AMD Radeon RX 6500 XT: Marktstart ohne Redaktions-Muster und damit ohne Test

Wolfgang Andermahr (+1)
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AMD Radeon RX 6500 XT: Marktstart ohne Redaktions-Muster und damit ohne Test

Heute erfolgt der Marktstart der Radeon RX 6500 XT. Das Embargo ist damit gefallen, einen Test gibt es an dieser Stelle nicht. „Warum?“, werden sich viele Leser fragen. AMD hat der Redaktion kein Muster gestellt, Boardpartner durften selbst nicht liefern und über den Handel war nichts zu machen. Ein Test ist trotzdem geplant.

Kein Muster zum Fall des Embargos

Grundsätzlich hat keine Redaktion ein Anrecht auf Muster, jeder Hersteller darf selbst entscheiden, wem er sie zu welchen Bedingungen zur Verfügung stellt. Bei ComputerBase heißt das: Es wird bei einem NDA keine Bedingung neben dem frühestmöglichen Veröffentlichungstermin akzeptiert. Zu genau dieser Sperrfrist, die bei der Radeon RX 6500 XT heute um 15 Uhr fällt, können ComputerBase-Leser traditionell einen objektiven, kritisch hinterfragenden Test einer neuen Desktop-Grafikkarte von AMD erwarten. Bei der Radeon RX 6500 XT gibt es heute keinen.

Dass es grundsätzlich Muster, Treiber und Briefings zur neuen Grafikkarte für die Presse von AMD gab, für ComputerBase und andere hingegen nicht, ist für die Redaktion nicht nachvollziehbar. Die offizielle Begründung von AMD, „nicht genug Muster“ zu haben, ist quasi die Standard-PR-Antwort der Branche. Solange es überhaupt Muster gibt, bestimmt aber nicht die Anzahl, sondern die vom Hersteller getroffene Auswahl, wer eine Grafikkarte bekommt. AMD hat eine Wahl getroffen.

Die Redaktion wird sich Grafikkarte und Treiber kurzfristig selbst organisieren und die Leser ausführlich informieren. Bis dahin sollten sich Interessenten bei vertrauenswürdigen, kritischen alternativen Quellen über die Radeon RX 6500 XT informieren, damit es im Einsatz am Ende keine böse Überraschung gibt. Das Potential zu dieser hat die Navi-24-Grafikkarte mit RDNA-2-Architektur wie schon lange keine andere Grafikkarte mehr.

Die Radeon RX 6500 XT und ihre Limitierungen im Überblick

Rechenleistung bietet die bei TSMC im N6-Verfahren hergestellte Navi-24-GPU für ihre Konfiguration erst einmal verhältnismäßig viel. 16 Compute Units beziehungsweise 1.024 FP32-ALUs sind zwar sehr wenige Ausführungseinheiten, rekordverdächtig hohe Taktraten können dies aber zum Teil ausgleichen: Der Game-Takt ist mit 2.610 MHz angegeben, der maximale Boost mit 2.815 MHz. Höher, stellt AMD im Reviewer's Guide heraus, hat noch nie eine Gaming-Grafikkarte getaktet.

Clocked at a blazing fast 2.6 GHz frequency, it is the FASTEST clocked gaming graphics card... Ever.

AMD zur Radeon RX 6500 XT

Der Blick darf aber nicht isoliert auf die Radeon RX 6500 XT erfolgen. Gegenüber der vor zwei Jahren veröffentlichten Radeon RX 5500 XT mit größerer GPU bietet sie am Ende nur 10 Prozent mehr Leistung, wenn überhaupt.

Flaschenhals Speichervolumen und PCIe-Interface

Das wirklich große Problem der Grafikkarte sind aber Speichervolumen und Speicherinterface. Die Radeon RX 6500 XT gibt es lediglich mit 4 GB GDDR6, der über ein schmales 64-Bit-Interface angebunden ist und mit 9.000 MHz vergleichsweise hoch taktet. Liegen erforderliche Daten nicht mehr im nur noch 16 MB großen Infinity Cache, erfolgt der Schritt zum GDDR6 dennoch langsamer als von anderen RDNA-2-Grafikkarten gewohnt. Der eigentliche Flaschenhals kommt aber erst noch und er ist zweistufig.

Zum einen sind 4 GB im Jahr 2022 auch in der Einstiegsklasse mittlerweile immer häufiger zu wenig Speicher. Zum anderen muss die GPU Daten, die nicht mehr in den GDDR6-Speicher passen, über das PCIe-Interface im Arbeitsspeicher auslagern und jenes hat AMD bei Navi 24 auf nur noch vier PCIe-4.0-Lanes gekürzt. Dabei hatte bereits die Radeon RX 5500 XT mit nur 8 PCIe Lanes, die mit 4 oder 8 GB angeboten wurde, gezeigt, dass das PCIe-Interface zur Bremse wird, wenn der Speicher ausgeht – und sie bot immerhin noch doppelt so viele Lanes.

