Apple Fitness+ im Test: Tolle Workouts mit Apple Watch statt Schweißband
Apple Fitness+ ist in Deutschland gestartet und bietet für 10 Euro im Monat oder 80 Euro im Jahr rund 600 Video-Workouts in 11 Trainingskategorien für die Apple Watch. Die Verzahnung mit Apple Watch, Apple Music, iPhone und auf Wunsch auch Apple TV ist sehr gut. Qualitativ wie auch quantitativ überzeugt das Angebot.
Fitness+ ist in Deutschland gestartet. Apples Fitness-Service mit Video-Workouts wurde speziell für die Apple Watch entwickelt und setzt auf die enge Kopplung und Anbindung an diese, die auch Voraussetzung für die Nutzung ist. Apples Ansatz: Statt Sportgeräte zu verkaufen, integriert der Dienst die von der Apple Watch aufgezeichneten Vitaldaten direkt in das Workout und zeigt Informationen wie die Herzfrequenz kontinuierlich an. Das Schließen der Ringe, seit jeher das Maß für Aktivität auf der Apple Watch, steht im Vordergrund. Mit welchen Sportgeräten, sofern erforderlich, die einzelnen Workouts vom Nutzer durchgeführt werden, bleibt ihm dann selbst überlassen.
Fitness+ ist als Abonnement für 9,99 Euro pro Monat oder 79,99 Euro pro Jahr erhältlich. Der Dienst kann mit bis zu fünf Familienmitgliedern geteilt werden, was den Preis bei gemeinsamer Nutzung deutlich attraktiver werden lässt. Trotz des im Vergleich zu den USA verspäteten Starts in Deutschland hat Apple auf eine vollständige Lokalisierung der Inhalte oder gar deutschsprachige Trainer verzichtet, alle Inhalte sind auf Englisch. Stattdessen kann man sich auf Wunsch Untertitel einblenden lassen – nicht nur auf Deutsch. Das hat gleichsam den großen Vorteil, dass deutsche Kunden schon zum Start auf eine große Workout-Sammlung zurückgreifen können, die zudem stetig erweitert wird. Jeden Montag fügt Apple 25 neue Videos hinzu, alle in UHD. Insgesamt umfasst das Angebot inzwischen rund 600 Videos.
Video-Workouts immer und überall
Bevor es allerdings um Fitness+ im Konkreten geht, stellt sich die Frage, für wen das Angebot überhaupt interessant ist. All diejenigen, die Fitness+ mit dem Argument abtun, dass Sport draußen an der frischen Luft nichts koste und man dafür weder ein Abo noch eine Apple Watch brauche, sind mit Apples Fitness-Dienst, aber auch anderen Diensten, falsch beraten. Dennoch sollten auch sie sich vor Augen führen, dass nicht jeder auf gleiche Art und Weise Sport treiben möchte und es schlussendlich nicht darum geht, wie man Sport treibt, sondern dass man es überhaupt tut – der eine beim Joggen an der frischen Luft, der andere im Fitness-Studio und der nächste anhand von Video-Workouts in den eigenen vier Wänden. Für jede Art des Trainings gibt es gute Gründe.
Neben einem generellen Zeitvorteil für das Training zuhause, da der Weg ins Fitnessstudio entfällt, können auch andere Gründe wie Scham oder schlicht die Freiheit, auch dann abends Sport treiben zu können, wenn die Kinder schlafen und nicht alleine gelassen werden können, gute Gründe für die Nutzung digitaler Trainingsdienste zuhause sein. Dass ein Bedarf für diese Angebote in der Gesellschaft vorhanden ist, steht längst außer Frage.
Nicht statt, sondern im Fitnessstudio
Eine erste Besonderheit an Apple Fitness+ ist zudem, dass sich Fitness+ und der Gang ins Fitnessstudio nicht ausschließen. Denn wer beispielsweise kein eigenes Laufband oder Rudergerät besitzt, kann sein iPhone oder iPad und die Apple Watch problemlos mit ins Fitnessstudio nehmen, um dort ein Workout über Fitness+ zu absolvieren. Video-Workouts lassen sich auch vorab herunterladen, so dass zum Zeitpunkt des Trainings keine Datenverbindung erforderlich ist.
Die Frage nun ist, wie gut Apple Fitness+ umgesetzt hat und ob der Dienst auch technisch überzeugt – ein Problem, mit dem immer noch einige gut gedachte Dienste zu kämpfen haben, wenn die Videos mit Aussetzern und niedriger Auflösung über den heimischen Bildschirm flimmern.
