Ford Sync 4 ausprobiert: So groß(artig) kann Apple CarPlay sein

Nicolas La Rocco
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Seit Frühjahr 2021 bietet Ford in Deutschland mit dem Mustang Mach-E das neue Infotainmentsystem Sync 4 an. Mit dem Facelift für 2022 ist die Lösung auch im Focus verfügbar. ComputerBase konnte Sync 4 jetzt erstmals in beiden Fahrzeugen ausprobieren und war vor allem von der guten Apple-CarPlay-Integration angetan.

Mustang Mach-E führte neues Sync 4 ein

Zugegeben: Der Mustang Mach-E ist nicht mehr das allerneueste Modell von Ford, jedoch durchkreuzten der Redaktion bislang angebotene Möglichkeiten zum Testen immer wieder andere Termine. Aber: Der Mustang Mach-E ist nach wie vor das einzige Fahrzeug von Ford, das mit einem vertikal ausgerichteten, 15,5 Zoll großen Touchscreen in der Mittelkonsole angeboten wird, auf dem das neue Sync 4 läuft. Jüngst erweitert wurde die Serie um das sportliche GT-Modell. Der F-150 Lightning mit gleichem Aufbau ist derzeit nämlich nicht für Deutschland geplant. Daran ändert auch das Facelift des Focus nichts, der mit der Auffrischung zwar ebenfalls Sync 4 erhält, das Betriebssystem aber auf einem eher klassischen Widescreen-Bildschirm darstellt und deshalb nicht ganz an die Möglichkeiten im Mustang Mach-E herankommt.

Focus erhält Sync 4 im Breitbildformat

Das Sync 4 im Mustang Mach-E kann man auf der einen Seite als wenig einfallsreichen Versuch einstufen, das Infotainmentsystem im früheren Tesla Model S, bevor der Wechsel zu AMD erfolgte, zu kopieren. Auf der anderen Seite muss man aber eingestehen, dass ein vertikaler Bildschirm im Fahrzeug durchaus Vorteile hat, zumal Ford keine billige 1:1-Kopie abliefert, sondern mit dem physischen Drehregler im Display ein interessantes Merkmal hinzufügt. Die vertikale Ausrichtung des Bildschirms, ohne dabei zu viel Breite zu opfern, macht die vielen Schaltflächen einfach erreichbar und erlaubt es, Elemente auf Kacheln und großzügigen Flächen zu verteilen. Der Sync-4-Bildschirm im neuen Focus überzeugt zwar ebenso mit einer modernen und übersichtlichen Darstellung, alles wirkt aber eine Nummer gedrungener, obwohl mit 12,3 zu 15,5 Zoll vermeintlich ähnlich viel Diagonale für Inhalte zur Verfügung steht.

Ford schafft übersichtlichen Menüaufbau

Das aktuelle Betriebssystem von Ford unterteilt sich im Mustang Mach-E in mehrere statische und dynamische Bereiche. Oben finden Anwender in einer schmalen Leiste stets einen Schnellzugriff auf alle Einstellungen des Fahrzeugs, eine Art App-Drawer mit den wichtigsten Grundfunktionen wie Navigation, Radio oder Smartphone-Konnektivität, die Konnektivität von Auto und Smartphone, das Wetter und die aktuelle Uhrzeit. Das große Fenster direkt darunter füllt die derzeit verwendete App, wobei sich über eine Schaltfläche zwischen einer kleineren und größeren Ansicht wechseln lässt. Die gewählte Größe hat Einfluss auf die direkt darunterliegenden Kacheln, die zuletzt aufgerufene Funktionen chronologisch darstellen, um sie per Schnellzugriff ohne Suchen direkt wieder auf die große Kachel darüber legen zu können. Eine Ebene tiefer gibt es wieder einen statischen Bereich, in dem Ford alle Funktionen der Klimatisierung unterbringt. Egal was oben ausgeführt wird, die Klimaanlage oder Sitzheizung ist so stets griffbereit. In diesem Bereich sitzt scheinbar auf dem Display schwebend auch der große Drehregler für die Lautstärke. Einmaliges Drücken schaltet das System stumm.

