Overwatch 2: Blizzard frustriert Spieler mit horrenden Ingame-Kosten
Am 4. Oktober 2022 hat Blizzard einen seit vielen Jahren beliebten, teambasierten MMO-Shooter gelöscht, um mit Overwatch 2 nebst einiger Gameplay-Anpassungen hin zum Scoreboard-Shooter vor allem ein neues Konzept der offensiveren Monetarisierung zu etablieren. Nach anfänglicher Euphorie gibt es nun Frust. Eine Bestandsaufnahme.
Overwatch 2 monetarisiert das Spiel neu und gewöhnt an Pay to Win
Bald einen Monat ist Overwatch 2 nun im Early Access ohne den einst angekündigten PvE-Teil spielbar, diese Woche ging das Halloween-Event online. Anstelle der Freude über neue Inhalte macht sich bei zahlreichen Spielern aber in erster Linie Enttäuschung, Unverständnis und Wut breit: Nicht die knappe Halloween-Mission sei gruselig, sondern der Blick in den Ingame-Shop. Die maßgeblich angezogene Monetarisierung des Spiels trübt die Gemüter ebenso wie die Trauer über verloren gegangene Gameplay-Inhalte, das Missfallen gravierender Balancing- und Progressions-Anpassungen und der Ärger über technische Probleme. Aber der Reihe nach.
Lootboxen weichen einem Battle Pass
Mit dem Schritt zu Overwatch 2 lässt Blizzard die beinahe ikonischen Lootboxen aus dem ersten Teil hinter sich. Stattdessen steht ein Battle Pass im Zentrum des neuen Verkaufsmodells, der in erster Linie kosmetische Inhalte, aber auch – je nach Season – neue Helden beinhaltet. In der hinteren Hälfte des Passes, versteht sich. Es gibt, wie üblich, eine kostenlose Variante, die lediglich alle paar Level mit geringfügigen kosmetischen Dreingaben lockt und eine kostenpflichtige Premium-Variante, die über sämtliche 80 Stufen mitunter wesentlich begehrtere Inhalte bietet und alle zwei Monate für jede neue Season rund 10 Euro kostet. Zusätzlich lässt sich eine schnellere Progression gegen weiteres Geld erwerben.
Der Preis liegt einerseits, im Vergleich mit konkurrierenden Games-as-a-Service-Titeln, verhältnismäßig niedrig. Andererseits muss angemerkt werden, dass sich der Battle Pass nicht refinanziert: Auch, wer die Premium-Variante komplett durchspielt, erhält keine Währung, um den Pass der nächsten Season zu erwerben. Zahlreiche kosmetische Inhalte werden somit praktisch exklusiv hinter eine Bezahlschranke geschoben, wohingegen in Overwatch 1 sämtliche Inhalt spielerisch freischaltbar waren.
Ein Hauch von Pay to Win liegt in der Luft
Darüber hinaus geht mit der Bereitstellung von Helden auf Stufe 55 ein Hauch von Pay to Win einher, weil Premium-Käufer die neuen Charaktere sofort freischalten und nicht erst wochenlang grinden müssen. Und neue Helden sind in Overwatch klassischerweise in den ersten Monaten nach Release overpowered, um zum Ausprobieren zu animieren und eine etwaige etablierte Meta-Spielweise zu brechen. Außerdem sind neue Helden nach dem Ende einer Season erst einmal nicht mehr freischaltbar; bleiben also den Spielern vorbehalten, die entweder Geld bezahlt oder in den entsprechenden zwei Monaten viel Spielzeit investiert haben. Zwar werden alle Helden auch später noch einmal verfügbar werden, beschwichtigt Blizzard, aber eben unter anderem im Shop. Käuflich mit Overwatch Coins.
Es handelt sich um eine mit Overwatch 2 eingeführte neue Premium-Währung, die in erster Linie gegen bares Geld erhältlich ist. Hier schafft Blizzard folglich einen Präzedenzfall: Erstmals gibt es in Overwatch – zumindest temporär – spielerische Vorteile gegen Geld. Aber auch Skins und weitere kosmetische Inhalte müssen in Zukunft mit dieser Währung erworben werden, falls sie nicht über den Battle Pass angeboten werden. Die durch Lootboxen erhältlichen Overwatch Credits aus dem ersten Teil wiederum gelten fortan als Legacy Credits – sie lassen sich für bestimmte Käufe noch ausgeben, falls verfügbar; aber nicht mehr verdienen.