Aus urheberrechtlichen Gründen kann ComputerBase keine eigenen Video-Aufnahmen oder Screenshots der Workouts veröffentlichen, da rechtliche Vereinbarungen nur zwischen Apple und den Trainern und den jeweiligen Musiklabels bestehen. ComputerBase greift deshalb auf von Apple für die Nutzung freigegebenes Videomaterial zurück. Apple selbst unterbindet sogar Screenshots der Workouts, indem das Video auf diesen vollständig geschwärzt und nur die Vitaldaten des Nutzers auf dem Screenshot angezeigt werden.
Die Voraussetzungen für Fitness+
Für Fitness+ wird eine Apple Watch Series 3 oder neuer in Verbindung mit einem iPhone 6S oder neuer benötigt, wobei das iPhone ohnehin Voraussetzung für die Nutzung der Apple Watch ist. Fitness+ ist als neuer Reiter in der Fitness-App auf dem iPhone, iPad und Apple TV umgesetzt und muss über eines dieser Geräte gestartet werden. Auf der Apple Watch selbst können keine Workouts ausgewählt und gestartet werden. Wenn auch kein spezielles Sportgerät erworben werden muss, sind die Einstiegshürden, wenn man keines der erforderlichen Apple-Geräte ohnehin schon besitzt, trotzdem hoch. Wer jedoch schon eine Watch und ein iPhone und im besten Fall zudem ein iPad oder einen Apple TV besitzt, dem reicht das digitale Abo. Besitzer einer Apple Watch erhalten einen kostenlosen Testmonat für Fitness+. Wer hingegen jetzt eine Apple Watch neu kauft, kann den Dienst drei Monate lang kostenlos nutzen.
Auf einem Mac steht der Dienst aktuell nicht zur Verfügung, aber theoretisch lässt sich Fitness+ auch per AirPlay auf ein anderes Endgerät übertragen, wobei die Live-Vitaldaten allerdings nicht mit übertragen und angezeigt werden und so während des Trainings nur auf der Apple Watch sichtbar sind.
Wer sich fragt, ob er auf dem heimischen Apple TV 4K jedes Mal den hinterlegten Benutzer wechseln muss, wenn Fitness+ durch verschiedene Personen genutzt werden soll, kann beruhigt sein, denn Fitness+ fragt beim Start, welche Apple Watch in der Nähe für das Training genutzt werden soll.
Zentraler Ankerpunkt von Fitness+ ist somit immer die Fitness-App, die sich je nach genutztem Endgerät im Design unterscheidet, deren Funktionsumfang aber grundsätzlich auf allen Plattformen identisch ist. Mit der Ausnahme, dass man beispielsweise auf dem iPad keine Übersicht der letzten Trainings hat, die das iPhone im Reiter „Übersicht“ in der Fitness-App bietet. Das iPad bietet quasi nur den Reiter Fitness+.
Diese Kategorien bietet Fitness+
11 ganz unterschiedliche Trainingsarten
Apple Fitness+ umfasst derzeit elf Trainingsarten. Als Workout-Arten stehen Radfahren, Laufband, Rudern, HIIT, Krafttraining, Meditation, Yoga, Tanzen, Pilates, Core und „Achtsames Cooldown“ zur Verfügung. Die Workouts variieren in ihrer Länge zwischen 5 und 45 Minuten, so dass sowohl für kurze Aktivitäten als auch längere Workouts etwas dabei ist. Alle Trainer haben Zeichensprache gelernt, um sie in den Videos zu nutzen.
Fitness+ gibt dem Nutzer dabei automatisch Empfehlungen für Trainingseinheiten anhand bisher abgeschlossener Workouts. Über umfangreiche Filter können Nutzer zudem nach passenden Inhalten suchen, beispielsweise anhand der Dauer, des Trainers, der Musik, des Geräts oder der Art des Trainings. Auch die Körperregion kann teilweise gewählt werden (Ober- oder Unterkörper).
Bereits absolvierte Trainingseinheiten werden mit einem kleinen Häkchen versehen, so dass man sie in Zukunft entweder gezielt aussparen oder erneut aufrufen kann.
