Snapdragon W5(+) Gen 1: Smartwatch-SoC aus 4-nm-Fertigung macht fast alles neu
Zwei Jahre nach dem letzten Update bringt Qualcomm den Snapdragon W5(+) Gen 1 als neuen Wearable-Chip der Oberklasse auf den Markt. Beinahe die gesamte Plattform wurde erneuert und auf die 4-nm-Fertigung umgestellt. Die CPU nutzt aber weiterhin ein zehn Jahre altes Design. Die Laufzeiten sollen dennoch rund 50 Prozent zulegen.
Smartwatch-Prozessoren unterliegen einer langsameren Kadenz als Prozessoren für Smartphones. Wo Qualcomm in dem einen Segment jedes Jahr und sogar zwischendurch mit Upgrades einen neuen Top-Chip präsentiert, werden die Prozessoren für Wearables nur alle zwei Jahre und mit bislang weniger Veränderungen erneuert. Mit Snapdragon W5+ Gen 1 und W5 Gen 1, die das Namensschema der Smartphone-Chips übernehmen, soll die Plattform aber die größten Veränderungen seit der Einführung des ersten Chips 2016 erfahren.
Fast alle Komponenten des W5+ Gen 1 sind neu
Vom Wear 2100 (2016) zum 3100 (2018) und vor zwei Jahren zum 4100+ gab es stets nur kleinere Anpassungen, etwa beim Always-on-Co-Prozessor, Power-Management-IC oder der Fertigung. Beim W5(+) Gen 1 sind hingegen SoC, Always-on-Co-Prozessor, PMIC, Modem und RF-Front-End neu, sodass die gesamte Plattform von Grund auf neu entwickelt wurde. Qualcomm erklärte in einem Vorgespräch, dass die Entwicklungen für die Lösung vor etwa drei Jahren und damit noch vor Ankündigung des Wear 4100+ begonnen hätten.
Always-on-Co-Prozessor mit neuen Arm-Cores
Der Always-on-Co-Prozessor, den Qualcomm erstmals 2018 mit dem Wear 3100 eingeführt hatte, nimmt eine wichtige Rolle ein, ist er laut Qualcomm doch für 95 Prozent der Aufgaben einer Smartwatch zuständig, die sich im Hintergrund abspielen. Nur 5 Prozent der Nutzung erfolge durch den Träger einer Smartwatch direkt mit dem Betriebssystem. Im neuen Co-Prozessor QCC5100 sitzen mit dem Arm Cortex-M55 und Ethos-U55 ein vergleichsweise moderner IoT- und ein NPU-Core, eigener RAM, eine GPU, Prozessoren für Display und Audio, Bluetooth 5.3 und Wi-Fi. Auf dem Chip läuft FreeRTOS als Echtzeitbetriebssystem für eingebettete Systeme. Die Bluetooth-Verbindung zum Smartphone erfolgt erstmals durch die Auslagerung dieser Komponente in den Co-Prozessor, der für den W5(+) Gen 1 in 22 statt zuvor 28 nm gefertigt wird.
Hauptprozessor nutzt zehn Jahre alten Cortex-A53
Einen Hauptprozessor für Wear OS oder Android besitzt die Plattform mit dem SW5100 allerdings ebenfalls. Hier kommt es zu einem Kuriosum, denn Qualcomm hat sich gegen den Einsatz aktueller Arm-IP entschieden und setzt weiterhin auf eine Quad-Core-CPU mit bis zu 1,7 GHz auf Basis des mittlerweile zehn Jahre alten Cortex-A53 auf Armv8-Basis. Warum nicht wenigstens der 2017 vorgestellte Cortex-A55, wie ihn Samsung im Exynos W920 der Galaxy-Smartwatches nutzt, oder der letztes Jahr vorgestellte Cortex-A510 zum Einsatz kommt, konnte Qualcomm in einem Vorgespräch nicht zufriedenstellend beantworten. Auf den Cortex-A55 bezogen hieß es lediglich, dass dieses Design bei Qualcomms neuer Wearables-Plattform zu einem höheren Verbrauch geführt hätte.
Nachvollziehen lässt sich diese Aussage nicht, denn Arm selbst wirbt für den Cortex-A55 mit 15 Prozent höherer Effizienz und 18 Prozent mehr Leistung gegenüber dem Cortex-A53. Der letztjährige Cortex-A510 auf Armv9-Basis soll darüber hinaus die Effizienz um weitere 20 Prozent und die Leistung um 35 Prozent steigern. Qualcomm hätte mit aktueller Arm-IP eine deutlich sparsamere CPU bei parallel viel mehr Leistung erhalten.
4-nm-Fertigung für den Hauptprozessor
Mehr Leistung liefert der neue Hauptprozessor zwar nicht, nachdem schon der Wear 4100+ mit 1,7 GHz lief, die Effizienz fällt dennoch besser aus, denn für den Hauptprozessor wechselt Qualcomm von der 12- auf die 4-nm-Fertigung. Ob dabei Samsung 4LPE oder TSMC N4 zum Einsatz kommt, wollte das Unternehmen auch auf Nachfrage nicht verraten. Dass die Foundry bei vermeintlich gleichen Nodes einen erheblichen Unterschied in Sachen Effizienz machen kann, haben zuletzt Snapdragon 8 Gen 1 und Snapdragon 8+ Gen 1 gezeigt, wo TSMC einen deutlichen Vorsprung gegenüber Samsung hat. Unabhängig davon hervorzuheben ist, dass Qualcomm wohl erstmals überhaupt in der Branche, einen zehn Jahre alten CPU-Core auf einen aktuellen Node portiert hat.
