Billig-Netzteile (mit RGB) im Test: Testergebnisse elektrischer Messungen

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Nico Schleippmann
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Für die Netzteile kamen während der Tests folgende selbstkalkulierte Lasten zum Einsatz. Die prozentualen Auslastungen stellen dabei die Lastverteilung nach, wie sie die 80Plus-Organisation bis auf die Crossload-Szenarien verwendet. Die festen Lasten sollen typische Lastverteilungen aktueller Hardware-Konfigurationen nachstellen.

Die im Test verwendeten Lasten im Detail

Die einzelnen Ergebnisse jeder Kategorie können anhand der Schaltflächen über den Diagrammen durchgeschaltet werden.

Effizienz

Die Wirkungsgradzertifizierung nach 80Plus Bronze des Azza PSAZ-ARGB 650W und Inter-Tech Argus RGB-600W II wird mit einer Eingangsspannung von 115 V geprüft. Während beide Probanden die Vorgabe bei einer Auslastung von 20 % noch erfüllen können, kann das PSAZ-ARGB 650W bei Halblast die 85,0 % nicht erreichen. Bei Volllast erfüllt es mit 79 % schließlich nicht einmal mehr die Anforderung an 80Plus. Das Argus RGB-600W II erfüllt mit 80,5 % zwar noch 80Plus, verfehlt 80Plus Bronze aber deutlich. Anzumerken sei außerdem, dass die Netzteile bei einer idealen Stromaufteilung über alle angeschlossenen Stecker getestet werden, sodass ein Minimum an Verlustleistung in den Kabeln entsteht.

Für 80Plus EU gilt es, dieselben Effizienzwerte wie für 80Plus Bronze bei 20, 50 und 100 % Auslastung zu erfüllen – dabei aber mit einer Eingangsspannung von 230 V, wodurch eine geringere Verlustleistung im Brückengleichrichter und in der PFC anfällt. Mit 82,7 % kann das Aerocool Aero White 500W die Anforderung noch knapp erfüllen.

Diagramme
Effizienz bei 115 Volt Eingangsspannung – Relative Lasten
757983879195Prozent 10 %20 %50 %100 %110 %

Vom Testszenario mit „festen“ Lasten kann das Argus RGB-600W II sehr profitieren. Bei Halblast kann es einen um 3 % und nahe der Volllast einen um etwa 7 % höheren Wirkungsgrad aufweisen als noch im 80Plus-Test. Damit spielt es in einer Liga mit dem XPG Pylon 550W, das sich nur bei Schwachlast vom Inter-Tech absetzen kann. Das Aero White 500W ordnet sich dahinter ein und kann trotz der nominell schlechteren Wirkungsgradzertifizierung das PSAZ-ARGB 650W mit einer Spitzeneffizienz von 88 % gegenüber 86 % teilweise übertrumpfen.

Bei einer Ultra-Schwachlast von 6 W kann wiederum das Argus RGB-600W II den kleinsten Wirkungsgrad aufweisen.

Spannungsregulation

Bei der Spannungsregelung der Ausgangsspannungen weist das PSAZ-ARGB 650W die größten Ausreißer auf und kann die ATX-Anforderungen im Test mit „festen“ Lasten nicht erfüllen, obwohl diese Lastverteilung vom Hersteller noch zugelassen ist. Eine sehr gute Lastregelung der 12- und 5-Volt-Schiene ist beim Argus RGB-600W II festzustellen, die um nicht mehr als 0,7 beziehungsweise 2 % abfällt. Als einzige Schwachstelle kann die -12-Volt-Schiene ausgemacht werden, die in den letzten beiden Auslastungs-Szenarien bis auf -13,07 beziehungsweise -13,99 V ansteigt.

Diagramme
Spannungsregulation +12 Volt – Feste Lasten
11,011,411,812,212,613,0Volt 6 Watt35 Watt80 Watt140 Watt210 Watt290 Watt400 Watt550 Watt

Mit den Lasten nach 80Plus zeigt sich ein ähnliches Bild, wobei in der Crossload-Belastung auf den Minor-Rails nun das Aero White 500W den Spannungsgrenzwert auf der 12-Volt-Schiene überschreitet und mit Anlegen des Crossload 12V sogar abschaltet.

