Millionen Arc-GPUs für Spieler: Intel beflügelt Erwartungen, die kaum zu erfüllen sind
Mit Twitter-Reaktionen auf einen offenen Brief von PCGamer hat Intel am Wochenende für Schlagzeilen gesorgt. Unter Überschriften wie „Intel will Millionen Arc-Grafikkarten pro Jahr an Spieler ausliefern“ wird von Intel, wie von PCGamer gefordert, seitdem die Rettung des Marktes für Gaming-GPUs erwartet. Das könnte sich rächen.
Intel, der Retter – oder?
PCGamer-Autor Dave James hatte Intel vor einer Woche in einem offenen Brief die Rolle des Retters auf dem Markt für Gaming-Grafikkarten zugeschrieben. Von dem seit fast zwei Jahrzehnten vorherrschenden Duopol AMD (vormals ATi) und Nvidia sei schließlich kein Ausweg aus der aktuellen Situation zu erwarten.
Das hätten nicht zuletzt die jüngsten Neuvorstellungen gezeigt, mit denen inzwischen auch AMD und Nvidia die Preisschraube selbst deutlich angezogen haben. Besonders deutlich wurde das bei der GeForce RTX 3080 12 GB, für die Nvidia selber gar keinen UVP genannt und in Konsequenz auch keine Founders Edition mehr aufgelegt hat, bei Partnern wie Asus und EVGA die UVP gegenüber der klassischen RTX 3080 mit 10 GB aber signifikant anstiegen.
James Bitte an Intels CEO Pat Gelsinger: Intel müsse nicht die stärkste GPU für die beste Grafikkarte des Jahres 2022 vorstellen, das Angebot müsse „lediglich“ wettbewerbsfähig schnell und nicht so absurd teuer wie von der Konkurrenz sein.
You don't need to have the most powerful new GPU to release the best graphics card of 2022, you just need it to perform competitively and be priced at a level that doesn't make us wish you'd at least bought us dinner first.
Intel hätte diesen offenen Brief unkommentiert lassen können, hat sich aber für das Gegenteil entschieden. Zuerst ließ am Samstag Raja Koduri, bei Intel verantwortlich für die GPU-Entwicklung, verlauten, er sehe das wie James und Intel arbeite hart daran „einen Weg zu finden um die Mission zu erfüllen – jährlich Millionen Intel-Arc-GPUs in die Hände von Spielern zu bekommen“.
Als würde dieser Tweet noch nicht für genug Aufmerksamkeit sorgen, warf im Anschluss auch Intels CEO Pat Gelsinger sein Gewicht in den Ring, indem er Koduris Aussage unterstrich: „Wir sind dran“, so Gelsinger.
Das klingt in den Ohren vieler seit zwei Jahren leidgeplagter PC-Spieler erst einmal verheißungsvoll: Endlich eine dritte Kraft am Markt, die dann auch noch kurzfristig günstigere, konkurrenzfähige Grafikkarten bieten kann – zu schön um wahr zu sein.
Ein lautes Statement ist noch keine Lösung
Bei genauem Blick erweist sich Intels Reaktion dann auch als erstens wenig konkret und zweitens für sich genommen als nicht ausreichend, um die aktuellen Marktverhältnisse entscheidend zu ändern.
1. Intel ist in erster Linie laut
Lauter als über den CEO kann sich ein Unternehmen nicht äußern: Intels Reaktion auf den offenen Brief hätte also nicht öffentlichkeitswirksamer ausfallen können. Die Botschaft als solche bleibt aber schwach: Intel arbeitet hart daran einen Weg zu finden, um Jahr für Jahr Millionen an Intel-Arc-Grafikkarten in die Hände von Spielern zu bekommen. Das ist, genauer betrachtet, erst einmal nichts als die Formulierung eines Ziels. Dieses Ziel muss weder erreicht werden, noch bezieht es sich auf ein wesentliches Problem am Markt: den Preis. Kein Wunder.
