MSI MEG Ai1000P & Ai1300P: ATX-3.0-Netzteile mit 12VHPWR und bis zu 2.600 W
Frühere Leaks hatten es bereits vermuten lassen: MSI hat als erster Hersteller Netzteile nach neuer ATX-3.0-Spezifikation vorgestellt. Beide verfügen über einen der neuen 12VHPWR-Anschlüsse mit 12+4 Pin nach PCIe 5.0 für bis zu 600 Watt, kurzfristig können bis zu 2.600 Watt an das System geliefert werden.
Das steckt hinter ATX 3.0
ATX 3.0 wurde federführend von Intel entwickelt und löst nach fast 20 Jahren ATX 2.x ab. Neben Vorgaben zur Adaption des Alternative Low Power Mode (ALPM), wie ihn zum Beispiel Windows 10 und Windows 11 beim Modern Standby nutzen, hat ATX 3.0 insbesondere ein Ziel: Leistungsstärkere Hardware mit höherem Stromverbrauch zuverlässig zu versorgen, auch wenn das System noch einmal deutlich mehr abruft, als es die offizielle TDP der Komponenten erahnen lassen.
ATX 3.0 berücksichtigt Lastspitzen
ATX 2.x ließ diesen Fall bis dato außer acht. Ob Lastspitzen oberhalb der Nennleistung von einem ATX-2.x-Netzteil abgefangen werden konnten, hing vom Netzteil, nicht aber dessen Konformität zu ATX ab. Das konnte zu großen Problemen führen. Prominentes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit sind die Probleme zum Start von GeForce RTX 3000 Ende 2020. Dass das System abschaltet oder instabil wird, obwohl das Netzteil auf dem Papier stark genug sein sollte, dürfte Anwendern aber auch aus anderen Szenarien bekannt sein.
Konkret sieht ATX 3.0 vor, dass Netzteile bis zu 200 Prozent ihrer Nennleistung bereitstellen können müssen. Das gilt für Modelle mit mehr als 450 Watt und oder mit neuem P12VHPWR-Anschluss für Grafikkarten. Modelle mit maximal 450 Watt und/oder ohne P12VHPWR-Anschluss müssen maximal 150 Prozent der Nennleistung liefern.
Anforderungen an die maximale Leistungsfähigkeit nach ATX 3.0 |
max. Dauer der Last | Anteil der Last an Gesamtzeit* | |
---|---|---|---|
Netzteile ≤ 450 Watt und/oder ohne P12VHPWR |
Netzteile > 450 Watt und/oder mit P12VHPWR |
||
100% | 100% | Infinite | -- |
110% | 120% | 100 ms | 50% |
135% | 160% | 10 ms | 25% |
145% | 180% | 1 ms | 20% |
150% | 200% | 100 µs | 10% |
* Der Anteil der Spitzenlast an der Gesamtnutzungszeit ist von der Nennleistung des Netzteils abhängig. Gefordert wird, dass das Netzteil einen Testlauf besteht, der aus definierter Spitzenlast und „Ruhelast“ besteht, deren quadratischer Mittelwert der Nennleistung entspricht. |
Drei konkrete Beispiele sollen das, was die Spezifikationen vorgeben, verständlicher machen:
- Ein Netzteil mit 1.000 Watt und P12VHPWR muss in der Lage sein, dauerhaft 1.000 Watt, aber kurzfristig für die Dauer von jeweils weniger als maximal 100 µs für 10 Prozent der Nutzungszeit bis zu 2.000 Watt an das System zu liefern. Für jeweils maximal 10 ms über maximal 25 Prozent der Nutzungszeit müssen 1.600 Watt geliefert werden können.
- Ein Netzteil mit 300 Watt ohne P12VHPWR muss für die Dauer von maximal 100 µs für maximal 10 Prozent der Nutzungszeit bis zu 450 Watt liefern.
- Ein Netzteil mit 300 Watt mit P12VHPWR muss für die Dauer von maximal 100 µs für maximal 10 Prozent der Nutzungszeit bis zu 600 Watt liefern.
