Leicht erklärt: Darum wiegen Gaming-Mäuse immer weniger
Insbesondere Mäuse für Shooter folgen spätestens seit 2019 einem Trend: Sie werden immer leichter; einzelne Hersteller liefern sich einen regelrechten Wettbewerb um das niedrigste Gewicht. Einige Nutzer begegnen dem jedoch mit Skepsis – ob diese Entwicklung sinnvoll sei, lautet eine häufig gestellte Frage. Hier die Antwort.
Der Trend geht zur Leichtigkeit – aber wieso?
Früher waren Gaming-Mäuse zumeist schwer. Und früher war bekanntlich alles besser, oder? Nein – auch in diesem vermeintlich banalen Kontext ist es leider nicht so einfach. So war es schlicht und ergreifend einfacher, eine Maus zu bauen, ohne dabei auf das Gewicht zu achten. Außerdem waren viele Materialien und Bauteile schwerer. Eine hohe Masse vermittelt darüber hinaus gemeinhin ein Gefühl von Qualität und Wertigkeit, was einige Hersteller als Wettbewerbsvorteil nutzen wollten und sogar Gewichte verbauten. Manchen Mäusen lagen auch optional zuladbare Gewichte bei, die mit einer anpassbaren Masse Vorteile bei der Handhabung suggerieren und mit Individualisierbarkeit locken sollten – einige Hersteller bieten entsprechende Eingabegeräte zu diesem Zweck noch immer an.
Sofern allerdings die Präzision in Spielen an erster Stelle stehen soll – beispielsweise in kompetitiven Online-Shootern –, und nicht etwa ein Gefühl von Wertigkeit, schmeichelnder Anpassbarkeit oder aber die Gewohnheit, ist die objektive Anforderung eine möglichst geringe Masse. Das haben die meisten größeren Maushersteller inzwischen erkannt – manche früher, einige später und ein paar noch immer nicht. Spätestens mit Logitechs G Pro Wireless (Test) war der Trend Mitte 2018 vollends etabliert; die Glorious Model O (Test) war Anfang 2019 ein weiterer großer Schritt.
Um derweil die Gründe für diese Entwicklung besser nachvollziehen zu können, ist das Gewicht einer Maus einerseits im Kontext der Gleiteigenschaften zu begreifen und andererseits in Verbindung mit der sensorischen Empfindlichkeit zu bringen. Zuletzt ist von Bedeutung, mit welchem Anspruch das Eingabegerät in welcher Art von Spiel verwendet wird. Also der Reihe nach.
Die Gleiteigenschaften als Basis der Debatte
Für die Gleiteigenschaften einer Maus sind vor allem vier Punkte von Bedeutung:
- das Gewicht,
- dessen Verteilung,
- das Mauskabel und
- die Gleitfüße.
Pauschal gilt dabei: Je leichter, je ausbalancierter, je flexibler und je dicker und gleitender, desto besser. Doch während recht offensichtlich ist, dass gleitfähigere Gleitfüße mit einer dem Verschleiß vorbeugenden hohen Dicke und ein bewegliches, die Bewegungen der Maus nicht durch Steifheit beeinflussendes Kabel ebenso von Vorteil sind wie eine gleichmäßige Verteilung der Masse, scheint die Lage beim Gewicht selbst kontrovers. Auf ComputerBase kam die Debatte zuletzt angesichts Zowies Special Edition V2 auf: Der Hersteller geht einen Schritt rückwärts und steigert die Masse.
Das übliche Argument für ein höheres Gewicht lautet, dass eine schwere Maus besser kontrollierbar sei, weil sie nicht so leicht verrutsche. Letzteres stimmt offenkundig. Das Problem ist jedoch, dass Objekte mit hohem Gewicht aufgrund der Masseträgheit nicht nur schwieriger zu beschleunigen, sondern auch schwieriger zu bremsen sind. Das führt dazu, dass in Shootern insbesondere Flickshots, bei denen der Mauszeiger zunächst rapide bewegt und dann abrupt gestoppt wird, schlechter umsetzbar werden. Aber auch das bloße Tracking mit dem Fadenkreuz wird anstrengender, weil die dabei notwendigen Korrekturen der Mausbewegung stetig gegen eine größere Kraft ankämpfen müssen.
