Huawei MatePad Paper im Test: Stifteingabe und Fazit
4/4Solide Stifteingabe
In Sachen Stifteingabe setzt Huawei beim MatePad Paper auf die zweite Generation des M-Pencil, der im Gegensatz zum MatePad Pro 12.6 (Test) dem Set beiliegt. Dieser besitzt wie die meisten digitalen Stifte 4.096 Druckstufen und soll mit einer Latenz von 26 ms ein reales Schreibgefühl vermitteln. Dies soll zunächst jedoch nur für die eigenen Applikationen gelten. Bei zusätzlich installierten Werkzeugen, wenn sie denn wegen der bereits angesprochenen Probleme bei der App-Beschaffung überhaupt aufs Tablet gebracht werden können, kann der Versatz höher ausfallen.
Der Stift selbst wirkt wie ein größerer Bleistift, liegt dadurch gut in der Hand und vermittelt ein ebenfalls gutes Schreibgefühl. Ein wenig anders schaut es mit dem Schreiben auf dem Tablet aus. Auch hier gibt es, abgesehen von der gegenüber Tablets mit LC-Display und einer Bildwiederholungsfrequenz von 120 Hz schlechteren Latenz, generell erst einmal nichts zu beanstanden. Wie ein Schreiben auf Papier, wie es Huawei in der Werbung vollmundig verspricht und durch die TÜV-Zertifizierung hervorheben will, fühlt es sich am Ende dann doch nicht an. Auch wenn der Hersteller die Display-Oberfläche mit einer speziellen Beschichtung versehen hat, ist sie, um mit einem echten Blatt Papier konkurrieren zu können, viel zu glatt. Das dürfte wie bei normalen Tablets zu Anfang etwas irritieren. Der Nutzer sollte sich jedoch schnell daran gewöhnt haben und geschriebene Texte wie auch Skizzen sollten dann leicht von der Hand gehen. Zum Zeichnen eignet sich der Stift aufgrund seiner im Vergleich zu anderen Pens eher dickeren Spitze weniger.
Der M-Pencil verfügt darüber hinaus über eine virtuelle Taste, mit der zwischen verschiedenen Funktionen umhergesprungen werden kann. So kann in der Notiz-App bei Betätigung zwischen Schreiben und Löschen gewechselt werden, ohne den Umweg über die Menüleiste zu gehen. Den richtigen Punkt mit dem Finger beim Halten zu treffen, gelingt nicht direkt und verlangt ein wenig Übung. Darüber hinaus lässt sich mit dem Stift durch eine Wischgeste von der rechten oberen Ecke zur Mitte des Displays ein Menü aufrufen, mit dem die Notizen-App zusätzlich zu einer anderen App im Splitscreen-Modus aufgerufen werden kann – was aber nur bei einer eingeschränkten Zahl von Programmen wie dem Browser oder der Reader-App funktioniert. Die andere Funktion zum Kommentieren von dargestellten Inhalten funktionierte im Test dagegen bei allen andern aufgerufenen Anwendungen. Über Nutzungsgesten, wie es zum Beispiel bei einigen S-Pens von Samsung der Fall ist und mit denen sich auch Geräte fernsteuern lassen, verfügt der M-Pencil nicht.
Zum Laden und Koppeln wird der Stift einfach an die rechte Tablet-Seite angelegt, an die er dann magnetisch gehalten und induktiv mit Strom aufgefüllt wird.
Fazit
Das MatePad Paper ist ein interessantes, aber in vielen Bereichen nicht zu Ende gedachtes Tablet. Die eng umrissene Zielgruppe dürfte von Anfang an klar gewesen sein, aber selbst sie wird in dem System einige Stolpersteine finden.
Äußerlich muss sich das MatePad Paper nicht vor der Konkurrenz, wie unter anderem das Boox Note Air 2 von Onyx, verstecken. Das Tablet liegt gut in der Hand, die Verarbeitung lässt ebenfalls keinen Grund zur Kritik aufkommen. Es sind daher oftmals die kleinen Dinge, die fehlen. So besitzt das Tablet eine für E-Ink-Panels und bei einer Größe von 10,3 Zoll normal hohe Auflösung, setzt aber auf die bereits einige Jahre alte normale Carta-Technologie und nicht auf das neuere Carta 1200. Die Helligkeit der integrierten Vordergrundbeleuchtung ist ebenfalls als eher durchschnittlich zu beurteilen. Zudem fehlt ein Blaulichtfilter, den selbst günstige E-Book-Reader und Tablets schon lange mit sich führen.