Auf dem iPhone kann beispielsweise im oberen Bereich direkt eine Trainingsart ausgewählt werden, darunter werden in einem kurzen Video die Neuerungen der aktuellen Woche vorgestellt. Darunter folgen die neuen Workouts und „Künstler:innen im Spotlight“ legt den Fokus auf die Musik, da die Workouts sich einem einzelnen Künstler widmen, von dem die Musik stammt. Hinter „Das sind die Hits“ verbergen sich häufig genutzte Workouts aller Fitness+-Nutzer. Zudem veranstaltet Apple immer wieder sogenannte Gasttrainer-Serien, in denen nicht dauerhaft zum Trainerteam gehörende Gäste einige Workouts durchführen. Um die vielen Auswahlmöglichkeiten noch vielfältiger zu machen, kann unter „Deine Trainer:innen“ direkt aus dem Reiter heraus nach einer Trainerin oder einem Trainer gefiltert werden.
Wird ein Training ausgewählt, werden die Dauer und die Musik angezeigt. Obendrein wird in einem Text kurz auf den Inhalt des Workouts eingegangen, den sich der Nutzer aber auch in einer Vorschau vorab ansehen kann, ohne das Workout zu starten.
Programme, aber keine echten Kurse
Der Eintrag „Programme“ gruppiert Workouts unter wechselnden Gesichtspunkten. Derzeit stehen beispielsweise die Programme „Training für Anfänger:innen“, „Meditation für Anfänger:innen“, „Mach dich bereit für die Schneesaison“, „Training für ältere Menschen“ und „Workouts für die Schwangerschaft“ bereit. Jede Reihe umfasst dabei verschiedene Workouts, die zudem nicht alle aus einer Trainingskategorie stammen müssen.
Um echte Fitness-Kurse nach dem Motto „Straffer Bauch in 10 Wochen“ handelt es sich dabei aber nicht, denn es gibt weder einen vorgegebenen Trainingsplan noch ein klar definiertes Trainingsziel. Derartige Kurse basierend auf den Workouts bietet Fitness+ derzeit nicht. Wer einen vorgegebenen, festen Trainingsplan bevorzugt oder gar braucht, muss ihn sich selbst zusammenstellen und sich daran halten.
Personalisierte Empfehlungen
Was Fitness+ aber durchaus bietet, sind personalisierte Empfehlungen, die auf dem basieren, was der Nutzer normalerweise in der Trainings- oder Achtsamkeits-App auf der Apple Watch erzielt – auch von verknüpften Diensten. Dabei werden auch neue Trainer oder andere Kategorien als üblich vorgeschlagen, um mehr Abwechslung zu erreichen.
Zeit fürs Gehen
In der Kategorie „Zeit fürs Gehen“ soll man Fitness+ mit Kopfhörern mit auf einen Spaziergang nehmen, wie es auch die Prominenten tun, die ihre Geschichte bei einem Spaziergang erzählen, den sie meist an für sie bedeutungsvollen Orten absolvieren. Fotos auf der Apple Watch und Musikstücke unterstützen die Erzählungen. Jede Episode ist zwischen 25 und 40 Minuten lang. Die zweite Season der Reihe ist gerade mit einem Beitrag von Prince William abgeschlossen worden. Zudem werden Episoden unter anderem mit Dolly Parton, Anthony Joshua, Randall Park, Jane Fonda, Camila Cabello, Kurt Fearnley, Naomi Campbell, Draymond Green, Bebe Rexha, Min Jin Lee, Shawn Mendes, Stephen Fry, Dr. Sanjay Gupta und Kesha angeboten. Auch diese sind nicht synchronisiert, dafür aber authentischer und durchaus interessant und unterhaltsam, wenn man des Englischen mächtig ist.
Da es sich hierbei quasi um Podcasts handelt, lassen sie sich aus der App heraus auch direkt der Mediathek auf der Apple Watch hinzufügen, um sie unterwegs zu hören. Dort finden sie sich in der Trainings-App. Diese Kategorie ist zudem die einzige, die direkt über die Trainings-App auf der Apple Watch durchstöbert werden kann, um Inhalte direkt abzuspielen. Die Meditationen können über die Fitness-App der Achtsamkeits-App auf der Apple Watch hinzugefügt und dann dort in Audio-Form wiedergegeben werden.
Meine Bibliothek
Über die Schaltfläche „+Hinzufügen“ lassen sich die Lieblings-Workouts auch der eigenen Bibliothek hinzufügen, die dann im unteren Bereich im Fitness+-Reiter der Fitness-App angezeigt wird. So lassen sich die favorisierten Workouts schnell wiederfinden.