Skepsis angebracht: Tachyums Universal Processor baut riesige Luftschlösser
Seit über vier Jahren will Tachyum den Über-Prozessor bauen. Doch auch die neuen Ankündigungen haben Simulationen und keine greifbare Hardware zur Basis. Die anvisierten Spezifikationen sind mehr als beeindruckend, aber das waren sie vor zwei Jahren auch und ob die Praxis der simulierten Theorie entspricht, bleibt offen.
Zu schön um wahr zu sein?
Wenn etwas zu schön klingt um wahr zu sein, dann ist es das oft auch. Vor zwei Jahren stellte Tachyum einen 64-Kern-Prozessor vor, der über ein DDR4/DDR5-Speicherinterface mit acht Kanälen, bis zu 72 PCIe-5.0-Lanes und darüber hinaus auch noch nativ bis zu Dual-400-Gigabit-Ethernet verfügen sollte. Diverse kleinere Varianten sollten nahezu jedem aktuellen Intel-Produkt im Markt das Wasser reichen können, denn jeder der CPU-Kerne sollte schneller als der eines aktuellen Xeons sein, dazu aber noch kleiner als ein ARM-Kern. 2021 sollte das Produkt erscheinen. Ist es aber nicht.
Jetzt legt Tachyum mit einer weiteren Ankündigung nach. Sie vermeldet inzwischen bis zu 128 Kerne in diversen Varianten mit Taktraten von bis zu 5,7 GHz, ein 16 Kanäle breites DDR5-7200-Speicherinterface und erneut viele PCIe-5.0-Lanes. Auch alle anderen Eckdaten sind gewaltig mitgewachsen, TSMC soll in N5 die Serienproduktion übernehmen. Und die Konkurrenz?
Vier Mal schneller als die besten Intel Xeon, drei Mal schneller als alle AMD Epyc soll die neue Variante in der größten Ausbaustufe sein – und selbst Nvidias neue Hopper-GPU will das Unternehmen damit übertrumpfen, wahlweise drei Mal oder sogar sechs Mal schneller sein. In jedem Bereich will man auf dem Papier also vor jedem möglichen Mitbewerber liegen. Klingt wie die eierlegende Wollmilchsau. Doch so etwas gibt es bekanntlich nicht.
Among the highlights of the newly launched Prodigy processor are:
- 128 high-performance unified 64-bit cores running up to 5.7 GHz
- 16 DDR5 memory controllers
- 64 PCIe 5.0 lanes
- Multiprocessor support for 4-socket and 2-socket platforms
- Rack solutions for both air-cooled and liquid-cooled data centers
- SPECrate 2017 Integer performance of around 4x Intel 8380 and around 3x AMD 7763HPC
- Double-Precision Floating-Point performance is 3x NVIDIA H100
- AI FP8 performance is 6x NVIDIA H100
x86-, ARM- und RISC-V-Code nur per Emulator
Ein Haken am Prozessor ist, dass die CPU nur mit einer eigenen ISA läuft. Nur über Emulation funktioniert auch Code, der für x86-, ARM- oder RISC-V-Prozessoren geschrieben wurde. Bereits vor zwei Jahren erklärte der Hersteller, dass die riesige Rohleistung dennoch ausreiche, um Emulationsverluste mehr als auszugleichen und weiterhin die schnellste Lösung am Markt zu bieten. Doch mehr als die Versicherung von Tachyum gibt es dafür bisher nicht. Neue Linux-Emulationen in einem FPGA-Umfeld sollen jedoch weiter mögliche Investoren anlocken.
Dass es das Startup überhaupt schafft, echte Hardware zu fertigen, die dann auch funktioniert, steht auf der Roadmap aber noch vor der Frage nach der Softwarekompatibilität und der Leistung einer Emulation. Dann kommt das Software-Thema, ohne das heute gar nichts mehr geht – und bei so einer speziellen Lösung muss dort noch viel mehr Arbeit investiert werden als in anderen Bereichen.
Was aus dem Luftschloss letztlich wird, werden die kommenden Jahre zeigen. Die Zielgruppe im HPC-Segment sieht das Thema derzeit noch mehr als skeptisch.