Noch gravierender wird das Problem potentiell, wenn das System nur PCIe 3.0 unterstützt, denn dann wird die Bandbreite noch einmal halbiert. Und Tests des heutigen Tages werden zeigen, dass die Radeon RX 6500 XT dann signifikant gegenüber der Radeon RX 5500 XT zurückfällt. Ein Wort darüber verloren hat AMD weder öffentlich noch im Reviewer's Guide.

Dabei werden viele Nutzer, die auf die Radeon RX 6500 XT schielen, noch kein System mit PCIe 4.0 nutzen, denn das gibt es bei AMD erst ab Ryzen 3000 (X570, B550, X470) und bei Intel ab der 11. Generation Core.

Die Radeon RX 6500 XT im Detail
Radeon RX 6600 XT Radeon RX 6600 Radeon RX 6500 XT RX 5500 XT
Architektur RDNA 2 RDNA
GPU Navi 23 Navi 24 Navi 14
Prozess TSMC N7P TSMC N6 TSMC N7P
Chipgröße 237 mm² 107 mm² 158 mm²
Transistoren 11,1 Mrd. 5,4 Mrd. 6,4 Mrd.
Compute-Units 32 28 16 22
FP32-ALUs 2.048 1.792 1.024 1.408
RT-Beschleunigung Ja Nein
Game-Takt 2.359 MHz 2.044 MHz 2.610 MHz 1.717 MHz
Maximaler Boost-Takt 2.589 MHz 2.491 MHz 2.815 MHz 1.845 MHz
FP32-Leistung (Game-Takt) 9,7 TFLOPS 7,3 TFLOPS 5,3 TFLOPS 4,8 TFLOPS
Textureinheiten 128 112 64 88
ROPs 64 32
Speicher 8 GB GDDR6 4 GB GDDR6 4 GB GDDR6
8 GB GDDR6
Speichergeschwindigkeit 16 Gbps 14 Gbps 18 Gbps 14 Gbps
Speicherinterface 128 Bit 64 Bit 128 Bit
Speicherbandbreite 256 GB/s 224 GB/s 144 GB/s 224 GB/s
Infinity Cache 32 MB 16 MB Nein
IC-Bandbreite 0,92 TB/s 0,46 TB/s
TBP 160 Watt 132 Watt 107 Watt 130 Watt
Slot-Anbindung PCIe 4.0 ×8 PCIe 4.0 ×4 PCIe 4.0 ×8
DirectX 12 Ultimate Ja Nein
UVP 380 Euro 339 Euro 199 USD 180 € (4 GB)
210 € (8 GB)

Auch die Video-Fähigkeiten wurden beschnitten

Bei den Videofähigkeiten müssen mit Navi 24 weitere Einschnitte in Kauf genommen werden, auch gegenüber einer Radeon RX 5500 XT. Anders als bei den größeren AMD-GPUs kann die Radeon RX 6500 XT zwar das Abspielen des H.264- und des H.265-Codes beschleunigen, encodieren kann die Grafikkarte die Formate aber nicht – Spiele mit AMD ReLive mitschneiden ist nicht drin. Und den in Zukunft immer wichtigeren AV1-Codec kann die GPU nicht einmal decodieren. Im Notebook ist das seltener ein Problem, dort kann die iGPU diese Aufgaben übernehmen, im Desktop-Rechner geht das aber nicht. Und zu guter Letzt gibt es noch eine Limitierung bei den Monitoranschlüssen, denn mehr als zwei Displays kann die GPU nicht ansprechen.

Eine Einschätzung der Redaktion

Ist die Radeon RX 6500 XT zur UVP von 199 US-Dollar vor Steuern, wobei Hersteller direkt zum Start 300 Euro inklusive Mehrwertsteuer in Deutschland verlangen werden, damit pauschal zum Scheitern verurteilt?

In einem „normalen“ Markt wäre sie es mit Sicherheit. Vor zwei Jahren hätte niemand zur Radeon RX 6500 XT gegriffen, wenn das Verhältnis gegenüber dem eigenen Vorgänger oder dem potentiellen direkten Konkurrenten GeForce RTX 3050 8 GB so ausgesehen hätte. Doch der Markt ist seit zwei Jahren nicht normal. Und weil extrem viele der extrem kleinen Navi-24-GPUs, die sogar Video-Fähigkeiten der Wafer-Ausbeute geopfert haben, auf einen einzigen Wafer passen, könnte die Radeon RX 6500 XT am Ende allein schon mit der Verfügbarkeit um Kunden buhlen.

Das und die Tatsache, dass Nutzer potentiell eine schlechtere Grafikkarte statt eines vermeintlichen Radeon-RX-5500-XT-Upgrades kaufen, mindert die angesprochenen Probleme natürlich nicht. Und genau darüber gilt es aufzuklären.

ComputerBase wird das auch noch in einem Testbericht tun. Die Redaktion hofft im eigenen Interesse und im Interesse der großen sowie enthusiastischen Leserschaft, dass das in Zukunft auch bei absehbar kritisch zu bewertenden Produkten, die Hersteller jedweder Couleur in Livestreams und über Presseaussendungen gegenüber dem Endkunden bewerben, wieder am Tag 1 zum Fall des Embargos der Fall sein wird.