Logitech G735 im Test: Auch Spielerinnen können abgezockt werden
Nach der positiven Erfahrung mit dem Mikrofon Blue Yeti aus der neuen Aurora Collection knüpft das Headset G735 im Test an die Tastatur G713 an: Qualität und Preis klaffen erneut weit auseinander. Wieder liegt der Verdacht nahe, dass Logitech unter dem Aurora-Mantel an das Geld weniger versierter Käufer(innen) will.
Design, Verarbeitung und Preis
Mit seiner „Aurora Collection“ hat Logitech eine Peripherie-Reihe erschaffen, die angeblich „geschlechtsneutral“ und daher inklusiv sein soll, in ihrer Präsentation und Darbietung unübersehbar aber auf weibliche Spieler ausgerichtet ist. Diese Markenbotschaft und die Tatsache, dass es wie zuletzt bei der Logitech G713 (Test) Produkte innerhalb der Serie gibt, bei denen der UVP und das, was der Kunde geboten bekommt, weit auseinanderklaffen, haben zuletzt bereits für viel Kritik gesorgt – auch seitens der ComputerBase-Redaktion. Das Mikrofon Blue Yeti aus der Aurora Collection kam da einer willkommenen Abwechslung gleich, denn hier gab es die bekannte Technik zum bekannten UVP in den Farben Weiß und Pink.
Das kabellose Headset G735 schlägt jetzt wieder in dieselbe Kerbe wie die G713. Logitech ruft einen UVP von 229 Euro auf, schon auf den ersten Blick wirkt das Modell jedoch nicht wie ein Vertreter des oberen Preissegmentes. Dass Weiß die anscheinend neue Farbe für Headsets ist, konnte schon beim HG10 von Hyte (Test) beobachtet werden, das alleine rechtfertigt den Preis jedoch noch nicht. Sofort auffällig sind die kleinen und schon fast zierlichen Ohrmuscheln, welche die komplette Technik bestehend aus Treibern, Funk- und Bluetooth-Einheit sowie den laut Logitech mit wenigen Handgriffen wechselbaren Akku beinhaltet. Die Abdeckungen sind dabei aus Kunststoff gefertigt, was dem geforderten Preis nicht gerecht wird.
Der aus Metall gefertigte Kopfbügel sorgt für genügend Spannung, um das Headset bequem und auch bei heftigeren Bewegungen sicher auf dem Kopf zu halten. Die Polsterung hätte dabei jedoch dicker ausfallen können. Positiv fallen hingegen die Aufhängungen der Ohrmuscheln aus Metall aus, die, im Gegensatz zum restlichen Headset, recht stabil wirken. Über die Befestigungen lassen sich die Klangausgeber zudem um 90 ° horizontal drehen, womit sie sich gut an die jeweilige Ohrform anpassen. Die stufenlose Anpassung an die jeweilige Kopfgröße geht dabei jedoch recht schwergängig von der Hand.
Logitech G735 | Asus ROG Fusion II 500 | JBL Quantum 800 | |
---|---|---|---|
Bauform: | Over Ear, geschlossen | ||
Treiber: | Neodymium, 40 mm | Neodymium, 50 mm | |
Anschlüsse: | USB, Per USB C an Mobilgeräten nutzbar, Kabel am Headset abnehmbar | 3,5 mm Klinke, USB, Per USB C an Mobilgeräten nutzbar, Kabel am Headset abnehmbar | 3,5 mm Klinke, Kabel am Headset abnehmbar |
Drahtlose Verbindungen: | Funk, Bluetooth | – | Funk, Bluetooth |
Frequenzbereich Kopfhörer: | Funk: 20 Hz – 20.000 Hz Bluetooth: 20 Hz – 20.000 Hz |
Klinke: 20 Hz – 40.000 Hz USB: 20 Hz – 40.000 Hz |
Klinke: 20 Hz – 40.000 Hz Funk: 20 Hz – 20.000 Hz Bluetooth: 20 Hz – 20.000 Hz |
Laufzeit bei drahtloser Verbindung: | 56 Std | – | 14 Std |
Entfernung bei drahtloser Verbindung: | 20 m | – | ? |
Drahtloses Laden: | Nein | ||
Bedienelemente am Headset: | Ja | ||
Kabelfernbedienung: | Nein | Ja | |
Integrierte Soundkarte: | Ja | ||
