Onyx Boox Note Air 2 im Test: Fazit
6/6Ist das Onyx Boox Note Air 2 ein Tablet mit E-Ink-Display oder lediglich ein E-Book-Reader mit erweiterter Android-Funktionalität? Vor allem das verwendete E-Ink-Display, das die Möglichkeiten des Testkandidaten als Tablet doch erheblich einschränkt, während die Eigenschaften eines E-Book-Readers mehr als erfüllt werden, liefert die Antwort. Diese Einordnung ist für eine Bewertung des Note Air 2 entscheidend. Aber der Reihe nach.
Die Verarbeitung des hierzulande für rund 500 Euro* angebotenen E-Book-Readers ist tadellos, die Gestaltung und die verwendeten Materialien hochwertig. Dies sorgt dafür, dass das Lesegerät von der Haptik her sehr gut zu nutzen ist. Etwas anderes dürfte zum geforderten Preis auch nicht erwartet werden.
Das 10,3 Zoll große Display von E-Ink sucht erneut seinesgleichen – zumindest wenn es um die reine Darstellung von Texten geht, die erneut sehr scharf dargestellt werden. Das sorgt für eine gute Lesbarkeit von digitalen Büchern. Darüber hinaus liefert der Onyx deutlich mehr Möglichkeiten zur Anpassung der Darstellung als andere Hersteller. Doch das Panel erlaubt sich auch Schwächen. So hätte die Beleuchtung zumindest bei der Verwendung von bläulichem Licht kräftiger sein können. Normalerweise sinkt die Helligkeit mit Abnehmen der blauen und Zunahme der roten Lichtanteile, beim Note Air 2 ist es jedoch genau andersherum.
Die Darstellung von PDF-Dateien ist sehr gut und lässt nur wenige Wünsche offen, besitzt aber an einigen Stellen durchaus Verbesserungspotenzial. So würde ein Spaltenmodus gerade das Lesen von digitalen Zeitschriften erheblich komfortabler gestalten.
Das System selbst agiert für einen E-Book-Reader schnell und leichtfüßig, aufgrund der eher limitierten Möglichkeiten an nutzbaren Applikationen reichen die Prozessorleistung und der verbaute Arbeitsspeicher mehr als aus. Eng könnte es dagegen mit dem Speicher für eigene Inhalte werden: 64 GB könnten bei einer Kombination aus digitalen Büchern, PDF-Dokumenten und Audio-Material schnell gut gefüllt sein. Hierfür wäre die Möglichkeit zur Erweiterung über Speicherkarten im Grunde eine Pflicht gewesen, es geht aber nur über USB Typ C. Schwächen erlaubt sich das System vor allem bei der Übersetzung der Menüpunkte, die dem Anschein nach eher maschinell erfolgt ist und einige Bezeichnungen nicht im Kontext erkannt hat.
Was die Anpreisung durch das offene Android-System seitens Onyx angeht, muss sich das Note Air 2 dem sonst bei E-Book-Readern eher sinnlosen Tablet-Vergleich stellen. Hier muss das E-Ink-Panel als Schwachstelle des Konzeptes aufgeführt werden. Zwar könnte der schwarze Peter den Entwicklern zugeschoben werden, die ihre Apps nicht für Displays mit digitaler Tinte optimieren, aber bei der geringen Anzahl von Android-E-Ink-Kombinationen ist diesen das Vorgehen nicht zu verdenken und somit läuft alles auf das berühmte und oft zitierte Henne-Ei-Problem hinaus.
Generell lassen sich viele Applikationen auf dem Reader nutzen. Apps mit schnellen Bewegungen, bei denen wie unter anderem bei Spielen oder Videos eine hohe Bildwiederholungsrate erforderlich ist, scheiden im Grunde von vornherein aus – damit ist das Panel, wie bereits beschrieben, trotz vieler Optimierungen heillos überfordert. Aber es gibt dennoch eine Reihe von Programmen, die in der Theorie auf dem System durchaus Sinn ergeben, darunter viele System-Werkzeuge wie Datei-Manager und Cloud-Clients. Aber auch Messenger, E-Mail-Clients, Office-Apps oder Audio-Player können genutzt werden. Darüber hinaus eignet sich das Tablet ebenso gut als Zuspieler für Bluetooth-Lautsprecher oder entsprechende Kopfhörer und als Fernbedienung für Multimedia-Systeme oder Heimautomationen.