So wird auf Lastspitzen getestet
Hersteller müssen diese Standhaftigkeit gegenüber Lastspitzen nachweisen, indem das jeweilige Abweichungsszenario mit entsprechend angepasster „normaler“ Last zwischen Lastspitzen getestet wird. Ein 1.000-Watt-Netzteil muss also unter anderem eine Belastung mit 2.000 Watt für 100 µs (10 Prozent) und anschließender „Ruhephase“ mit 817 Watt für 900 µs (90 Prozent) stemmen können, was im quadratischen Mittel 1.000 Watt und damit der Nennleistung entspricht.
PCIe 5.0: Bis zu 3 × 600 Watt für Grafikkarten
Die Norm macht deutlich: Ob ein ATX-3.0-Netzteil auf den neuen, durch PCI Express 5.0 definierten P12VHPWR-Stecker setzt, hat also einen entscheidenden Einfluss darauf, wie hoch die kurzfristige Abweichung von der Nennleistung ausfallen muss.
Hintergrund ist, dass PCI Express 5.0 über P12VHPWR erstmals selbst Abweichungen von der Nennleistungsaufnahme der Grafikkarte definiert hat. In diesem Fall beträgt sie bis zu 300 Prozent. Sprich: Eine Grafikkarte, die ihren Strom über P12VHPWR mit 12+4 Pins bezieht, darf kurzfristig dreimal so viel Leistung abrufen wie es ihre TDP erahnen lässt. Bei über P12VHPWR maximal definierten 600 Watt bedeutet das, dass das Netzteil über den Stecker bis zu 1.800 Watt liefern können muss – für maximal 100 µs lange Zeiträume.
Für Intervalle zwischen über 100 µs und einer Sekunde muss die Nennleistung um bis zu 300 Prozent übertroffen werden können, wobei zwischen der maximalen Leistung (R) und der Länge des Intervalls (T) in Mikrosekunden der folgende mathematische Zusammenhang steht:
R = 4 – 0.2171 x ln(T)
MSI MEG Ai1000P & Ai1300P
Die ersten offiziell vorstellten Netzteile nach ATX 3.0 halten sich an diese Vorgaben. MSI MEG Ai1000P und MSI MEG Ai1300P sind deshalb offiziell in der Lage, in maximal 100 µs langen Intervallen bis zu 2.000 Watt respektive bis zu 2.600 Watt an das System zu liefern, davon jeweils bis zu 1.800 Watt an die über P12VHPWR angeschlossene Grafikkarte. Entsprechende Nachweise liefert der Hersteller im Blog-Post zur Vorstellung direkt mit und erfüllt den von ATX 3.0 verlangten Nachweis der Normkonformität dabei vorbildlich.
Beide Netzteile verfügen über den neuen P12VHPWR-Anschluss mit 12 stromführenden und vier Sensor-PINs, deren Belegung der Grafikkarte signalisiert, dass sie bis zu 600 Watt dauerhaft und damit bis zu 1.800 Watt Spitzenlast vom Netzteil abrufen kann.
Bisher verfügbare ATX-2.x-Netzteile, für die ein Adapter von X × 8 Pin auf P12VHPWR vorliegt, geben der Grafikkarte das „ok“ über das Kabel selbst. Beispielsweise hat Asus den Adapter für das ROG Thor Platinum II so codiert, dass er der Grafikkarte „bis zu 600 Watt sind ok“ signalisiert.
Es wird davon ausgegangen, dass Nvidia bei GeForce RTX 4000 wie bei der GeForce RTX 3090 Ti auf den neuen Stecker setzen wird. Über Radeon RX 7000 sind bis dato keine Informationen bekannt.
Zu Preisen und Terminen hat sich der Hersteller bisher noch nicht geäußert. Die Produktseiten zu MSI MEG Ai1000P und MSI MEG Ai1300P sind allerdings schon online.