Intel Core i9-12900KS im Test: Zweck heiligt Mittel

Volker Rißka
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Intel Core i9-12900KS im Test: Zweck heiligt Mittel

Mit dem Core i9-12900KS wirft Intel kurz vor dem AMD Ryzen 7 5800X3D mit L3-Cache en masse noch ein neues Topmodell in den Ring: Mit noch höheren Taktraten über zuletzt totgeglaubte Turbo-Modi soll insbesondere die Gaming-Krone gesichert werden. Im Test steigen die FPS wie erwartet nur gering, der Verbrauch dafür umso mehr.

Core i9-12900KS: Mehr für Intel denn für Kunden

Zur CES 2022 im Januar erstmals angekündigt, war Intels Haltung zum neuen Core i9-12900KS – dem zweiten KS-Modell überhaupt nach dem Core i9-9900KS (Test) von Ende 2019 – die kommenden Wochen und Monate uneindeutig mit einer Tendenz zu reserviert: Es gab wenig PR vorab, keine Presse-Briefings und keine Muster unter NDA. Nur die Redaktionen, die ein Muster haben wollten, bekamen es nach dem Marktstart am 5. April zugesandt. Normalerweise sieht das bei einem neuen Flaggschiff anders aus: Es gibt viel PR, viele Briefings und Muster vorab in großem Stil – nicht auf Anfrage, sondern aus eigenem Antrieb.

Tests, die auf Basis von CPUs aus dem Handel oder aus OEM-Kreisen vor und parallel zum Marktstart erschienen, lieferten schnell Erklärungen und dieser Artikel wird dasselbe tun: Um den Core i9-12900K noch schneller zu machen, hat Intel quasi alle Register gezogen und dabei stets nur eines im Blick gehabt: mehr FPS für mehr Abstand zu den Ryzen 5000 ohne 3D-V-Cache. Leistungsaufnahme? Muss steigen, klar! Temperaturen? Das werden Käufer schon irgendwie hinbekommen!

Nein, der Core i9-12900KS ist es nicht wert, gekauft zu werden, schon gar nicht für den im Handel aufgerufenen Aufpreis zum Core i9-12900K. Das ist aber kein Grund, auf einen Test an dieser Stelle zu verzichten. Ganz im Gegenteil.

Intel Core i9-12900KS als Special Edition
Intel Core i9-12900KS als Special Edition

Core i9-12900KS: Alte Turbos für mehr Takt

Alle Register gezogen bedeutet beim Core i9-12900KS nicht nur mehr TDP-Spielraum und Binning. Intel bringt für den Core i9-12900KS auch Funktionen zurück, die andere Prozessoren des gleichen Typs Alder Lake bisher nicht nutzen. Allen voran sind das „Thermal Velocity Boost“ (TVB) und „Adaptive Boost“ (ABT). Der TVB erlaubt es der CPU, noch einmal 300 MHz höher zu takten, wenn die Temperatur niedrig genug ist. Der ABT wiederum hebelt in Multi-Core-Lasten die Verbrauchslimits aus. Beide Technologien sind nicht neu, wurden bei Alder Lake bis dato allerdings nicht genutzt.

Dabei wurde im Gespräch mit Mainboardherstellern schnell klar, dass beide Technologien zwar ähnlich wie bisher und dem letzten Einsatzgebiet im Desktop, dem Intel Core i9-11900K „Rocket Lake“ (Test), arbeiten, aber letztlich aggressiver abgestimmt wurden: Die alten aggressiven Zusatzturbo waren für den 12900KS nicht mehr aggressiv genug.

eTVB bis hinauf auf 100 °C

Der eTVB („enhanced Thermal Velocity Boost“) zielt beispielsweise viel zügiger und deutlicher auf höhere Taktraten als bisher und nimmt 100 °C Kerntemperatur spielend in Kauf. Fehlende Dokumentationen seitens Intel lassen zwar keine exakten Angaben zu, doch Tests deuten darauf hin: Die höchste Leistung wird über den höchsten Takt zwischen 70 und 90 °C erzielt. Dafür ist ein sehr guter Kühler Pflicht. Und selbst dann kommt es zu nur schwer reproduzierbaren Single-Core-Ergebnissen, wie auch Mainboard-Hersteller bei der Evaluierung vor dem Start feststellen mussten.

Mit einem neuen Microcode (0x1F) plant Intel die Verbesserung an diesem Verhalten. Er steht seit Ende März bereits in ersten Beta-BIOS-Versionen bereit, ist zum Teil aber nur über Umwege wie beispielsweise das Asus-ROG-Support-Forum erhältlich. Für Early Adopter reift das Produkt demnach beim Kunden. Das klingt alles wie bei Rocket Lake-S in Form des Core i9-11900K und seinen speziellen und vollkommen überreizten Parametern.

Hoher Aufpreis gegenüber dem 12900K

739 US-Dollar vor Steuern verlangt Intel in den USA für die CPU. Das sind 150 US-Dollar mehr als für den Core i9-12900K, der für 589 US-Dollar in der Preisliste steht. Im deutschen Einzelhandel gestaltet sich das Thema Preis allerdings auch eine Woche nach dem Start noch deutlich kritischer: Mit 819 zu 579 Euro liegt der Aufpreis bei 240 Euro oder 41 Prozent.

Dafür gibt es nicht nur mehr Takt auf den Performance-Kernen, die E-Cores dürfen ebenso minimal schneller arbeiten. Auch sie sind natürlich durch die TDP gedeckt, hier hilft deshalb ebenfalls die Anhebung von 125 auf 150 Watt.