Im Hauptprozessor sind auch LPDDR4-2133-RAM, eine eigene Adreno-702-GPU von Qualcomm mit 1 GHz Takt, ein Dual-Bildprozessor (ISP) für Kameras, ein Video-En- und Decoder für Full HD, das Modem für bis zu 4G/LTE, ein Block für GNSS, Wi-Fi und Audio sowie das Hybrid-Management für die Anbindung an den Co-Prozessor verbaut. Über den Hauptprozessor erfolgt die Anbindung an das RF-Front-End, das mit sparsameren Komponenten (WTR3925, QPA5590, QFM5518) aus aktueller Generation bestückt wurde. Zwischen Haupt- und Co-Prozessor sitzt der neue Power-Management-IC PMW5100, der einen Verstärker für den integrierten Lautsprecher bietet und für Batterie-Monitoring, haptisches Feedback und das Schnellladen zuständig ist.
Low-Power-Island reduziert den Verbrauch
Speziell für den Hauptprozessor hat Qualcomm eine sogenannte Low-Power-Island geschaffen, also eine „Insel“ mit niedrigem Energieverbrauch, die immer dann aktiv wird, wenn von dem Chip zur Insel gehörende Komponenten wie GNSS, Wi-Fi oder Audio genutzt werden. Dann sorgt das Hybrid-Management dafür, dass die restlichen Funktionsblöcke deaktiviert werden und auf den Co-Prozessor gewechselt wird. Eine Stufe weiter geht der Deep Sleep, der nur noch den Co-Prozessor verwendet und mit Nutzung des RAM auf einen Verbrauch von weniger als 1 mA kommt. Wird der Inhalt des RAM im Hibernate-Modus auf den eMMC ausgelagert, soll der Verbrauch unter 0,5 mA sinken.
Qualcomm verspricht 50 Prozent längere Laufzeiten
Der Energieverbrauch ist es dann auch primär, der bei der Entwicklung speziell des W5+ Gen 1 im Fokus stand. Den W5 Gen 1 ohne „+“ hat Qualcomm speziell für den chinesischen Markt und spezifische Lösungen für Kinder, Senioren, im Gesundheitswesen oder im Enterprise-Bereich entwickelt und verzichtet bei diesem Modell auf den Co-Prozessor. Dementsprechend entfallen alle Aufgaben auf den Hauptprozessor und die Energiebilanz dürfte schlechter ausfallen, wenngleich Qualcomm dazu keine Zahlen nennt.
Zahlen zum Verbrauch legt Qualcomm nur für den Vergleich zwischen W5+ Gen 1 und Wear 4100+ vor. Demnach weist die neue Plattform einen in allen Belangen signifikant niedrigeren Verbrauch auf, etwa bei Flugzeugmodus, Always-on-Display, LTE-Standby, Benachrichtigungen, Bluetooth-Musik, LTE-Musikstreaming, GPS, Display-Bedienung und VoLTE-Telefonie. Mindestens um 37 Prozent, bestenfalls um 57 Prozent soll der Verbrauch je nach Einsatzgebiet zurückgehen. Dementsprechend verspricht Qualcomm bis zu 50 Prozent längere Laufzeiten für alle Klassen von Smartwatches, seien es dünne Fashion-Produkte mit kleinem Akku, größere LTE-Smartwatches oder Sportuhren mit besonders großem Akku.
Reduziert hat Qualcomm aber nicht nur den Verbrauch, sondern auch das Package der Plattform. 300 statt 500 mm² groß falle das Core-PCB aus, für den Chipsatz nennt Qualcomm nur noch 200 statt 310 mm² und das SoC kommt auf 90 statt 128 mm² bei einer von 0,69 auf 0,48 mm reduzierter Bauhöhe. Hersteller sollen dadurch auf X-, Y-, und Z-Achse bezogen kleinere und leichtere Smartwatches entwickeln können. Außerdem ist das LTE-Modem jetzt stets integriert, sodass Qualcomm mit nur noch einer globalen SKU arbeiten kann. Ob jeder Hersteller ohne Aufpreis davon Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten. Und letztlich können die Hersteller damit auch größere Akkus in den Geräten verbauen.
Erste Smartwatches von Mobvoi und Oppo
Die ersten Anbieter von Smartwatches mit W5+ Gen 1 werden laut Qualcomm Mobvoi und Oppo im weiteren Verlauf des dritten Quartals sein. Der Chip-Entwickler zählt zudem 25 weitere Designs anderer Hersteller, die sich in der Pipeline befinden sollen.
ComputerBase hat Informationen zu diesem Artikel von Qualcomm unter NDA erhalten. Die einzige Vorgabe war der frühest mögliche Veröffentlichungszeitpunkt.