Raumklang: | Ja | ||
Frequenzbereich Mikrofon: | Funk: 100 Hz – 10.000 Hz Bluetooth: 100 Hz – 10.000 Hz |
Klinke: 100 Hz – 10.000 Hz USB :100 Hz – 10.000 Hz |
Klinke: 100 Hz – 10.000 Hz Funk: 100 Hz – 10.000 Hz Bluetooth: 100 Hz – 10.000 Hz |
Mikrofon Eigenschaften: | abnehmbar, stummschaltbar | stummschaltbar | hochklappbar, stummschaltbar, justierbar, Popschutz |
RGB-Beleuchtung: | Ja | ||
Kühlung: | – | ||
Vibrationsfunktion: | Nein | ||
Gewicht: | 260 g | 310 g | 410 g |
Preis: | ab 130 € | ab 165 € | 199 € |
Die ebenfalls weißen und sehr weichen Ohrpolster aus Kunstleder hätten ebenso stärker ausfallen können, reichen aber zunächst für einen bequemen Sitz aus – eine „revolutionäre Passform“, wie von Logitech vollmundig verkündet, konnte aber nicht ausgemacht werden. Ob das in Zukunft, wenn die Spannkraft der Polster im Laufe der Zeit nachlässt, auch noch so sein wird, darf dagegen bezweifelt werden.
Generell entspricht der Eindruck, den das Headset im Test zunächst hinterlässt, alleine wegen der genannten Punkte nicht dem, der bei dem vom Hersteller anvisierten Preis erwartet wird – hinzu kommt, dass das rund 260 g wiegende G735 bei der kleinsten Bewegung deutlich vernehmbare Knarzgeräusche von sich gibt.
Dem Set liegen zudem der USB-Dongle für die Funkverbindung und ein Ladekabel bei, das mittels Adapter auch als Verlängerungskabel genutzt werden kann.
Bedienelemente und Lichtspiele
Das G735 bringt die nötigsten Bedienelemente direkt am Headset mit. Sie bestehen aus dem Einschaltknopf, dem Lautstärkeregler und dem Mute-Schalter für das Mikrofon auf der einen Seite, dem Bluetooth-Wahlschalter und dem Balance-Regler für das Verhältnis zwischen der Bluetooth- und Funkausgabe auf der anderen Seite. Das Mikrofon ist obendrein abnehmbar und wird über einen 3,5-mm-Klinkenstecker angeschlossen.
Über die bereits genannten Eckpunkte hinaus besitzt das G735 eine RGB-Beleuchtung in Form eines Lichterkranzes um die Ohrmuscheln herum, die über den Logitech-Hub gesteuert werden kann.
Konnektivität und Laufzeiten
Das G735 lässt sich auf zwei verschiedene Arten kabellos betreiben: zum einen als Funk-Headset, das im 2,4 GHz-Band arbeitet, zum anderen via Bluetooth. Darüber hinaus lässt sich die Kopfhörereinheit ebenso per Klinkenkabel analog nutzen, das Mikrofon bleibt dabei aber stumm. Möglich ist außerdem die gleichzeitige Verbindung von Funk und Bluetooth. Damit kann das Headset auf der einen Seite für die tonale Ausgabe von Spielen genutzt werden. Gleichzeitig ist es möglich, Anrufe über ein entsprechendes Mobilgerät anzunehmen. Die Wahl der jeweiligen Lautstärke ist Logitech dabei aber weniger gut gelungen, denn hier kann lediglich die Balance zwischen den beiden Ausgaben, aber nicht deren eigentliche Lautstärke separat eingestellt werden. Das bedeutet: Soll das eine lauter werden, wird das andere zwangsweise leiser. Ein eigener Lautstärkeregler für jeden Eingang wäre hier die sicherlich bessere Lösung gewesen.
Logitech gibt die Funkreichweite mit bis zu 20 m an. Im Test war jedoch bereits nach der Hälfte mit der schon oft in anderen Tests zitierten Trockenbauwand dazwischen Schluss. Damit bleibt das Headset weit hinter den Angaben des Herstellers zurück. Für die Bewegungsfreiheit am PC oder vor dem heimischen TV ist der mögliche Abstand jedoch mehr als ausreichend.