Modell Kerne/Threads Takt/mit Turbo
(P-Core)
Turbo 3.0/TVB
(P-Core)
Takt/mit Turbo
(E-Core)
L2 + L3-Cache PBP
(TDP/PL1)
MTP
(PL2)
Preis
(UVP)
Preis
(Handel)
i9-12900KS 16 (8P + 8E)/24 3,4/5,2 GHz 5,3 GHz/5,5 GHz 2,5/4,0 GHz 14 + 30 MB 150 W 241 W $ 739 819 Euro
i9-12900K 16 (8P + 8E)/24 3,2/5,1 GHz 5,2 GHz/ – 2,4/3,9 GHz 14 + 30 MB 125 W 241 W $ 589 579 Euro

TDP, PL1 und PL2 in der Praxis

Offiziell hat Intel die TDP (neuerdings „Processor Base Power“) auf 150 Watt erhöht. Doch wie bereits beim 12900K hat dieser Wert im Alltag quasi keine Bewandtnis, da auf den Marken-Mainboards selbst nach dem Laden der Standard-Einstellungen und dem expliziten Auswählen der Intel-Vorgaben PL1 alias TDP schlichtweg übergangen wird. Beim Core i9-12900KS heißt es wie beim 12900K in der Regel: PL1 = PL2 = 241 Watt.

Powerlimits laut Intel-Spezifikation
Powerlimits laut Intel-Spezifikation (Bild: Intel)

Zwar gibt Intel im Support-Dokument zum Prozessor einmal mehr ganz klar vor, dass die Norm 241 Watt für lediglich maximal 56 Sekunden bedeutet und die CPU im Anschluss (respektive wenn der gleitende gewichtete Mittelwert der Leistungsaufnahme 150 Watt erreicht hat) auf 150 Watt gedeckelt werden muss. Aber wie so oft sind Intels Vorgaben nur „Empfehlungen“ und mit Alder Lake kam die alternative Empfehlung PL1 = PL2 sogar von Intel selbst.

Halten sich Systeme also immerhin an PL1 = PL2, wird auch der Intel Core i9-12900KS wie der Core i9-12900K maximal unter Multi-Core-Last nur 241 Watt aufnehmen. Doch das bedeutet auf der anderen Seite: Kommt eine Anwendung an das Powerlimit heran, dann ist die CPU quasi so schnell wie ein Intel Core i9-12900K, da sie ihre bis zu 5,2 GHz für alle Kerne nicht ausspielen kann und heruntertakten muss. Es handelt sich schließlich um das exakt gleiche Stück Silizium, kein Stepping-Update oder sonstige Änderungen wurden vorgenommen. Einzig und allein vorselektiert wurde das neue Modell unter den anderen 12900K.

Einen Unterschied zwischen K und KS kann es wiederum geben, wenn PL2 auf über 241 Watt angehoben wird. Schon der 12900K genehmigt sich dann auf so manchem Mainboard bis zu 300 Watt oder sogar darüber, beim KS können es mit noch höheren Multi-Core-Turbo-Taktraten auch noch einmal mehr Watt sein.

Intel Core i9-12900KS mit aktivem Powerlimit bei 241 Watt
Intel Core i9-12900KS mit aktivem Powerlimit bei 241 Watt

Kühlung: Ohne Limit am Limit

Doch schon der Intel Core i9-12900K fordert die Prozessorkühlung heraus, der KS ist „offen“ von Standardkühlern nicht mehr zu bändigen. Selbst eine 300 Euro teure und sehr gute All-in-One-Wasserkühlung wie die Asus ROG Ryujin II hatte im Test ihre liebe Mühe, die Leistungsaufnahme selbst im Maximale-Geschwindigkeits-Modus abzuführen. Dass die Geräuschkulisse dann nicht mehr angenehm ist, bedarf keiner weiteren Ausführung.

Intels bereits sehr hohe PL2 (= 241 Watt) wurde letztendlich nicht grundlos gewählt. Realistisch gesehen wird es für PC-Kühler bei über 250 Watt schwer bis unmöglich, die Verlustleistung unter normalen Bedingungen dauerhaft schnell genug abzuführen. Und „normale Bedingungen“ heißt dabei schon, 100 °C für die CPU in Kauf zu nehmen.

Intel Core i9-12900KS mit All-in-One-Wakü
Intel Core i9-12900KS mit All-in-One-Wakü

Stattdessen muss sich der Kunde altbekannten Hilfestellungen bedienen, beispielsweise Undervolting. Moderne Prozessoren sind stets auf Stabilität und Sicherheit konfiguriert. Etwas weniger Spannung können sie in der Regel alle ab, ohne die Stabilität zu beeinträchtigen.

Intel Core i9-12900KS unlimitiert aber mit 0,125 Volt geringerer Spannung
Intel Core i9-12900KS unlimitiert aber mit 0,125 Volt geringerer Spannung

Seit Jahren gibt es dafür im BIOS den Offset-Modus: Hierbei wird von der regulären Spannung in allen Szenarien einschließlich Turbo stets ein Wert X abgezogen. Dies hat den Vorteil, dass die Spannung in Szenario A nicht zu hoch oder in Szenario B nicht zu niedrig ist.

Der Intel Core i9-12900KS verrichtete im ComputerBase-Testsystem seinen Dienst auch problemlos mit 0,125 Volt geringerer Spannung. Das führt in gewissen Bereichen zu einem etwas höheren Takt, da die Leistungsaufnahme geringer ausfällt. Vor allem aber senkt es die Temperatur deutlich – die 100 °C wurden nicht mehr erreicht.

Diagramme
CPU Package Power (Blender Benchmark)
060120180240300Watt (W) 1102030405060708090100110120130140150160170180190200Sekunden