Intel Alder Lake im Test: Die neue TDP-Definition und ihre Auswirkungen

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Intels „TDP-Nachfolger“ für die K-CPUs

Schon in der Vergangenheit waren Intels-TDP-Angaben von K-Prozessoren vor allem beim Einsatz auf High-End-Boards eher theoretischer Natur: Offiziell stand ein höheres elektrisches Budget (PL2) nur so lange zu Verfügung, wie der gewichtete gleitende Durchschnitt der Leistungsaufnahme nicht die offizielle TDP (PL1) erreicht hatte, oder die Zeit „Tau“ verstrichen war. Auf den Standard-Desktop-Mainboards aus dem Handel wurde in der Regel aber PL2 dauerhaft festgesetzt – Intel hat das über Jahre geduldet. Mehr dazu im Artikel CPU-Leistungsaufnahme: Was „TDP“ bei Intel Core und AMD Ryzen bedeutet.

Bei Alder Lake „K“ wird PL1=PL2 zum Standard

Mit Alder Lake geht Intel noch einen Schritt weiter. Denn hier erklärte der Hersteller – zumindest für die ersten K-CPUs – kurzerhand PL1 als irrelevant und setzt den Wert auf den fast doppelt so hohen Betrag von PL2. De facto ist das eine TDP-Erhöhung um bis 95 Prozent von 125 auf 241 Watt.

In der Praxis äußert sich das beispielsweise bei MSI so: Nach dem ersten Einschalten fragt das BIOS, welches Leistungsprofil der Nutzer nutzen möchte: Boxed-Kühler, Turmkühler oder AiO. Bis Alder Lake wurde bei der Standardauswahl „Boxed-Kühler“ die offizielle Spezifikation geladen, also beispielsweise PL1 = 125 Watt, PL2 = 250 Watt und Tau = 56 Sekunden. Bei K-CPUs auf Basis von Alder Lake steht dort jetzt PL1 = PL2 = 241 Watt (Core i9). Die Processor Base Power (TDP) müsste daraufhin auf 3. Ebene im BIOS von Hand manuell eingegeben werden, inklusive Tau – in der Praxis mache das Niemand, PL2 ist das neue PL1.

Erster Start: Weniger als 241 Watt gibt es nicht mehr
Erster Start: Weniger als 241 Watt gibt es nicht mehr

Intel versucht den Begriff TDP zwar zu vermeiden, wenngleich es in Dokumenten stets heißt „The Processor Base Power (a.k.a TDP)“ – konsequent sieht anders aus. Es macht den Anschein, als sei die Entscheidung erst spät gefällt worden. Intels eigenes Support-Dokument beschreibt den alten Zustand weiterhin in aller Ausführlichkeit.

Support-Dokument zu Alder Lake-S mit TDP und Tau
Support-Dokument zu Alder Lake-S mit TDP und Tau (Bild: Intel)

In den technischen Spezifikationen ist Intels K-CPU also weiter eine 125-Watt-Lösung, im Marketing und in der Praxis ist sie es aktuell nicht. Denn dieser Wert liegt bei keinem K-Prozessor an, jedes Profil nach CMOS-Reset bei den Mainboards stellt dem Kunden stets eine Konfiguration mit höherem Verbrauch alias PL2 zur Verfügung.

TDP, PL1, PL2 und Tau von Intel Rocket Lake-S und Comet Lake-S
CPU PL1 PL2 Tau
Core i9-12900K 241 Watt 56 Sekunden
Core i7-12700K 190 Watt 56 Sekunden
Core i5-12600K 150 Watt 56 Sekunden
Core i9-11900K 125 Watt 250 Watt 56 Sekunden
Core i7-11700K 125 Watt 250 Watt 56 Sekunden
Core i5-11600K 125 Watt 250 Watt 56 Sekunden
Core i9-10900K 125 Watt 250 Watt 56 Sekunden
Core i7-10700K 125 Watt 229 Watt 56 Sekunden
Core i5-10600K 125 Watt 182 Watt 56 Sekunden

Jedes in der Redaktion vorliegende Mainboard war allerdings in der Lage, PL1, PL2 und Tau weiterhin frei zu konfigurieren. Für Tau ist in der Regel sogar ab Werk der Wert 56 Sekunden hinterlegt, auch wenn die Variable mit PL1 = PL2 überhaupt keinen Einfluss hat.

Die bekannten Limits lassen sich noch setzen

Wer im BIOS abweichend Werte definiert, beispielsweise die offensichtlich geplante Spezifikation PL1 = 125 Watt, PL2 = 241 Watt und Tau = 56 Sekunden für den Core i9, der findet diese Eingaben auch wirklich in der Praxis wieder.