Hohe Preise für alte Inhalte sorgen für Unmut
Die Sache hat aber einen Haken: Blizzard hat die Preise für alte Skins und weitere kosmetische Inhalte mit dem Release von Overwatch 2 nahezu verdoppelt. Außerdem sind viele Inhalte lediglich im Rahmen von zeitlich limitiert angebotenen Bundles mit reichlich Beifang erhältlich – eine mittlerweile übliche Strategie, um die Preise künstlich weiter zu erhöhen. Und diese haben es in sich: Zwischen 1.900 und 2.600 Overwatch Coins müssen Spieler in Overwatch 2 für einen legendären Skin zahlen. Die Umrechnung ist dabei recht einfach, die Preise belaufen sich auf 19 bis 26 Euro. Das ist vielen Spielern zu teuer. Dass die folglich – auch im Vergleich mit anderen Games-as-a-Service-Titeln – hohen Kosten mitunter nicht einmal optisch besondere Skins mit sich bringen, sorgt für weitere Empörung.
Als besonders unverschämt gelten in der Spielerschaft die Preise, die im Rahmen des Halloween-Events für thematisch abgestimmte Skin-Bundles aufgerufen werden: Blizzard verlangt für vier alte, bereits mit Overwatch 1 eingeführte Skins 44 Euro und preist das Angebot gar mit einem Rabatt um 42 Prozent – obwohl der Preis nie höher war. Overwatch 1 selbst war die meiste Zeit über günstiger als vier Overwatch-1-Skins in Overwatch 2. Dass eine derartige, vermeintliche Rabattierung überdies in zahlreichen Ländern eigentlich gesetzlich untersagt ist, wie Spieler auf Reddit anmerken, sorgt für Hohn und Spott.
Overwatch Coins lassen sich quasi nicht erspielen
Overwatch Coins können zwar grundsätzlich auch erspielt werden, weswegen auf den ersten Blick und auf dem Papier auch durch bloßes Spielen weiterhin alles freischaltbar bleibt. Es gibt aber – mal wieder – einen Haken, und der ist ziemlich groß: Die Coins sind ausschließlich über das Absolvieren wöchentlicher Herausforderungen spielerisch erhältlich. Werden alle elf Challenges einer Woche abgeschlossen, gibt es mickrige 60 Overwatch Coins als Belohnung. Selbst wenn Spieler also jede Woche alle Herausforderungen meistern, dauert es über acht Monate, bis ein einziger legendärer Skin freigeschaltet werden kann. In Overwatch 1 hingegen gab es einen legendären Skin im Durchschnitt in jeder vierzehnten Lootbox, die nach ein bis zwei Abenden Spielzeit verdient waren.
Aber das Zahlenspiel lässt sich noch weiter treiben: Wer in Overwatch 2 alle kosmetischen Inhalte für einen einzigen Lieblingshelden freispielen will, ist mitunter über zehn Jahre mit dem Abschließen wöchentlicher Herausforderungen beschäftigt. Vorausgesetzt, Spieler geben in der Zwischenzeit keinen einzigen Overwatch Coin aus. Und falls das Ziel lautet, alle kosmetischen Inhalte freizuspielen, die bereits mit Overwatch 1 eingeführt wurden, ist das fortan nicht mehr in einer Lebenszeit zu erreichen. Alternativ bittet Blizzard mit 12.080,69 Euro zu Kasse, wie ein Reddit-Nutzer ausgerechnet hat. Für Inhalte, die nicht einmal neu mit Overwatch 2 kamen.