Apps belegen nie exklusiv den Bildschirm

Durch die Nutzung eines großen Fensters für die derzeit aktive App und die parallele Nutzung dauerhaft zugewiesener Bereiche gewinnt Sync 4 deutlich an Übersichtlichkeit, da nie eine Anwendung exklusiv den Bildschirm belegt – noch nicht mal ansatzweise. Selbst mit der großen Ansicht für Apps steht den Kacheln für zuletzt genutzte Funktionen noch genügend Fläche zur Verfügung. Einstellungen am Auto und die Klimatisierung haben ohnehin ihre dedizierten Bereiche. Dieser Umstand macht die Umsetzung von Android Auto und Apple CarPlay interessant, da man während der Nutzung beider Lösungen nicht aus Sync 4 geworfen wird und es deshalb in beiden Lösungen keine Taste für die Rückkehr in das eigentliche Betriebssystem des Autos braucht. Apple ist allerdings im Vorteil gegenüber Google, weil sich Apples Entwickler deutlich mehr Mühe bei der Optimierung für große Bildschirme und alternative Formate wie im Mustang Mach-E oder in den USA auch beim F-150 Lightning gegeben haben.

Android Auto und Apple CarPlay für Sync 4

Android Auto und Apple CarPlay werden im Mustang Mach-E drahtlos unterstützt. Das Smartphone kann parallel dazu in der Ladeschale unterhalb des Bildschirms geladen werden. Dort finden ärgerlicherweise keine zwei aktuellen und deshalb meistens sehr große Smartphones nebeneinander Platz. Ohnehin ist nur die linke Position für den Fahrer mit einer Ladespule ausgestattet. Bei der Testfahrt mussten iPhone 13 Pro Max (Test) und Pixel 6 Pro (Test) (jeweils mit Hülle) miteinander kuscheln und mehr auf- als nebeneinander liegen.

Beide Lösungen können eingerichtet und in Sync 4 hinterlegt, aber nicht parallel verwendet werden. Kommt Android Auto zum Einsatz, kappt der Wechsel zu CarPlay diese Verbindung und umgekehrt. Es können also nicht zwei Smartphones verbunden werden, um dann über die Kacheln der zuletzt genutzten Apps unterbrechungsfrei zwischen beiden Lösungen zu wechseln. Aber Sync 4 merkt sich immerhin, dass beides einmal eingerichtet wurde, sodass abgesehen von dieser „Einschränkung“, dass die eine Lösung für die andere beendet werden muss, keine Zwangspause auftritt. Allerdings kommt es abseits von Tests wie diesem im realen Einsatz eher selten dazu, dass Android Auto und CarPlay parallel genutzt werden müssen.

Google verpennt Optimierungen

Dass Sync 4 für die primäre App zwischen einer kleineren und größeren Ansicht wechseln kann, betrifft auch Android Auto und Apple CarPlay – positiv wie negativ. Drückt man unter Android Auto auf die Schaltfläche, um das Fenster zu vergrößern, ändert sich exakt gar nichts am dargestellten Inhalt. Stattdessen wird einfach nur der Rahmen rund um Android Auto größer, die Darstellung selbst bleibt aber unverändert. Das unterstreicht wie so oft bei Diensten von Google, wie stiefmütterlich selbst die eigenen Apps behandelt werden. Android Auto bleibt stur im Standardformat und weiß nichts mit dem übergroßen Bildschirm des Sync 4 im Mustang Mach-E anzufangen. Zum Sommer hin könnte sich die Situation allerdings verbessern, denn Google hat für Android Auto ein neues UI und Optimierungen für Bildschirme verschiedenster Formate in Aussicht gestellt.

Apple optimiert CarPlay für große Displays

Ganz anders verhält es sich bei Apple: CarPlay wird nicht einfach nur eine Nummer größer gezogen, sondern um eine dedizierte Ansicht speziell für das große Format ergänzt. Erinnert das Standardformat nach der ersten Verbindung des Smartphones noch an die Ansicht auf dem MBUX 2 von Mercedes-Benz (Test), sodass auch bei Ford links eine Spalte mit Uhrzeit, Konnektivität, Akkustand, zuletzt genutzten Apps und Multi-Window-Ansicht erscheint, verschiebt die große Ansicht diese Spalte nach unten und macht sie zur Leiste, in der die gleichen Funktionen dargestellt werden. Die Multi-Window-Ansicht kann daraufhin oben eine große Kachel im Querformat darstellen, während eine Ebene tiefer zwei fast quadratische Kacheln Platz finden. So groß und exzellent ablesbar kann CarPlay selbst in der S-Klasse nicht dargestellt werden. Anwendungen wie Apple Maps oder Google Maps profitieren insbesondere davon. Andere Apps wie der Kalender sind hingegen schon fast komisch groß und verlangen nach weiterer Optimierung.