Nicht zu vergessen sind zudem alternative Reader-Apps. Doch bei allen genannten Vertretern kann auch hier das Display den Spaß verderben. So wird dem System durch diese nicht mitgeteilt, wann der Bildschirminhalt neu ausgerichtet, also invertiert werden muss, um entsprechende Ghosting-Effekte zu minimieren. Bei der reinen Darstellung von E-Books hat der Anwender genügend Einflussnahme, sodass die Invertierung auf Wunsch mit jeder neuen Seite durchgeführt werden kann. Bei den genannten Apps ist das nicht so. Das Note Air 2 bietet dafür zwar eine Möglichkeit zum manuellen Refresh, die aber nur umständlich zu erreichen ist. Ein Taster hätte hier Wunder bewirkt.
Das Verhalten hat natürlich ebenso Auswirkung auf alternative Reader-Apps, bei denen durch den genannten Umstand vor allem die Darstellungsqualität leidet und Texte schlechter lesbar sind. Seltsamerweise weist Amazon mit seiner Kindle-App, dem eigentlichen Konkurrenten zum auf anderen Lesegeräten hauptsächlich genutzten freien Epub-Format, die wenigsten Probleme auf.
Die Stiftunterstützung ist ebenfalls gut, aber nicht mit der Umsetzung bei einem guten Tablet zu vergleichen. Nicht nur, weil der Versatz zwischen Eingabe und Darstellung trotz diverser Optimierungen erkennbar ist, sondern auch, weil die Umsetzung nicht so fein wie bei einem normalen Display erfolgt. Für Notizen und Anmerkungen in Texten sind die Möglichkeiten jedoch mehr als ausreichend, bei komplexen Zeichnungen oder Illustrationen wäre das Note Air 2 allerdings das falsche Gerät. Zwar könnte dafür ebenso auf Programme von Drittanbietern zurückgegriffen werden, dann fallen aber viele Optimierungen weg, womit sich sowohl die Latenzen wie auch die Ghosting-Effekte erhöhen.
Wer lediglich einen E-Book-Reader mit großem Display benötigt und auf eine Stiftunterstützung verzichten kann, dürfte am Ende vor allem mit dem InkPad X (Test) oder InkPad X Lite (Test) von PocketBook glücklicher werden – besonders bei letzterem fällt der Preis um einiges geringer aus. Nutzer, die dagegen nur gelegentlich lange Texte lesen und hauptsächlich einen digitalen Notizblock oder ein Zeichenbrett suchen, wären bei einem Tablet besser aufgehoben – auch hier gibt es durchaus günstigere Geräte.
Wer aber beides nutzt und benötigt, sollte ruhig einen Blick auf das Note Air 2 werfen – wenn er bereit ist, auch den entsprechenden Preis für eine solche Kombination zu zahlen. Die Unterstützung für Drittanbieter-Apps sollte dabei jedoch nicht der Hauptgrund für eine Anschaffung sein, denn hier gilt es noch so viele Kinderkrankheiten auszumerzen, dass diese Möglichkeit eher als Dreingabe anzusehen ist.
- gute Verarbeitung
- gutes Display
- gute Text-Darstellung
- helle Beleuchtung
- offenes Android
- Installation von externen Apps möglich
- viele Einstellungsmöglichkeiten
- Helligkeit mit hohen Blauanteilen etwas zu niedrig
- teilweise schlechte Übersetzung der Menüpunkte
ComputerBase wurde das Boox Note Air 2 leihweise von Onyx für den Test zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.
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