Autonomes Fahren: Level 4 laut Ford noch in weiter Ferne
Das 2016 von ehemaligen Google- und Uber-Entwicklungsleitern gegründete Start-up Argo AI für autonomes Fahren wird aufgelöst und geht teils in Ford und VW auf. Die beiden ehemaligen Investoren stellen ihre Level-4-Bemühungen vorerst hinten an und wollen sich stattdessen auf die Entwicklung von Level 2 und 3 fokussieren.
Argo AI war 2016 von Bryan Salesky und Peter Rander gegründet worden, die zuvor in den Sparten für autonomes Fahren bei Google und Uber angestellt waren. 2017 hatte Ford eine Milliarde US-Dollar in das Start-up investiert. Vor zwei Jahren stieß Volkswagen mit einer Investition von 2,6 Milliarden US-Dollar hinzu. Testfahrten von Argo AI wurden bislang in Washington, D.C., Miami und Austin unter der Prämisse durchgeführt, dass eines Tages Robotaxis von Lyft in diesen Städten fahren werden. Für Walmart waren fahrerlose Argo-Taxis geplant, die Essen liefern, und bei VW sollte bis 2025 ein autonomer Ridesharing-Dienst entstehen. Letzteres hat VW eigens entwickelt auch weiterhin vor.
Bei Ford heißt es in der aktuellen Ankündigung der Geschäftszahlen für das dritte Quartal 2022 (PDF), dass die strategische Entscheidung getroffen wurde, Kapitalausgaben für die Level-4-Entwicklung von Argo AI einzustellen und die Gelder stattdessen für die interne Entwicklung von Level-2+- und Level-3-System zu nutzen. Dabei lenkt Ford die Kritik auch in Richtung des Start-ups: Argo AI sei es nicht gelungen, neue Investoren zu gewinnen. Der Ausstieg belastet Ford mit 2,7 Milliarden US-Dollar und schlägt sich im abgelaufenen Quartal mit einem Nettoverlust von 827 Millionen US-Dollar nieder.
Level 4 laut Ford „a long way off“
Dass autonomes Fahren nach Level 4 entgegen mancher Erwartungen noch nicht kurz vor der Haustür steht, lässt sich anhand der weiteren Erklärungen erkennen. Als Ford 2017 die Partnerschaft mit Argo AI einging, war der großflächige Einsatz von Level-4-Technologie noch für 2021 erwartet worden. Die Dinge hätten sich aber geändert, sagte Ford-CEO Jim Farley. Dabei sei es jetzt „missionskritisch“, gute Level-2+- und Level-3-Lösungen zu entwickeln. Level 2+ (Test) entspricht dabei Fahrten ohne Hände am Lenkrad, aber mit voller Aufmerksamkeit des Fahrers, während Level 3 (Test) anderweitige Beschäftigungen explizit erlaubt, aber eine Übernahmebereitschaft innerhalb einer Frist verlangt. Bei Level 4 fällt diese Einschränkung je nach Strecke weg.
But things have changed, and there's a huge opportunity right now for Ford to give time – the most valuable commodity in modern life – back to millions of customers while they’re in their vehicles. It’s mission-critical for Ford to develop great and differentiated L2+ and L3 applications that at the same time make transportation even safer.
Jim Farley, Ford President und CEO
Die Zukunft für Level 4 sieht Ford zwar weiterhin optimistisch, vollständig autonome und vor allem profitable Fahrzeuge seien aber noch „a long way off“ und demnach weit entfernt von der Marktreife. Für Level 4 müsse man unter Umständen zudem keine eigenen Technologien entwickeln, merkt Ford an. Von Argo AI will Ford einen Teil der geschätzt insgesamt rund 2.000 Mitarbeiter übernehmen.
Volkswagen investiert nicht mehr in Argo AI
Auch bei Volkswagen will man Mitarbeiter von Argo AI einstellen, heißt es in einer heute veröffentlichen Stellungnahme. „Volkswagen arbeitet mit Argo AI zusammen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen und die vielversprechendsten Projekte im Bereich des autonomen Fahrens weiter zu entwickeln.“
Der deutsche Autohersteller will aber ebenso nicht weiter in Argo AI investieren und stattdessen über Cariad die interne Entwicklung des hochautomatisierten und autonomen Fahrens gemeinsam mit Bosch und künftig in China mit Horizon Robotics weiter vorantreiben. „Unser Ziel ist es, unseren Kundinnen und Kunden die leistungsfähigsten Funktionen zum frühestmöglichen Zeitpunkt anzubieten und unsere Entwicklung möglichst kosteneffizient aufzustellen“, sagte Oliver Blume, CEO Volkswagen AG.
MOIA soll 2025 autonom durch Hamburg fahren
Autonomes Fahren nach Level 4 schreibt VW nicht ab und hat sich 2025 als Ziel für den Ridesharing-Dienst MOIA gesetzt, der autonom fahrende ID. Buzz (Test) in Hamburg anbieten soll. Verantwortlich für die Umsetzung dieser Entwicklung in dem Bereich „Mobility and Transportation as a Service“ (MaaS/TaaS) ist Volkswagen Nutzfahrzeuge, während Cariad die teil- und hochautomatisierten Fahrfunktionen bis Level 4 entwickelt. Dabei soll demnächst ein weiterer Entwicklungspartner bekannt gegeben werden. „Im Zuge der Kooperation mit einem anderen Partner wird zudem die Zusammenarbeit innerhalb des Konzerns zur Entwicklung des hochautomatisierten und autonomen Fahrens verstärkt“, sagte Christian Senger, verantwortlich für MaaS/TaaS und Autonomous Driving.
Mehr Level 2 und 3 ab 2023
Im Pkw-Segment für Privatkunden soll die Entwicklung in der Automated Driving Alliance mit Bosch weiter vorangetrieben werden. Auch VW will Funktionen bereitstellen, bei denen Fahrer die Hände zeitweise explizit vom Lenkrad nehmen können. Der Konzern spricht von fortgeschrittenen Fahrerassistenzsystemen nach Level 2 für Stadt, Land und Autobahn sowie einem System, bei dem das Fahrzeug gemäß Level 3 die komplette Fahraufgabe auf der Autobahn übernimmt. Erste Funktionen sollen 2023 implementiert werden.