Activision Blizzard: Neue Vorwürfe richten sich gegen CEO Bobby Kotick
Der Fisch stinkt vom Kopf her: Neue Belästigungsvorwürfe bei Activision Blizzard richten sich gegen den CEO Bobby Kotick. Er soll von den Vorfällen gewusst und die Aufklärung der Fälle behindert haben. Anteilseigner des Unternehmens fordern nun seinen Rücktritt.
In einem Bericht des Wall Street Journal heißt es, dass mehrere Frauen Belästigungsvorwürfe gegen Kotick erhoben haben. In einem Vorfall aus dem Jahr 2006 soll der CEO eine Betroffene in einer Sprachnachricht zudem mit dem Tod bedroht haben.
Unter weiteren Dokumente, die in Besitz des WSJ gelangt sind, befindet sich auch die Mail eines Anwalts einer ehemaligen Sledgehammer-Angestellten an Kotick aus dem Jahr 2018. Die Mitarbeiterin sei vergewaltigt worden und habe dies an die Personalabteilung gemeldet, passiert sei allerdings nichts. In diesem Fall habe Activision Blizzard eine schnelle außergerichtliche Einigung herbeigeführt, Kotick den Aufsichtsrat aber weder darüber noch über die Vorwürfe informiert. Auch nach Beginn der behördlichen Ermittlungen habe der CEO Informationen zurückgehalten, schreibt das WSJ unter Berufung auf interne Dokumente. Der Aufsichtsrat selbst schrieb in einer Stellungnahme gegenüber dem Magazin, in Bezug auf regulatorische Angelegenheiten ausreichend informiert worden zu sein.
Kotick habe zudem im Jahr 2019 persönlich eingegriffen, um Treyarch-Studiochef Dan Bunting nach Vorwürfen sexueller Belästigung zudem entgegen der Empfehlung der Personalabteilung und Untersuchungen im Unternehmen zu halten. Bunting verließ das Unternehmen erst in den vergangenen Tagen nach Bekanntwerden der Vorwürfe.
Blizzard nimmt kaum Stellung
In einer Pressemitteilung wandte sich Kotick zwischenzeitlich gegen das WSJ. Er warf dem Bericht vor, „irreführend“ zu sein. Gegenüber Game Developer sagte das Unternehmen darüber hinaus, dass der Bericht die Reformen der vergangenen Monate ignoriere. Konkreten Bezug auf die Vorwürfe nahmen beide Mitteilungen aber nicht. Das Fehlen einer inhaltlichen Auseinandersetzung legt den Schluss nahe, dass mit einer geschickten PR-Strategie Schadensbegrenzung betrieben werden soll. Kotick selbst hatte schließlich eine „Null-Toleranz-Politik“ für Fehlverhalten angekündigt und müsste, sollten die Vorwürfe zutreffen, seinen Hut nehmen.
As I have made clear, we are moving forward with a new zero tolerance policy for inappropriate behavior -- and zero means zero. Any reprehensible conduct is simply unacceptable.
Bobby Kotick
Dass Kotick sich in diesem Licht überhaupt als Galionsfigur eignet, erscheint fraglich. Schließlich wurde schon das Blizzard-Führungspersonal teils mit Blick auf die Außenwirkung ausgewechselt. Der Aufsichtsrat des Unternehmens hat Kotick nach den Vorwürfen zwar sein Vertrauen ausgesprochen, eine kleine Gruppe Anteilseigner, die Strategic Organising Center (SOC), und die Mitarbeitervereinigung ABK Workers Alliance fordern laut der Washington Post allerdings seinen Rücktritt. Sie werfen ihm sowie zwei weiteren Managern vor, in grundlegenden Bereichen ihrer Jobs versagt zu haben.
Kotick soll bleiben
Die Reaktion des Publishers ist deshalb umso mehr schockierend. Nicht nur wird Kotick das Vertrauen ausgesprochen, es wird zugleich auf seine Führungsqualität verwiesen: Seine Reformen werden „branchenführend“ genannt. Solche Aussagen wirken nicht nur mit Blick auf die Vorwürfe haarsträubend. Denn Blizzards neue Mit-Chefin Jen Oneal verlässt das Unternehmen zum Jahresende und damit nur wenige Monate nach ihrem Amtsantritt – mit der Begründung, weniger Geld als der ihr gleichgestellte Mike Ybarra erhalten zu haben.
Eine Angleichung im Rahmen der Beförderung sei zwar mehrfach zugesagt worden, ein entsprechendes Angebot habe sie aber erst nach der Kündigung erhalten. Laut dem Wall Street Journal begründete sie gegenüber der Rechtsabteilung des Publishers in Kontrast zu ihren öffentlichen Stellungnahmen, sie sei zum Feigenblatt gemacht und marginalisiert sowie diskriminiert worden. Vertrauen in echte Änderungen bei Activision Blizzard habe sie nicht mehr.
Dass Bobby Kotick die richtige Personalie für einen echten Umschwung ist, stellt auch ein anderes Detail der Reportage in Frage. Er selbst war es, der den provokanten Brief verfasste, den Fran Townsend, der Chief Compliance Officer bei Blizzard, an Mitarbeiter schickte.
Darin wurde dem US-Bundesstaat Kalifornien – wie nun dem Bericht des WSJ – unter anderem vorgeworfen, im Rahmen der Klage ein „verzerrtes und falsches Bild“ von den Zuständen bei Blizzard zu zeichnen, während Blizzard als Unternehmen dargestellt wurde, das gegen Belästigungen eine harte Linie fahre. Auf offene Ohren stieß diese Darstellung nicht, sie löste Mitarbeiterproteste aus, obwohl sie auf dem Papier durch Townsend als weibliche Führungskraft Glaubwürdigkeit gewinnen sollte. Townsend nahm in Folge ihren Hut, Kotick selbst sprach in Folge von „unsensiblen“ Äußerungen, ohne seine Urheberschaft offen zu legen.