EuGH-Urteil: Vorratsdatenspeicherung bleibt rechtswidrig
Selbst bei schweren Straftaten ist eine anlasslose und verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung nicht mit dem EU-Recht vereinbar, hat heute der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil entschieden. Somit bestätigen die Richter im Kern die bisherige Rechtsprechung. Es bestehen aber nach wie vor Ausnahmen.
Demnach steht das EU-Recht „nationalen Rechtsvorschriften (entgegen), die präventiv eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten, die elektronische Kommunikationen betreffen, zum Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten vorsehen“. Der europäische Grundsatz ist ein Verbot der Vorratsdatenspeicherung.
Eingeschränkte Datensammlung weiter möglich
Schwere Kriminalität reicht also nicht aus, um eine anlasslose Datensammlung zu rechtfertigen. Wie der EuGH aber schon 2016 verkündet hat, ist staatliche Datensammlung möglich, wenn diese beschränkt ist. Laut des aktuellen Urteils (Rechtssache C-140/20) gilt das etwa, wenn die Kategorie der betroffenen Personen oder das geografische Kriterium begrenzt sind. Umsetzbar sind im Kampf gegen schwere Kriminalität zudem nationale Gesetze, die eine allgemeine Vorratsdatenspeicherung von IP-Adressen beinhalten und die Identität der Käufer von Prepaid-SIM-Karten erfassen. Möglich sind zudem Quick-Freeze-Regelungen.
Patrick Breyer, Europaabgeordneter für die Piraten, warnt bereits vor den „kleinen Brüdern“ der Vorratsdatenspeicherung. So wäre die „IP-Vorratsdatenspeicherung (…) ein Anschlag auf das Recht auf Anonymität im Netz“, ebenso könne „die vermeintlich ‘geografisch gezielte’ Vorratsdatenspeicherung (…) einen Großteil der Bevölkerung“ ständig erfassen. Wichtig sei daher, wie nationale Regelungen ausgestaltet sind.
Grundlage für die EuGH-Verhandlung war ein Mordprozess in Irland. Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Verkehrs- und Standortdaten als Beweismittel zulässig waren. In dem Vorabentscheidungsersuchen hat nun der Oberste Gerichtshof Irlands beim EuGH angefragt, wie das EU-Recht in diesem Fall auszulegen ist.
Urteil für deutsche Vorratsdatenspeicherung steht noch aus
Das Urteil lässt sich also als Vorbote für die Rechtslage in Deutschland bewerten. Hierzulande existiert zwar ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, die Bundesnetzagentur hatte die Regelungen aber außer Kraft gesetzt, solange noch die Gerichtsverfahren laufen. Das finale Urteil muss ebenfalls der EuGH fällen. Wie Golem berichtet, existiert aber noch kein Termin.
Womöglich wird aber schon vor den Urteilen die Bundesregierung tätig. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) begrüßte das aktuelle EuGH-Urteil via Twitter.
Das Urteil sei eine klare Absage an eine „uferlose Datenspeicherung“. Und Buschmann verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem SPD, Grüne und FDP bereits vereinbart haben, die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland abzuschaffen. Im Winter beschrieb er Quick-Freeze-Regelungen als Alternative.