Restwelligkeit

Das PSAZ-ARGB 650W hat bereits bei Teillast mit einer sehr hohen Restwelligkeit auf den Minor-Rails zu kämpfen. Selbst auf der -12-Volt Schiene kann, ohne diese zu belasten, mit 160 mV ein Ripple außerhalb der Spezifikation gemessen werden.

Diagramme
Restwelligkeit +12 Volt – Feste Lasten
0306090120150Millivolt 6 Watt35 Watt80 Watt140 Watt210 Watt290 Watt400 Watt550 Watt

Auch für die anderen zwei Probanden können hohe Messwerte auf diesen Schienen festgehalten und zumindest im Szenario mit „festen“ Lasten, bei denen diese weniger stark ausgelastet werden, können die Grenzwerte eingehalten werden. Ein deutlicher Anteil an hochfrequentem Rauschen (engl.: Noise) kann aber auf diesen Schienen gemessen werden, der über die Kabel einkoppelt und zur Restwelligkeit (Ripple & Noise) hinzugerechnet werden müsste. Je nach Ausrichtung der Kabel und der Art der Messmethode (hier: 20 MHz Tiefpassfilterung auf Messplatine und auf der Oszilloskop-Eingangsstufe) treten also Werte oberhalb der dokumentierten auf. Von einem hohen Rauschen ist auch die Power-Good-Signalleitung des Aero White 500W betroffen, da mit 630 mV Peak to Peak die ATX-Spezifikation verfehlt wird.

Azza PSAZ ARGB 650W – Aufsteigende Rauchschwaden nach 5-Volt-OCP-Test
Azza PSAZ ARGB 650W – Aufsteigende Rauchschwaden nach 5-Volt-OCP-Test

Schutzschaltungen

Während die Überstromsicherung (OCP) der Minor-Rails beim Aero White 500W relativ knapp konfiguriert ist, sodass nur knapp oberhalb des Nennstroms eine Abschaltung erfolgt, ist die OCP des PSAZ-ARGB 650W fehlerhaft implementiert oder nicht vorhanden. Bei einem kurzzeitigen Strom im Bereich von 35 bis 40 A sind die Schottky-Gleichrichterdioden ausgefallen und haben nach erneutem Einschalten des Netzteils Rauchschwaden aufsteigen lassen. Wird zu viel Leistung auf den Ausgangsschienen verbraucht, greift die Überlastsicherung (OPP), die bei Aerocool bei 670 W und bei Azza und Inter-Tech erst bei 840 bzw. 810 W eingreift. Dadurch, dass bei zu hohen Ausgangsleistungen die Spannungen auf den Ausgangsschienen letzten Endes stark abfallen können, ist unter Umständen der Unterspannungsschutz (UVP) an dieser Abschaltung beteiligt.

Aerocool Aero White 500W
Sicherung Nennstrom / Nennleistung Auslösepunkt der Schutzschaltung
3,3 V OCP 18 A 19 A
5 V OCP 18 A 22 A
OPP 500 W 670 W
Azza PSAZ-ARGB 650W
Sicherung Nennstrom / Nennleistung Auslösepunkt der Schutzschaltung
5 V OCP 20 A dauerhafter Ausfall
OPP 650 W 840 W
Inter-Tech Argus RGB-600W II
Sicherung Nennstrom / Nennleistung Auslösepunkt der Schutzschaltung
OPP 600 W 810 W (Abschaltung bedingt durch UVP)

Mit einem niederohmigen Kurzschluss auf den Minor-Rails und der 12-Volt-Schiene wird die Kurzschlusssicherung (SCP) getestet. Im Test kann für sie eine korrekte Funktionsweise bescheinigt werden.

Dynamische Belastung und „Transient Response“

Zu empfindlich eingestellte Schutzschaltungen können bei der Versorgung aktueller Hochleistungsprozessoren fälschlicherweise auslösen. Ebenso kann eine zu schwache Ausgangsfilterung des Netzteils Grund für Interferenzen und somit Inkompatibilitäten sein. Als Nachbildung einer gepulsten Leistungsaufnahme wird die 12-Volt-Schiene dynamisch belastet. Zum einen wird eine pulsierende, dauerhafte Last von 50 kHz getestet, zum anderen eine pulsierende Last in einem Frequenzdurchlauf von 500 Hz bis 50 kHz.