2. Der Markt macht den Preis
Den Preis, den Händler aktuell für Spieler-Grafikkarten verlangen können, bestimmt „der Markt“, also die Masse der „Spieler“, die Grafikkarten kaufen. Inzwischen haben sich Grafikkarten-Hersteller und zunehmend auch die Chip-Hersteller AMD und Nvidia zwar daran angepasst und UVPs für Custom-Designs respektive Komponenten entscheidend angehoben, das konnten sie aber nur, weil der Marktpreis es hergibt. Auch dass beide Hersteller die teuren Produkte stärker in den Fokus rücken (Nvidia die GeForce RTX 3060 Ti mit dem RTX-3070-Chip beispielsweise lange Zeit kaum anbot, weil es ökonomisch keinen Grund dafür gab) oder erst gar keine Einstiegs-GPUs auf den Markt bringen, ist kein begrüßenswertes Verhalten, am Ende aber vor dem Hintergrund des Marktes nachvollziehbar.
Intel könnte sich in diesem Punkt in der Tat anders verhalten. Der Hersteller könnte in seinem Portfolio einen Fokus auf Gaming-Einsteiger-Modelle legen und die UVP – wie Nvidia zuletzt bei der RTX 3050 mit 279 Euro – vergleichsweise niedrig ansetzen. Sollten die Intel-Arc-GPUs in Sachen Leistung allerdings überzeugen und auch sonst nichts dagegen sprechen, dass sie mit Nvidias und AMDs Angeboten konkurrieren, wird auch diese UVP schnell zur Makulatur – so wie die GeForce RTX 3050 derzeit vielerorts das Doppelte des Einstiegs-UVPs kostet. Intel würde weder vom Aufpreis im Handel profitieren, noch für die niedrige UVP, die am Markt belanglos ist, gelobt werden. Klug wäre ein solches Vorgehen also nicht.
3. Auch Intel zielt nicht nur auf Spieler
Die Herausforderung, der Intel sich gegenüber sieht, ist wie bei AMD und Nvidia allerdings noch deutlich komplexer. Auch Intel fertigt GPUs nicht nur für Spieler und die iGPUs in den CPUs, sondern mit Fokus auch für Rechenzentren bis hinauf zu den schnellsten Supercomputern. Auch für Intel muss es sich daher rechnen, Wafer-Platz für Spieler-Grafikkarten-GPUs zu potentiell niedrigen Preisen statt für HPC-Produkte zu reservieren.
Intel könnte aus strategische Gesichtspunkten zu Anfang nichtsdestoweniger den Fokus stärker auf Gaming-Grafikkarten legen als es wirtschaftlich sinnvoll ist, in Anbetracht der quasi unausweichlichen Marktpreisproblematik und der daraus resultierenden Kritik muss jedoch bezweifelt werden, dass Intel den Nutzen aus dieser Strategie so hoch bewertet. Zumal Intel ja nicht einmal die Nutzung der Spieler-Architektur Alchemist für Mining-Zwecke einschränken wird.
4. Es braucht richtig viele GPUs
Eine weitere anzumerkende Einschränkung bei der Beurteilung von Intels Reaktion auf den offenen Brief ist die genannte Stückzahl als solche: „Millionen pro Jahr“ müssten schon sehr viele Millionen sein, um überhaupt einen Unterschied ausmachen zu können, wie 3DCenter anmerkt. Laut JPR haben AMD und Nvidia im 3. Quartal 2021 zusammen 12,7 Millionen Grafikkarten (Add-in-Boards, AIB) für Desktop-PCs, Server, Workstations oder auch Mining-Farms abgesetzt, werden auch die iGPUs in Prozessoren und mobile Grafikkarten hinzugezählt, sind es knapp 100 Millionen pro Jahr. Intel müsste, um einen Einfluss auf die Liefersituation und damit auch auf die Preise geltend machen zu können, schon einen signifikanten Anteil an den AiB-Liefermengen beitragen – mit wettbewerbsfähigen Produkten, versteht sich.
Dass sich Intel am Wochenende überhaupt und dann auch noch in dieser Form öffentlich geäußert hat, erstaunt am Ende damit am meisten. Das vielerorts hervorgerufene Medien- und Kommentar-Feedback war absehbar. Die Erwartung ist klarer denn je: Intel muss jetzt liefern. Unter Berücksichtigung der erläuterten Randbedingungen sowie der jüngeren Ankündigungs-Historie bei Intel Arc sollte vorerst allerdings Nüchternheit und nicht Euphorie die vorherrschende Reaktion auf Intels Äußerungen sein.