Der verbaute und laut Hinweisblatt leicht zu wechselnde Akku soll das Headset bei einer Lautstärke von 50 Prozent und deaktivierter RGB-Beleuchtung Logitech zufolge 56 Stunden befeuern können. Bei aktivierten Lichtspielen und sonst gleichen Bedingungen reduziert sich die Laufzeit deutlich auf 16 Stunden. Wie schon oft angemerkt, sind diese Werte nur schwer zu verifizieren. Hier reichen schon kleine Unterschiede in der Lautstärke, der Funkverbindung oder sogar in den jeweiligen Inhalten aus, um den Energieverbrauch deutlich in die eine oder andere Richtung zu verschieben. Während des gesamten Tests wurde das Headset jedoch kein einziges Mal aufgeladen und hat nur 20 Prozent seiner Akkuladung verbraucht. Somit sollte einem kompletten Spielewochenende ohne Steckdose nichts im Weg stehen.
Klangqualität: Mit Höhen, aber ohne Tiefen
Die von Logitech verbauten, 40 mm großen Treiber sollen den üblichen Frequenzgang von 20 Hz bis 20 kHz bieten. Damit bietet das G735 zunächst einen recht ausgeglichenen Klang, der aber bereits von Kopfhörern der 100-Euro-Klasse ebenso geboten wird. Die Hochtöne werden dabei klar, aber nicht zu dominant wiedergegeben. Für einen echten Spiele- und Musikgenuss fehlen der Kopfhörereinheit jedoch die tieferen Frequenzen. Hier kann zwar mit der Software nachgeholfen werden, aber irgendwie wirken die einzelnen Frequenzbänder nicht sonderlich gut aufeinander abgestimmt.
Die gute Hochtonwiedergabe wirkt sich vor allem bei Spielen aus, bei denen es auf das Erkennen kleinster Nuancen und Geräusche ankommt, also etwa Shootern. Bei eher „epischen Schlachten“ kommt ein „Mittendringefühl“ nur schwer auf – dafür fehlt dem Headset am Preis bemessen einfach der „Rumms“.
Somit hat es das Headset auch bei Musik und Filmen nicht leicht. Wer eine neutrale Ausgabe bevorzugt, kann sicherlich beim G735 ein Ohr riskieren. Wer mehr möchte, dürfte mit dem neuen Logitech-Sprössling weniger glücklich werden. Ein Headset dieser Preisklasse sollte aber alle Bereiche und Anforderungen gut abdecken können.
Mikrofonqualität: Durchschnittskost
Wie bereits zu Anfang erwähnt, ist das Mikrofon des G735 abnehmbar, womit sich das Headset auch als reiner Funkkopfhörer verwenden lässt. Der mit einer Nierencharakteristik versehene Klangaufnehmer soll dabei laut Logitech einen Frequenzumfang von 100 Hz bis 10 kHz bieten, was jedoch nicht ganz der Realität entspricht: Bei rund 7.500 Hz war bereits Schluss. Damit offenbart auch das G735 die übliche Limitierung in der Bandbreite einer Funkverbindung und den Geiz der Hersteller, zumindest bei den höherpreisigen Headsets endlich auf zwei separate Transmitter zu setzen.
In Sachen Klangqualität bleibt aus den genannten Gründen natürlich nicht mehr viel übrig, selbst Telefone dürften in den meisten Fällen heutzutage eine höhere Sprachqualität besitzen. Über die als „Logitech Hub“ bezeichnete Software sind einige Optimierungsmöglichkeiten wie unter anderem eine Rauschunterdrückung, ein De-Popper und De-Esser oder ein Kompressor und Limiter zuschaltbar, die das ganze Signal ein wenig „rundfeilen“ – Wunder verrichten können aber auch sie nicht. So bleibt am Ende eine recht durchschnittliche Klangqualität übrig, die erneut mit dem verlangten Preis kaum etwas gemein hat.
Mit Störgeräuschen kann die Software zumindest so weit umgehen, dass die Stimme verständlich bleibt – eliminieren kann sie die künstlich herbeigeführten Störungen aber auch nicht. Manche Funktionen sind dabei recht unwirksam: So sorgt das Gate dafür, dass leise Nebengeräusche zwischen dem Gesprochenen ausgeblendet werden sollen – wenn sie jedoch lauter als das gebrauchte Signal sind, kann der Nutzer froh sein, wenn er nicht ausgeblendet wird. Für die Rauschunterdrückung sind die Störungen dann wiederum zu stark.