Bei einer dynamischen Belastung mit 50 kHz kann für alle drei Netzteile auf der 12-Volt-Schiene ein Spannungsripple zwischen 300 und 400 mV gemessen werden. Qualitativ hochwertigere Netzteile können hier bessere Messwerte liefern, da diese eine höhere Ausgangskapazität mit niedrigerer Serienimpedanz und höhere Aderquerschnitte der Kabel besitzen.

Ober-/Unterschwingung auf 12-V-Schiene Aero White 500W PSAZ-ARGB 650W Argus RGB-600W II
Positiver Lastwechsel (210 auf 450 W) 11,67 11,26 11,44
Negativer Lastwechsel (450 auf 210 W) 12,47 11,98 12,64
Minimal- bzw. Maximalspannung in Volt

Mit einem abrupten Lastwechsel kommen die Netzteile von Aerocool und Inter-Tech noch am besten zurecht. Das PSAZ-ARGB 650W demgegenüber gibt dauerhaft eine Spannung unterhalb von 12,0 V ab, die beim positiven Lastwechsel sogar auf nur 11,26 V abfällt.

Stützzeit, ErP & Standby-Wirkungsgrad

Gerade für günstige Netzteile wird gerne am Stützkondensator gespart, weil ein ordnungsgemäßer Betrieb in einem stabilen Niederspannungsnetz wie dem deutschen auch für geringere Stützzeiten sichergestellt wird. Von den geforderten 16 ms, die bei Verwendung einer Offline-USV von Bedeutung ist, sind die drei Probanden deutlich entfernt, da der Zwischenkreiskondensator mit 270 µF auch relativ klein dimensioniert ist.

Stützzeit
  • AC_loss bis DC_loss:
    • Azza PSAZ ARGB 650W
      10,1
    • Inter-Tech Argus RGB-600W II
      11,8
    • Aerocool Aero White 500W
      12,0
    • SilentiumPC Supremo L2 Gold 550W
      12,7
    • Minimum
      16,0
    • Corsair CX550F RGB White
      17,0
    • XPG Pylon 550W
      17,0
    • Cooler Master V550 Gold V2 White Edition 550W
      19,4
    • Kolink Enclave 500W
      20,0
    • Corsair RM650
      21,6
    • Cooler Master MWE Gold V2 Full Modular 550W
      22,2
    • Phanteks AMP P550G
      22,4
    • XPG Core Reactor 650W
      23,0
    • Corsair RM650x
      23,6
    • be quiet! Straight Power 11 Platinum 550W
      24,6
    • Super Flower Leadex III Gold 550W
      28,0
Einheit: Millisekunden

Maßnahmen zum Senken der Leistungsaufnahme im Standby wurden von Aerocool und Inter-Tech ergriffen, sodass im lastfreien Betrieb eine sehr niedrige Leistungsaufnahme von klar unter 0,5 W realisiert werden konnte. Bei einer Belastung von 45 mA überschreiten beide Testkandidaten den geforderten Grenzwert von 0,50 W nur knapp, wobei eine Abweichung in dieser Größenordnung auch öfter für Markennetzteile festgestellt werden kann. Anders sieht es dagegen mit dem Netzteil von Azza aus, das bereits im lastfreien Betrieb die Schwelle von 0,57 W übertritt. Bei einer Last von 45 mA verfehlt es den Grenzwert mit 1,0 W sogar deutlich, weshalb es das CE-Logo nicht tragen und in der EU nicht vertrieben werden dürfte. Die hohe Standby-Leistungsaufnahme überrascht hierbei, da Azza genauso wie Inter-Tech einen „teuren“ IC von Excelliance MOS verbaut hat, der eigentlich die Grenzwerte einhalten sollte.

ErP Lot 6 2013 Aero White 500W PSAZ-ARGB 650W Argus RGB-600W II
Keine Last 0,18 0,57 0,10
45 mA auf 5 VSB 0,52 0,97 0,54
Maximum 0,50
Aufgenommene Leistung in Watt

Mit höherer Belastung des Standby-Wandlers lässt sich gegenüber den beiden anderen Netzteilen erneut ein Rückschritt des PSAZ-ARGB 650W feststellen, das nur 70 % Wirkungsgrad aufweisen kann, während jene mit 74 und 78 % Effizienz weniger Verluste machen.

5V Standby Aero White 500W PSAZ-ARGB 650W Argus RGB-600W II
2,5 A 78,0 70,3 74,3
Wirkungsgrad in Prozent