Corona-Impfzertifikate: Über 42 Millionen mehr Impfnachweise als Impfungen

Update Sven Bauduin
300 Kommentare
Corona-Impfzertifikate: Über 42 Millionen mehr Impfnachweise als Impfungen
Bild: Pexels

Rund 205 Millionen ausgestellte digitale Impfzertifikate für nur rund 162 Millionen Impfungen werfen Fragen auf, die sich nur sehr schwer erklären lassen. Die eigentliche Dunkelziffer der Diskrepanz wird voraussichtlich noch einmal deutlich höher liegen, weshalb die Opposition im Bundestag jetzt eine Aufklärung fordert.

Wie Reporter der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) herausgefunden haben, belief sich die Anzahl der bis dato ausgestellten digitalen COVID-19-Impfzertifikate am vergangenen Freitag auf rund 204,7 Millionen Stück, während aber nur rund 162,1 Millionen Dosen für die Erst-, Zweit- und Drittimpfungen verabreicht wurden. Diese Diskrepanz von Impfnachweisen zu Impfungen belief sich also bereits zu diesem Zeitpunkt auf rund 42,6 Millionen zu viel ausgestellte Impfzertifikate.

204 Millionen Zertifikate bei 162 Millionen Impfungen werfen Fragen auf
204 Millionen Zertifikate bei 162 Millionen Impfungen werfen Fragen auf (Bild: CovPass-App)

Die Diskrepanz habe in den zurückliegenden Wochen erheblich zugenommen, wie die Zeitung berichtet. Bis zum 15. Dezember 2021 seien rund 162.400.000 digitale Impfzertifikate ausgestellt worden, während nach offiziellen Angaben des dafür zuständigen Robert Koch-Institutes bis zu diesem Zeitpunkt lediglich 136.641.000 Impfdosen verabreicht wurden.

Ministerium, KBV und RKI in Erklärungsnot

Die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), welche die Impfungen durch die niedergelassenen Ärzte organisiert, kann sich den immer weiter anwachsenden „Überhang“ an ausgestellten Impfzertifikate nicht erklären

Wir gehen auf Basis der vertragsärztlichen Abrechnungsdaten davon aus, dass eine Untererfassung durch das digitale Impfquoten-Monitoring (DIM) nicht generell gegeben ist und damit die dargestellte Lücke nicht erklären kann.

Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)

Der Sprecher der KBV verwies gegenüber der NOZ deshalb für weitere Fragen zur Aufklärung an das Robert Koch-Institut.

Um diese Lücke zu erklären, sind vertiefende Analysen der Daten zur Zertifikatsausstellung nötig, die aktuell nur das Robert Koch-Institut durchführen kann.

Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)

Das von Karl Lauterbach (SPD) geführte Bundesministerium für Gesundheit sagte gegenüber der NOZ, es sehe durchaus „verschiedene Gründe“ für die horrende Diskrepanz. So könnten Impfzertifikate auch bereits „mehrfach ausgestellt worden sein“ und auch die automatische Erstellung durch Impfzentren zu Beginn der COVID-19-Impfkampagne könnte ein Grund für die Datenlage sein.

Opposition im Bundestag fordert Aufklärung

Die von der CDU geführte Opposition im Bundestag, bestehend aus CDU/CSU, Die Linke und AfD, gibt sich mit den Erklärungen von Ministerium, KBV und RKI nicht zufrieden und fordert eine lückenlose Aufklärung des „Daten-Chaos“ von der Bundesregierung.

Gegenüber der NOZ sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion Kathrin Vogler: „Das schreit nach weiterer Aufklärung. Die Bundesregierung muss dringend für Klarheit sorgen.

Vor dem Hintergrund, „dass längst nicht jeder Geimpfte auch ein digitales Zertifikat hat“ und davon ausgehend, dass insbesondere ältere Menschen gar nicht digital erfasst würden, „wäre bei mehr als jeder vierten Impfung etwas schiefgelaufen“.

Update

Impfzertifikate wurden mehrfach ausgestellt

Wie unter anderem Spiegel Netzwelt berichtet, haben sich über Twitter und andere soziale Kanäle zahlreiche Nutzer zu Wort gemeldet, denen ein und das selbe Impfzertifikat mehrfach ausgestellt wurde.

So wurde in einigen Fällen beispielsweise im Impfzentrum der falsche Name oder der falsche Impfstoff eingetragen, weshalb anschließend ein Gang in die Apotheke nötig gewesen sei, um ein korrektes Zertifikat zu erhalten, so das Nachrichtenmagazin weiter.

In manchen Fällen seien Personen auch nach dem Besuch im Impfzentrum noch einmal zusätzlich in die Apotheke gegangen, da sie dies für notwendig hielten. Die Apotheken hätten in solchen Fällen zum Teil ein zweites Zertifikat ausgestellt, da diese pro ausgestellten Impfnachweis bezahlt werden.

Grobe Mängel in der Datenerfassung

Auch wenn sich damit die Mängel bei der Datenerfassung im Rahmen der Impfkampagne gegen die COVID-19-Pandemie ein weiteres Mal deutlich zeigt, muss der Überhang von mehr als 42 Millionen Inpfzertifikaten nicht für Millionen falscher Impfnachweise sprechen.

Dennoch zeigen die Zahlen auch, dass die Aufklärungskampagnen des Bundesgesundheitsministeriums über das richtige Vorgehen in Sachen Impfen nicht in allen Fällen verständlich bei den Bürgern angekommen ist.