EU-Urheberrechtsreform: EuGH sieht keinen Verstoß gegen Meinungsfreiheit
Der Europäische Gerichtshof erkennt in der EU-Urheberrechtsreform keine generelle Einschränkung der Meinungsfreiheit und hat daher die Klage Polens gegen Artikel 17 der Richtlinie vollumfänglich zurückgewiesen. Nach Ansicht des Gremiums gibt es genügend Schutzvorkehrungen, die einen Missbrauch verhindern sollen.
Ausgangspunkt der jetzigen Entscheidung war die vor rund 3 Jahren eingereichte Klage Polens gegen die nur weniger Wochen vorher endgültig verabschiedete Reform. Nachdem bereits im Juli des letzten Jahres der EuGH-Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe sich gegen die erhobene Klage ausgesprochen und die Verwendung entsprechender Maßnahmen prinzipiell für zulässig erklärt hatte, ist ihm nun das höchste Europäische Gericht gefolgt. Mit dem jetzt ergangenen Urteil hat der EuGH die Richtlinie als rechtens eingeordnet, was auch die als „Upload-Filter“ bekannt gewordenen Maßnahmen mit einschließt.
Genügend Vorkehrungen getroffen
In der Urteilsbegründung gab der EuGH laut Pressemitteilung an, dass die mittlerweile eingeführte Kontrolle und die vorherige Filterung bei hochgeladenen Inhalten unter Umständen einen Einschnitt der freien Meinungsfreiheit darstellen könne, der Gesetzgeber aber mehrere klare und präzise Grenzen aufgestellt habe, um einem Missbrauch vorzubeugen. So habe dieser laut dem EU-Gericht festgelegt, dass ein Filtersystem, bei dem die Gefahr bestünde, dass es nicht zuverlässig zwischen zulässigen und unzulässigen Inhalten unterscheiden kann und zu Unrecht rechtmäßige Inhalte sperrt „mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit unvereinbar wäre“. Hier gelte es, auf ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Recht der freien Meinungsäußerung auf der einen und dem Schutz des geistigen Eigentums auf der anderen Seite zu achten. Ebenso betonte das Gericht in seiner Begründung die im Rahmen des Unionsrechts zugesicherten Ausnahmen, welche es unter anderem erlauben, Parodien oder Pastiches hochladen zu können. Ebenso sieht die Richtlinie vor, dass ihre Anwendung „nicht zu einer Pflicht zur allgemeinen Überwachung führen darf“.
Andererseits erkennt das Gericht ebenso an, dass Artikel 17 die Diensteanbieter dazu verpflichte, die hochgeladenen Inhalten eine vorherige Kontrolle zu unterziehen, welche auf den Informationen beruhen muss, die von den Rechteinhabern bereitgestellt werden. Die Anbieter dürfen daher nicht selbst darüber entscheiden, welchen Inhalten die Veröffentlichung verwehrt wird. Aufgrund der hohen Anzahl der hochgeladenen Dateien kann einer Umsetzung des geltenden Rechts jedoch nur durch eine automatische Überprüfung bei gekommen werden. Dennoch müssen die vom Gesetz vorgegebenen Schutzmechanismen eingehalten werden und auch funktionieren – was nach Ansicht von Experten aber nicht zu garantieren ist.
Dennoch kommt der EuGH in seiner Beurteilung zu dem Schluss, dass der automatisierten Überprüfung und Filterung besagter Inhalte genügend Vorkehrungen vorgeschaltet sind, um die Wahrung des Rechts auf freie Meinungsäußerung zunächst sicherzustellen. Dazu gehöre auch der Beschwerdemechanismus für unrechtmäßig gesperrte Inhalte.
Erste Vorgaben
Doch auch wenn es zunächst nicht den Anschein hat, spielt das Urteil den Kritikern der Richtlinie in einigen Teilen in die Hände, denn zum ersten Mal hat ein Gericht die Urheberrechtsreform präzisiert und damit den Ländern Vorgaben zur Umsetzung gemacht. Ähnlich sieht es auch der Urheberrechtsexperte Felix Reda, der in einem Twitter-Beitrag die EU-Mitgliedstaaten in der Pflicht sieht, besonders Artikel 17 nun im Sinne der Interpretation des EuGH umzusetzen. Somit müssen Sperrungen legaler Inhalte von vorneherein verhindert werden. Darüber hinaus sieht er den deutschen Sonderweg über die Bagatellgrenze als den einzigen Weg „der eine Chance auf Bestand hat. Dieser wird in dem am 1. August 2021 in Kraft getretenen Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) beschrieben, in dem auch der oft kritisierte Artikel 17 umgesetzt wurde. In diesem wird unter Paragraf 10 die „mutmaßliche erlaubte Nutzung“ von Inhalten aufgeführt, die zwar zunächst veröffentlicht werden müssen, gegen die Rechteinhaber aber eine Beschwerde einlegen können. Mit diesen Ausnahmen sollen Zitate, Memes oder Parodien geschützt werden und die gleichzeitig ein Versuch sind, den Ausgleich zwischen Rechteinhabern sowie der Meinungs- und Kunstfreiheit der Nutzer zu schaffen. Zu den Ausnahmen gehören Filme und Tonspuren, deren Länge 15 Sekunden nicht überschreiten, Texte mit weniger als 160 Zeichen und Bilder oder Grafiken mit einer Maximalgröße von 128 Kilobyte.
Keine Ausnahme ohne Ausnahme
Aber auch für diese Ausnahmen gibt es Grenzen: So besagt bereits Paragraf 9 Absatz 2 des beschriebenen Gesetzes, das Inhalte in Deutschland bis zu einer Entscheidung im Beschwerdeverfahren weiterhin öffentlich wiedergegeben werden müssen, wenn diese „weniger als die Hälfte eines Werkes eines Dritten oder mehrerer Werke Dritter enthalten “, die einzelnen Werkteile mit anderem Inhalt kombiniert werden, diese Werke Dritter nur geringfügig nutzen oder die Nutzung als gesetzlich erlaubt gekennzeichnet ist. Hätte ein Video-Clip in dem Fall eine Laufzeit von 20 Sekunden, dürften somit unter normalen Umständen auch nur 10 Sekunden Material von Dritten in diesem verwendet werden, um unter eine mutmaßlich erlaubte Nutzung zu fallen.
Was wäre wenn...
Die heute gefällte Entscheidung des EuGH wirft jedoch auch eine andere wichtige Frage auf: Was passiert, wenn sich herausstellt, dass die beschriebenen Automatismen eben nicht in der Lage sind, entsprechende Inhalte zuverlässig einzuordnen? Das Gericht erkennt auf der einen Seite, dass die Masse der hochgeladenen Dateien nur mit solchen Werkzeugen kontrolliert werden kann, diese auf der anderen Seite aber nicht zu Unrecht sperren dürfen.