Beispielaufnahmen Logitech G735
Beispielaufnahmen der Konkurrenten
Asus ROG Fusion II 500
beyerdynamic MMX 150
beyerdynamic MMX 100
Masters & Dynamic MG20
Austrian Audio PG 16
JBL Quantum 800
Microsoft Xbox Wireless Headset
SPC Gear Viro Infra
Lioncast LX55
Lioncast LX55 USB
Fazit
Logitech verspricht beim G735 viel und hält – wie bei der G713 Aurora Collection (Test) – mit Blick auf den Preis nur wenig.
An der Verarbeitung selbst ist zunächst nichts auszusetzen, außer dass das Headset deutlich knarzt, wenn es in die Hand genommen oder aufgesetzt wird. Bei genauerer Betrachtung fallen aber viele kleinere Unzulänglichkeiten wie die dünne Polsterung am Kopfbügel, die nur schwer verstellbare Kopfanpassung oder die verwendeten Materialien wie der Kunststoff auf den Ohrmuscheln auf, die einfach nicht zu den Preisvorstellungen von 229 Euro seitens Logitech passen wollen.
Da nützt es nichts, dass der Hersteller das G735 neben der Funkverbindung auch mit Bluetooth ausstattet, was andere Unternehmen bereits seit Langem zu deutlich geringeren Preisen vollbringen. Die Reichweite bei Nutzung der Funkverbindung kommt in der Alltagsverwendung ebenfalls nicht einmal ansatzweise an die von Logitech genannten Angaben heran. Lediglich die Laufzeiten bewegen sich in einem positiven Rahmen – das schaffen aber andere Hersteller ebenfalls bei weit geringeren Preisen.
Klanglich spielt das G735 ebenfalls recht unauffällig auf. Generell neutral abgestimmt, agiert es je nach Szenario dann aber recht lustlos. Die Höhendarstellung ist gut, die tiefen Töne werden dagegen nur spärlich wiedergegeben. Das mag dem einen oder anderen Verbraucher gefallen, ein Headset der anvisierten Preisklasse sollte allerdings mehrere Nutzungsszenarien abbilden und dafür genügend Reserven besitzen.
Das Kernproblem der meisten Funk-Headsets ist aber die limitierte Bandbreite, die Hersteller dem Mikrofon zur Verfügung stellen. Dadurch wird der mögliche Frequenzumfang massiv eingeschränkt und endet meist bei rund 7.500 Hz. So auch beim G735, womit der Proband noch einmal unter den von Logitech genannten 10 kHz liegt. Dennoch schaffen es manche Hersteller, durch gute Algorithmen und Kompressionen eine noch akzeptable Stimmabbildung zu erreichen, was beim G735 aber ebenfalls nur bedingt gegeben ist. Auch das ist für den geforderten Preis deutlich zu wenig. Es wäre interessant zu erfahren, wo Hersteller mittlerweile ihre Mindestgrenze für eine gute Klangqualität ansetzen. Der Erfahrung nach dürfte zwischen dieser und dem, was der Verbraucher darunter versteht, eine große Diskrepanz herrschen.
Der Test könnte an dieser Stelle vorbei sein, doch bei der Logitech G735 Aurora Collection kommt zu diesen technischen Kritikpunkten am Ende noch der Marketing-Aspekt dazu.
Dagegen, dass eine ganze Industrie versucht, auch weibliche Spieler für sich zu gewinnen, ist überhaupt nichts einzuwenden – im Gegenteil. Das allerdings mit einer Serie zu tun, die auf der einen Seite als „geschlechtsneutral“ angepriesen wird, auf der anderen jedoch in jedem noch so kleinen Teil die Zielgruppe offenbart, stellt genau das Gegenteil von dem dar, was Logitech als „Gaming zum Besseren zu wandeln“ bezeichnet. In der Aurora Collection wird mit Stereotypen und rollenaffirmativen Klischees nur so gespielt. Das ist und bleibt peinlich.
- ausgeglichener Klang
- lange Akkulaufzeit
- Verarbeitung und Materialwahl nicht dem Preis entsprechend
- durchschnittliche Mikrofonqualität
ComputerBase wurde das G735 leihweise von Logitech für den Test zur Verfügung gestellt. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht. Es gab kein NDA.
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