Und apropos anstrengender: Auch für die Muskeln ist ein hohes Mausgewicht unangenehm. Gerade bei langen Gaming-Sessions beeinträchtigt die Dauerbelastung der Hand und vor allem des Handgelenks die Gesundheit des Nutzers negativ. Eine Lösung findet sich beispielsweise in vertikalen Mäusen, die das Handgelenk durch eine natürlichere Haltung entlastet. Eine andere Lösung wiederum liegt auf der Hand: Eine Reduktion des Gewichts packt das Problem an der Wurzel – je weniger Kraft aufgewendet werden muss, desto entspannter bleiben die Muskeln. Vor allem für Nutzer des Fingertip-Grips, bei dem die Maus lediglich mit den Fingerspitzen berührt und geführt wird, ist eine niedrige Masse daher ein Segen; gleiches gilt für den Claw-Grip. Aber auch Palm-Grip-Spieler, die ihre gesamte Handfläche ablegen, profitieren.
Alles dreht sich um die Empfindlichkeit
Was ist denn aber nun mit der Empfindlichkeit? Der bessere Weg zum Gegensteuern einer gefühlt zu hohen Beweglichkeit des Mauszeigers ist es, die Sensorempfindlichkeit nach unten zu korrigieren. Das Mag kontraintuitiv erscheinen, weil Maushersteller seit Jahren mit immer höher steigenden CPI-Werten werben. Die Abkürzung steht für Counts per Inch, also Zähler pro Zoll und wird häufig durch DPI, also Dots per Inch respektive Punkte pro Zoll ersetzt. Letzteres bezeichnet jedoch eigentlich die Punktdichte eines Bildes.
High-End-Mäuse bieten inzwischen bis zu 30.000 CPI, wohingegen vor einigen Jahren noch bei maximal 12.000 CPI Schluss war. Die höhere Auflösung soll eine proportional steigende Präzision suggerieren – das wird aber zum Trugschluss, wenn die menschlichen Fähigkeiten mit einbezogen werden. Ist die Sensorempfindlichkeit zu hoch konfiguriert, werden Mauszeigerbewegungen zittrig und verwackeln schnell. Dem Nutzer bleibt kaum Kontrolle. Für fünfstellige CPI-Werte gibt es daher keinen praktischen Nutzen – sie sollten schlicht und ergreifend ignoriert und nicht verwendet werden.
Stattdessen empfehlen sich bei modernen Sensoren CPI-Werte im Intervall von 400 bis 6.000. Idealerweise liegen 1.200 CPI oder mehr an, weil ungefähr bis zu diesem Wert höhere Auflösungen mit einer messbar geringeren Latenz einhergehen. Nach Bedarf kann die Empfindlichkeit anschließend auf Software-Ebene im Spiel auf die gewünschte Stufe heruntergeregelt werden.
Low-Sense-Steuerung ermöglicht eine höhere Präzision
Die Maus derweil misst mit den Counts per Inch die Anzahl der Schritte oder Abstufungen, die der Sensor nach einer Bewegung von einem Zoll respektive 2,54 Zentimetern meldet. Bei 1.000 CPI sind es folglich 1.000 Counts, die je überstrichenem Zoll gemeldet werden. Sofern keine Interpolation greift werden diese 1.000 Schritte direkt in Pixel übersetzt, sodass sich der Mauszeiger folglich bei einer Mausbewegung von einem Zoll nach rechts 1.000 Pixel nach rechts bewegt – das entspricht ungefähr der Hälfte der Breite eines gewöhnlichen Full-HD-Bildschirms.
Die Übersetzung liegt dementsprechend bei 1:1.000. Wenn nun allerdings eine Sensorempfindlichkeit von 10.000 CPI verwendet wird, werden gemäß einer Übersetzung von 1:10.000 bereits nach 2,54 Millimetern die 1.000 Bildpunkte und damit rund die Hälfe des Full-HD-Bildschirms überstrichen. Die Mauszeigerbewegung geschieht dabei so drastisch, dass feine Korrekturen erschwert oder gar unmöglich werden. Im E-Sports-Bereich ist es daher seit jeher gang und gäbe, dass die allermeisten Profi-Spieler im Low-Sense-Bereich unterwegs sind – also mit vergleichsweise niedrigen Sensorempfindlichkeiten unterhalb von 2.000 CPI spielen. Das Gegenstück wären High-Sense-Spieler mit einer Präferenz von ungefähr 6.000 CPI oder mehr – eine feste Definition gibt es nicht –, dazwischen liegt der Mid-Sense-Bereich.