Irgendwie scheinen auch die Besonderheiten, die solch ein Display mit sich bringt, vom Hersteller nicht vollends bedacht worden zu sein. Obwohl ruhende Inhalte sehr gut dargestellt werden, hat das Tablet bei schnelleren Bewegungen arge Probleme. Doch während Onyx beim Boox Note Air 2 genau aus diesen Gründen vier verschiedene Darstellungsmodi liefert, um zumindest annähernd für jede Nutzungssituation die richtige Darstellung zu ermöglichen, besitzt das MatePad Paper lediglich zwei Optimierungen. Zwischen den beiden Extremen in Form einer ruhenden Darstellung von Textinhalten hin zu bewegten Bildern von Spielen und Videos gibt es noch deutlich mehr Nutzungsszenarien, die es zu berücksichtigen gelten sollte – wie unter anderem das Scrollen auf Websites. Hier sollte zwar die schnelle Bewegung der Inhalte so flüssig wie möglich erfolgen, Texte aber wiederum normal und gut dargestellt werden. Diese Chance hat Huawei verpasst.
Die Stifteingabe ist dagegen solide, auch wenn das System ebenfalls an der einen oder anderen Stelle die eine oder andere zusätzliche Funktion hätte vertragen können. Die Latenzen zwischen der Eingabe und der Darstellung auf dem Bildschirm hält sich auch in Grenzen, können aber nicht annähernd mit denen eines 120-Hz-Displays mithalten – was aufgrund der Technik ohnehin nicht erwartet werden darf. Trotzdem liegt immer noch ein großer Unterschied zwischen dem Schreiben auf dem MatePad Paper und einem realen Blatt Papier. Da ändert auch die Zertifizierung durch den TÜV Rheinland nichts, bei der eher das Gefühl aufkommt, dass der Grund für das Zertifikat der Prüfstelle lediglich darin liegt, es werbewirksam einzusetzen – obwohl es nur eine geringe Aussagekraft bietet.
Die Oberfläche des eigenen HarmonyOS hat Huawei für das Tablet extra angepasst, aber auch hier wieder Möglichkeiten verschenkt. So verfügt der Homescreen des Systems über verschiedene Widget-artige Bereiche, die aber weder in ihrer Art und Position geändert, noch neue hinzugefügt werden können. Damit besitzt das Tablet kaum Möglichkeiten zur Personalisierung und die Anpassung an die eigenen Bedürfnisse.
Die größte Schwachstelle des MatePad Paper stellt aber nach wie vor die spartanische App-Unterstützung dar, die beim Testkandidaten noch geringer ausfällt. So bringen selbst reine E-Book-Reader von PocketBook bereits mehr Apps mit sich als ein Tablet, das genau auf die Nutzung derer ausgelegt ist. Während die normalen Tablets von Huawei in der App Gallery zumindest auf eine größere Anzahl von zusätzlichen Applikationen zurückgreifen können, wobei sie nicht einmal annähernd an die Möglichkeiten des Play Stores von Google herankommt, bekommt der Nutzer beim vorliegenden Tablet eine Hand voll seltsam zusammengewürfelt wirkender Apps empfohlen, von denen hiesige Nutzer wiederum nur einen kleinen Anteil gebrauchen können dürften. Wer mehr möchte, muss entweder auf freie Quellen wie F-Droid, den App-Store von Amazon oder teils mit Vorsicht zu genießende apk-Download-Seiten ausweichen. Dann ist aber ein Starten immer noch nicht garantiert, denn sobald die Apps auf Google-Dienste zurückgreifen müssen, verweigern die meisten ihre Arbeit. Auf der anderen Seite kann das MatePad Paper eine Chance für Nutzer sein, die sich komplett vom Google-Universum lösen wollen.
Aber auch die eigenen Apps können nur selten überzeugen. So birgt das Tablet für das Lesen von digitalen Büchern, im Grunde die Glanzdisziplin bei E-Ink-Displays, nur rudimentäre Möglichkeiten, auf die ab Werk weniger optimierte Darstellung Einfluss nehmen zu können. Gleiches gilt für die Unterstützung von PDF-Dokumenten, die nicht einmal eine Zuschneidefunktion besitzt.
Das ist irgendwo schade, denn technisch gesehen schafft es Huawei immer noch, interessante Produkte zu fertigen, doch das MatePad Paper wirkt dahingehend nicht wirklich ausgereift und an einigen Ecken nicht zu Ende gedacht. Das Boox Note Air 2 von Onyx ist in vielerlei Hinsicht ebenfalls nicht perfekt, bietet aber zu einem ähnlichen Preis eine deutlich bessere Ausstattung und vor allem eine vollkommene Play-Store-Unterstützung – auch wenn es nur wenige Applikationen geben dürfte, die für diese Art von Display optimiert sind.
In seiner jetzigen Form wird es das MatePad Paper somit schwer haben, interessierte Nutzer für sich zu gewinnen.
- großes E-Ink-Display
- sehr gute Textdarstellung
- gute Verarbeitung
- geringe Beleuchtung
- fehlender Play Store und damit geringe App-Unterstützung
- System lässt viele Möglichkeiten ungenutzt
- geringe Optimierung für verschiedene Inhalte
ComputerBase wurde das MatePad Pro leihweise von Huawei für den Test zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.
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