pflicht. Weil Warten dem modernen Menschen des 21. Jahrhunderts fremd ist, muss das Produkt zudem sofort und mit vernünftigem Kundensupport geliefert werden. Direktimporte oder Händler mit Sitz in Shenzhen scheiden damit aus. Gekauft wird deshalb beim Wish des Vertrauens: dem Amazon-Marktplatz.
Die Vielfalt der Fallstricke
Unter den vielzähligen Offerten tummelt sich eine erhebliche Anzahl verlockender Angebote aller Größen und Formfaktoren von Herstellern kreativster Namen. Fullsize-Formate lassen sich ebenso erwerben wie das ultrakompakte Hacker-Layout mit nur 60 Tasten. Dazwischen ist im Layout-Labor günstiger Genialität schier alles möglich. Einschränken lässt sich die Auswahl zügig: Ein ANSI-Layout fordert im deutschen Sprachraum oft größere Umgewöhnung. Es fliegt ebenso aus der Auswahl wie krude Layouts rechts von den Buchstabentasten, deren Kompositionen schon auf Bildern Schmerzen versprechen. Es hat gelegentlich Gründe, dass etablierte Unternehmen auf solche „Innovationen“ verzichten.
Ein schlauer Fuchs schaut ohnehin genau auf die Bilder und die Beschreibung, denn mancher Anbieter suggeriert zwar geschickt die Existenz mechanischer Taster, meint aber wenn überhaupt nur das Tippgefühl und verbaut Rubberdome-Modelle. „Mecha-mechanische“ Taster sind jedoch nichts anderes als Gummitaster mit schickem Namen. Aus dem vermeintlichen Schnäppchen wird dann schnell eine ziemlich teuer gekaufte Noname-Tastatur. Hilfreich ist, wenn konkret angegeben wird, welche Farbkodierung die Taster haben, auch als Rückversicherung über die Existenz einer mechanischen Ausführung. Eine bestimmte oder überhaupt eine Marke zu erwischen, davon sollte man sich bei der Suche nach dem kleinsten Preis jedoch verabschieden. Auch bei der Beleuchtung braucht es Augen. Erst wer genau liest und zur Sicherheit in die Produktbewertungen schaut, findet heraus, ob die fünf gezeigten Farben durch einfarbige oder echte RGB-LEDs entstehen. Ob die bunte Beleuchtung nur einen, permanent blinkenden Leuchtmodus hat, lässt sich so ebenfalls herausfinden.
Preislich liegt das Wunderland (zu) viel versprechender Produkte am besten unterhalb von 50 Euro. An dieser Grenze sollten allerdings schon Testberichte außerhalb der Amazon-Plattform vorhanden sein, da erste Tastaturen namhafter Hersteller preislich auf Höhe liegen. Je nach Kompromissbereitschaft starten echte mechanische Eingabegeräte aber schon ab 15 Euro im ANSI-Layout aus dem Amazon-Warehouse. Wenn möglichst alle eingangs genannten Kriterien abgedeckt werden sollen, müssen 25 bis 30 Euro investiert werden.
Die Gamenote-Tastatur
Für den Testlauf fällt die Wahl auf eine „Gamenote“ des Typs „60% Mechanische Gaming Tastatur“. Laut Beschreibung ist sie eine „kabelgebundene 72-Tasten Mini Gaming Tastatur mit Blaue Schalter und LED-Hintergrundbeleuchtung Compact Gaming Tastatur für PC Gamer und Arbeits, Schwarz“, laut dem Produktbildern 2 und 3 zudem im ISO-Layout gehalten.
Die krude Bezeichnung ist zumindest funktional, die Übersetzung der englischen Produktbeschreibung erfreulich verständlich. Hoffnungsvoll stimmt, dass Gamenote „Keys“ korrekt als Tasten bezeichnet und nicht als Schlüssel; lediglich ein „Treiber“ (eng. driver) wird zum „Trockner“ (eng. dryer). Dabei derlei zimperlich zu sein, hieße jedoch, die Mission nicht verstanden zu haben. Es soll, darf und muss gespart werden, denn eine gute und teure Übersetzung trägt nichts zur Qualität des Produktes selbst bei. Dass also auch die Verpackung aus einem schlichten schwarzen Karton besteht, ist zu begrüßen, denn für das Altpapier muss er weder bunt noch aufwändig werden. Er verrät jedoch zumindest noch, dass hinter Gamenote Havit steckt, ein chinesisches Unternehmen, das immerhin einen EU-Shop betreibt und sich schon länger im Geschäft hält.
Was der Sparfuchs sonst bekommt, lässt sich mit Fug und Recht als „stabil“ bezeichnen. Das Gehäuse wackelt nicht, steht sicher, mag sich nicht biegen. Dass bei der Fertigung eine Schraube nur halb eingedreht wurde: geschenkt. Es wäre ohne die genaue Inspektion des Testszenarios nicht aufgefallen. Man bewegt sich eben auf dem Niveau eines Dacia und nicht in der Liga von Audi und Co. Eine nicht ganz korrekt eingerastete Haltenase, die das Gehäuse an einer Ecke etwas offen stehen lässt, passt da ins Bild.
Mit „RGGBTL“-Beleuchtung
Der Fuchs bekommt dafür an anderer Stelle mehr als erwartet, nämlich neben USB mit Typ-C-Stecker eine echte „RGGBTL“-Beleuchtung, die in Rot, Gelb, Grün, Blau, Türkis und Lila und wahlweise in 17 lästigen Blinkgewittern leuchtet. Die Verwendung unterschiedlich farbiger LEDs suggeriert auf Produktbildern geschickt eine RGB-Beleuchtung, die gar nicht existiert – von „RGB“ wird auf der Produktseite tatsächlich nirgends gesprochen. Schlaue Sparfüchse brauchen definitiv eine Lesebrille, um nicht auf der Nase zu landen. Fiepen und Summen wie etwa noch vor einiger Zeit sackteure Razer-Tastaturen verkneift sich die Gamenote. Dafür bilden Fotos der Tastatur mit voller Beleuchtung nicht immer alle LEDs ab, was auf eine langsam flackernde PWM-Beleuchtung oder eine andere Vereinfachung hindeutet. Immerhin: Es ist nicht alles schlecht im Preiskeller.