Ein Skin für 26 Euro
Ein weiteres Beispiel gibt ein legendärer Halloween-Skin für die neue Support-Heldin Kiriko: Die Verkleidung als Hexe ist lediglich im Bundle mit zusätzlichen kosmetischen Inhalten gegen Geld erhältlich. Und zwar ausschließlich: Selbst Spieler, die seit dem Release von Overwatch 2 jede Woche fleißig sämtliche Herausforderungen absolvieren, haben bislang lediglich 240 Coins verdient. Das Bundle kostet aber 2.600 Coins, ist also selbst für die besonders motivierten Spieler erst zum nächsten Halloween-Event im Jahr 2023 freischaltbar. Es sei denn, Spieler zahlen 26 Euro.
Overwatch 2 sei kein neues Spiel, sondern eine Preissteigerung
Der Frust sitzt folglich tief in der Overwatch-Community. Vor allem bei denjenigen Spielern, die viele Jahre mit dem ersten Teil verbracht haben und hinsichtlich kosmetischer Inhalte eine vergleichsweise freundlich gestaltete spielerische Progression gewöhnt waren. Diese ist mit Overwatch 2 jedoch ohne den Einsatz von Geld mehr oder minder unmöglich geworden. Viele Spieler fühlen sich durch tägliche, wöchentliche und saisonale Herausforderungen, Doppel-XP-Wochenenden sowie den Battle-Pass-Grind darüber hinaus gegängelt und zum täglichen Spielen genötigt.
Overwatch 1 wird bereits vermisst
Besonders brisant ist in diesem Kontext jedoch, dass eben nicht – wie es sonst bei neuen und missfallenden Serienablegern möglich ist – die Option besteht, weiterhin Overwatch 1 zu spielen. Der Titel, für den Spieler einst Geld gezahlt haben, ist schlicht und ergreifend nicht mehr existent. Blizzard zwingt seine eigenen Stammspieler zu Overwatch 2. Nicht nur, um einer Aufteilung der Kundschaft vorzubeugen, weil womöglich sehr viele Spieler mit dem neuen Balancing, dem Wegfall eines Tank-Helden pro Team in klassischen Spielmodi, dem Entfallen eines gesamten Spielmodus mit zahlreichen Karten – tatsächlich bietet Overwatch 2 de facto weniger Karten als Overwatch 1 –, dem Wegfall des On-Fire-Features oder dem Verschwinden der verdienten Level nicht d'accord sind. Sondern auch, um die verdoppelten Ingame-Preise und den praktischen Wegfall der spielerischen kosmetischen Progression durchzusetzen, lautet der Vorwurf.
Overwatch 2 sei in vielerlei Hinsicht ein sehr undankbares Spiel, wird überdies angemerkt. Durch die fehlende selbstbestimmte kosmetische Progression fehlt vielen Spielern schlicht und ergreifend die Motivation zum Grind – insbesondere das diesjährige Halloween-Event, im Rahmen dessen kein einziger neuer Skin freispielbar ist, stehe im starken Kontrast zu früheren Events in Overwatch 1, die stets neue Anreize durch freispielbare Inhalte brachten. Dass Overwatch 2 hingegen nach einem gespielten Match keine Medaillen mehr vergibt und keine Levelaufstiege erfolgen, mit denen Lootboxen einhergingen, sorge überdies für merklich weniger positive Bestätigung. Gleiches gelte für die Verschlankung des Anerkennungs-Systems: Es gibt keine Kategorien mehr und angezeigt wird das Empfehlungslevel wesentlich weniger prominent. Und eine Gruppensuche oder die Option, nach einem gewonnenen Match mit dem eigenen Team gemeinsam weiterzuspielen, gibt es auch nicht mehr.
Aufgrund all dessen wird Overwatch 2 nicht als tatsächliches Sequel, sondern lediglich als Deckmantel für eine vollständige Remonitarisierung von Overwatch 1 gesehen: Blizzard wolle die bestehende, große Spielerschaft für Inhalte zur Kasse beten, die es bisher gegen Spielzeit gab, ohne zu diesem Zweck ein neues Spiel zu entwickeln, beschweren sich Spieler. Die Kritik liegt auf der Hand: Overwatch 2 besteht abseits des geänderten Verkaufsmodells im Kern lediglich aus drei neuen Helden, einer Handvoll neuer Karten und einigen Balancing-Änderungen. Das sind alles Dinge, die es in Overwatch 1 ohnehin im Laufe eines oder zweier Jahre gab, bevor die fortlaufende Entwicklung des ersten Teils im Jahr 2019 zugunsten von Overwatch 2 auf das Niveau einer simplen Produktpflege heruntergefahren wurde. Blizzard habe eine künstliche Zäsur geschaffen, so lautet der Vorwurf, um in der Euphorie eines neuen Spiels eklatante Preiserhöhungen durchzusetzen.