Low Sense und ein hohes Gewicht vertragen sich nicht
Nun wäre also geklärt, wieso niedrige respektive niedrigere Sensorauflösungen sinnvoll und unter kompetitiven Spielern beliebt sind. Damit zurück zum Mausgewicht. Da bei derart niedrigen Empfindlichkeiten der mit der Hand zurückzulegende Weg für weite Mauszeigerbewegungen vergleichsweise groß ausfällt, muss die Maus sehr viel umhergeschoben werden. Auch ein Anheben und Umsetzen ist häufig an der Tagesordnung. Allein deswegen ist eine niedrige Masse hilfreich und erstrebenswert. Werden die Muskeln durch eine zu schwere Maus ermüdet, leidet nach einiger Zeit zwangsläufig die Feinmotorik.
So ist die Leichtigkeit folglich von Vorteil, wenn Feinjustierungen vorgenommen werden sollen. Falls die Maus zu schwer ausfällt, geschieht das Anschieben und Abbremsen indes nicht mehr gleichmäßig, sondern ruckartiger – die Masseträgheit führt dazu, dass eine aufgebaute Schubkraft auf einen Schlag entladen wird und Nutzer über das Ziel hinaus schießen. Je leichter die Maus, desto weniger Kraft ist initial nötig und desto linearer verlaufen Bewegungen. Ohnehin fallen letztere präziser aus – der Mensch ist es gewohnt, nur die Hand zu bewegen, ohne zusätzliches Gewicht. Jedes weitere Gramm fordert das Gehirn, weil abgeschätzt werden muss, wie viel mehr Kraft zur Überwindung der ungewohnten Masseträgheit aufzuwenden ist.
Als letztes Argument einer schweren Maus verbleibt eine oftmals als hilfreich empfundene höhere Reibung auf dem Mauspad. Falls benötigt schafft jedoch ein aus gröberem Stoff gefertigtes Pad Abhilfe – ohne die ausführlich beschriebenen Nachteil der höheren Masseträgheit.
Eine Gratwanderung zwischen Leistung und Komfort
Das optimale Gewicht einer Shooter-Maus liegt daher theoretisch bei 0 Gramm, wie beispielsweise auch Zaunkoenig, der Hersteller der leichtesten Gaming-Maus M2K (Test), provokativ herausgearbeitet hat. Praxisnah ist dieser Ansatz wiederum nur bedingt. Erstens sind 0 Gramm nicht erreichbar, zweitens lassen sich nicht beliebig niedrigere CPI-Werte wählen – allein schon, weil Mauspad und Armspannweite begrenzt sind – und drittens haben nicht ein jeder Spieler und ein jedes Spiel den absoluten Anspruch maximaler Präzision. Die Frage nach dem optimalen Gewicht wird daher angewandt stets zur Gratwanderung zwischen Leistung und dem Komfort kleinerer High-Sense-Bewegungen bei dennoch angenehm niedrigem Gewicht.
Wer aber eine aktuell konkurrenzfähige Shooter-Maus kauft – wobei zunächst an Multiplayer-Ego-Shooter mit kompetitiven Spielmodi gedacht werden sollte und nicht an Einzelspieler-Abenteuer –, der sollte sich nicht über ein niedriges Gewicht wundern. Insbesondere populäre High-End-Exemplare wie Logitechs G Pro X Superlight (Test), Razers Viper V2 Pro (Test) oder die noch nicht erschienenen Endgame Gear XM2w und Pulsar X2 Wireless fallen mit besonderer Leichtigkeit, symmetrischem Fingertip-Grip-Konzept und E-Sports-Ambitionen auf.
Die Masse liegt zwischen 50 und 60 Gramm – und eben dieser Bereich ist es, der im Jahr 2022 als tatsächlich leicht gilt. Ab spätestens 100 Gramm kann von einem schweren Modell gesprochen werden. Aber auch asymmetrisch geformte Palm-Grip-Mäuse liegen inzwischen weit darunter, so beispielsweise Glorious' Model D (Test) , Roccats Kone Pro (Air) (Test) oder die Pulsar Xlite V2 Wireless.
Anwender, die ihre Maus für Office-Anwendungen nutzen und hin und wieder Point-and-Click-Adventures spielen, sind nicht Zielgruppe solcher auf Hochleistung optimierter Gaming-Mäuse. Zwar kann die Nutzung aufgrund der Leichtgängigkeit nichtsdestoweniger angenehmer sein – es ist aber ebenso verständlich, falls Nutzer die Bequemlichkeit einer High-Sense-Steuerung wählen. Und für diesen Zweck bieten schwere Mäuse unter Umständen tatsächlich mehr Kontrolle, wenngleich die in diesem Fall vernachlässigte Präzision leidet. Letztendlich darf ein Jeder selbst entscheiden, mit welchem Anspruch er spielt.
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