Diagramme
3 x CB R20 mit Limits, 2 Sek. Pause (Package Power)
060120180240300Watt (W) 1102030405060708090100110120130140150160170175Sekunden

Die Auswirkungen in Anwendungen

Wie von ComputerBase zuletzt gewohnt, hat die Redaktion auch Core i9-12900K, Core i7-12700K und Core i5-12600K sowohl ohne jedes Limit als auch mit festen Obergrenzen für PL1 und PL2 getestet. Zum Vergleich stehen zahlreiche Vorgänger in verschiedenen Konfigurationen sowie Ryzen inklusive Ryzen 5000 im Eco-Mode bereit. Die ausführlichen Benchmarks finden sich in den Diagrammen zur Anwendungs-Leistung weiter hinten im Artikel. An dieser Stelle erfolgt eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse.

In Summe zeigt sich das zuletzt von Intel bekannte Bild: Je länger die Last und je größer die CPU, desto größer ist der positive Einfluss auf die Leistung durch den neuen Ansatz PL1=PL2 auf PL2-Niveau. Beim Core i5 werden in der Regel beispielsweise nicht einmal die 125 Watt (PBP, PL1, alte TDP) ausgenutzt, ihn nach einer kurzen PL2-Phase von 150 auf 125 Watt einzubremsen, macht selbst in Blender keinen Unterschied. Anders sieht das beim Core i9 aus, der in diesem Szenario 12 Prozent Leistung zulegen kann – bei knapp 100 Prozent mehr Verbrauch.

Leistung in Multi-Core-Apps (Rating)
CPU ohne Limit mit Limit (PL1=PL2) mit alten Limits (PL1, PL2 und Tau)
Relative Leistung im gesamten Multi-Core-App-Parcours
Core i9-12900K 100 % (offen) 100 % (241 W) 97 % (125 W, 241 W, 56 s)
Core i7-12700K 100 % (offen) 100 % (190 W) 99 % (125 W, 190 W, 56 s)
Core i5-12600K 100 % (offen) 100 % (150 W) 100 % (125 W, 150 W, 56 s)
Relative Leistung in Blender (lange Last)
Core i9-12900K 100 % (offen) 99 % (241 W) 88 % (125 W, 241 W, 56 s)
Core i7-12700K 100 % (offen) 100 % (190 W) 94 % (125 W, 190 W, 56 s)
Core i5-12600K 100 % (offen) 100 % (150 W) 100 % (125 W, 150 W, 56 s)

Die Auswirkungen in Spielen

In Spielen sieht das anders aus. Dort hatte eine Beschränkung auf die offiziellen Grenzwerte für PL1 und PL2 zuletzt schon keine Auswirkung auf die Leistung und bei Alder Lake sieht das selbst beim Core i9 nicht anders aus – selbst dann nicht, wenn die CPU dauerhaft auf maximal 125 Watt eingebremst wird.

Diagramme
Package Power (Cyberpunk 2077, 720p, Ultra & RT Mittel)
04080120160200 1510152025303540455055606570758085909599

Weder in Cyberpunk 2077 noch in Doom Eternal, die jeweils in 720p mit maximalen Details inklusive Raytracing liefen um die CPU-Last zu maximieren, zeigten sich Takt- oder Leistungsverluste durch die Limitierung des Core i9 auf harte 125 Watt. In Cyberpunk 2077 war das erst bei 88 Watt Obergrenze der Fall, bei Doom Eternal sogar erst bei 65 Watt. Die Benchmarks wurden mit einer GeForce RTX 3080 Ventus 8G von MSI durchgeführt.

RTX 3080
Cyberpunk 2077, 720p, Ultra & RT Mittel (RTX 3080)
  • FPS:
    • kein Limit, 8+8 Kerne
      93,5
    • 125/125 Watt, 8+8 Kerne
      92,8
    • 88/88 Watt, 8+8 Kerne
      92,6
    • 65/65 Watt, 8+8 Kerne
      91,2
  • Frametimes (1-Prozent-Perzentil):
    • kein Limit, 8+8 Kerne
      79,0
    • 88/88 Watt, 8+8 Kerne
      78,4
    • 125/125 Watt, 8+8 Kerne
      77,8
    • 65/65 Watt, 8+8 Kerne
      71,6
Einheit: Bilder pro Sekunde (FPS)

Die manuelle Limitierung auf maximal 125 Watt ist dabei noch strenger als im BIOS PL1 = 125 Watt, PL2 = 241 und Tau = 56 Sekunden nach „alten“ Spezifikationen zu setzen. Denn in diesem Fall wird erst dann auf 125 Watt gedrosselt, wenn der gleitende gewichtende Mittelwert der Leistungsaufnahme PL1 = 125 Watt erreicht, was in Anbetracht der kurzen Momente, in denen der Core i9 die 125 Watt überhaupt einmal überschreitet, quasi nie der Fall sein wird. Die von Intel angehobene TDP für die K-CPUs ist für Spieler damit nicht von Relevanz – weder in Sachen Leistung noch in Sachen Verbrauch.