Google Maps vergisst aktuelle Route

Vor allem bei der im Auto wichtigen Navigation kommt Apple Maps merklich besser mit dem Wechsel zwischen den beiden Ansichten zurecht als Google Maps. Hintergrund ist, dass Google beim Wechsel die aktuell aktive Route vergisst und man jedes Mal aufs Neue die Navigation starten muss. Sofern man nicht zwischen den Ansichten wechselt, läuft auch Google Maps reibungslos. Das könnte daran liegen, dass CarPlay für das neue Format eine Art Soft-Reboot durchführt, da kurzzeitig der CarPlay-Ladebildschirm zu sehen ist, bevor das eigentliche UI wieder dargestellt wird. Potenziell verliert Google Maps just in diesem Moment die zuletzt genutzten Informationen aus dem Speicher. Andere Apps von Google wie YouTube Music haben mit dem Wechsel allerdings kein Problem.

Sync 4 im Focus fehlt Alleinstellungsmerkmal

Im neuen Focus verpufft der Vorteil des Mustang Mach-E allerdings, denn auf dem Armaturenbrett findet hier zwar ein mit 12,3 Zoll sehr großer, aber doch eher traditioneller Bildschirm im Breitbildformat Platz. Dabei hat sich Ford für eine Variante entschieden, die eher 21:9 als dem klassischem 16:9 entspricht. Für Android Auto und CarPlay bleibt deshalb deutlich weniger Platz und beide Anbieter, vor allem Apple, sowie die Anwender müssen sich mit einer traditionellen Ansicht begnügen.

Sync 4 im Focus hat zudem einen etwas anderen Menüaufbau, weil das neue Bildschirmformat schlichtweg nicht kompatibel zur Ansicht im Mustang Mach-E ist. Außerdem zeigt der Focus, dass Sync 4 nicht gleichzusetzen mit dem Lautstärkeregler im Display ist. In dieser Fahrzeugklasse kommt unterhalb des Bildschirms ein klassischer Drehregler zum Einsatz. Sync 4 im Focus hat ebenso wie im Mustang Mach-E statische und dynamische Elemente, doch ganz oben gibt es zum Beispiel keinen App-Drawer und keinen Direktzugriff auf die Fahrzeugeinstellungen mehr. Erhalten bleibt aber die Leiste für die Klimatisierung, wenngleich sie im Focus etwas schmaler ausfällt. Der Focus arbeitet stattdessen mit drei Kacheln und Zugriff auf die wichtigsten Einstellungen in einem Bereich rechts daneben. Wird eine App groß dargestellt, findet rechts daneben noch eine kleine interaktive Kachel einer anderen App Platz. Die Anwendungen können auf Wunsch durch einfaches Wischen nach oben und unten gewechselt oder durch das Wischen nach links in den großen Bereich gerückt werden.

Fazit

Unabhängig vom Format des Infotainmentsystems ist der Gesamteindruck in Sachen Geschwindigkeit, besserer Menüstruktur und Grafikqualität der Darstellungen beim Sync 4 zu betrachten. Die aktuelle Lösung macht gegenüber dem bisherigen Sync 3 in allen Belangen einen riesigen Schritt nach vorne. Vor allem die CarPlay-Integration überzeugt. Schade, dass es von Ford keine Zusage gibt, Sync 4 künftig in jedem neuen Modell anzubieten. Absehbar wird es bis zum Fiesta noch das Sync 3 geben, obwohl genau dieses Modell zuletzt ebenso einen großen Bildschirm spendiert bekommen hat. Sofern das Sync 4 angeboten wird, gehört es zur Serienausstattung, was sich laut Hersteller nicht in allen Fahrzeug- und damit Preisklassen umsetzen lässt.

ComputerBase hat Informationen zu diesem Artikel von Ford im Rahmen einer Veranstaltung des Herstellers in Düsseldorf erhalten. Die Kosten für Anreise, Abreise und eine Hotelübernachtung wurden vom Unternehmen getragen. Eine Einflussnahme des Herstellers oder eine Verpflichtung zur Berichterstattung bestand nicht.

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