Neues Verkaufsmodell ist laut Blizzard fairer
Der Publisher und Entwickler hingegen verkauft die Abkehr von Lootboxen und die neue Monetarisierung mit Battle Pass als kundenfreundliche Entwicklung. Spieler bekämen im Shop fortan genau das, was sie sehen; ganz ohne Zufallsmechaniken. Und ja, das stimmt, geben die kritischen Spieler zu verstehen, argumentieren aber: Bekommen lassen sich die Inhalte mehr oder minder nur noch gegen Geld – also nütze die vermeintliche neue Fairness nichts, wenn Spieler nicht regelmäßig zahlen wollen. Außerdem seien die Preise vergleichsweise hoch und der nicht refinanzierende Battle Pass unverschämt.
Blizzard taumelt von Skandal zu Shitstorm
Im breiter gefassten Kontext springen derweil die Parallelen zu Diablo Immortal ins Auge. Das Spiel dient bei Blizzard letztlich dem Zweck, die Marke Diablo finanziell auszuschlachten – auf Kosten der Reputation als gutes Entwicklerstudio und Garant für hochkarätige Spiele. Wahrscheinlich, so mutmaßt die Overwatch-Community, hat der Publisher mit Overwatch 2 exakt das gleiche Ziel verfolgt. Und so wie Diablo Immortal mit Gacha-Mechaniken und Pay to Win ein voller Erfolg ist, verspricht auch Overwatch 2 für Blizzard eine gelungene Remonitarisierung zu werden.
Diesbezügliche Kritik an Overwatch 2 steht allerdings nicht auf einsamem Posten, es hapert auch abseits dessen. Einerseits wird der Titel von technischen Problemen geplagt; noch immer sind die Server regelmäßig überlastet. Es dauert mitunter eine halbe Stunde, um nach dem Starten des Spiels überhaupt ins Menü zu kommen. Zu Stoßzeiten kommen Matches nicht zustande, was mit verschiedensten Fehlermeldungen quittiert wird. Und Ping-Messungen von teils über 1.000 Millisekunden machen kompetitives Spielen de facto unmöglich. Darüber hinaus kommt es bei einigen Spielern zu Abstürzen, unerklärlichen Rucklern oder Grafikfehlern. Mehrere Helden oder Karten wurden spontan entfernt, weil Blizzard auf gravierende Bugs und Glitches aufmerksam gemacht wurde. Spieler monieren überdies eine mangelhafte Kommunikation zu alldem.
Dass an Activision Blizzard derart heftige Kritik geübt wird, ist inzwischen als Normalzustand anzusehen. Bereits vier Jahre ist es her, dass zur Hausmesse BlizzCon 2018 Diablo Immortal als Mobile-Game angekündigt wurde; Buhrufe und Spott waren die Folge. Ein Jahr später sorgte die Kontroverse um einen Hearthstone-E-Sportler im Rahmen der Hongkong-Proteste für negative Schlagzeilen. Es folgten mehrere Sexismus- und Belästigungsskandale sowie eine Rücktrittswelle. Ende 2021 wurden Angestellte unter Druck gesetzt, keinen Gewerkschaften beizutreten. Dass zwischen alldem jede Menge enttäuschende Neuvorstellungen und Verschiebungen lagen, war fast schon vergessen, als im Mai 2022 schließlich ein skurriles Diversity-Ranking für negative Schlagzeilen sorgte. Und dann kam Diablo Immortal. Kritik an der Verkaufsstrategie in Overwatch 2 steht somit in bester Gesellschaft.
Manch einer begegnet der neuen Blizzard-Realität wiederum sogar mit Humor: Immerhin sei der Pachimari-Schlüsselanhänger im Blizzard-Gear-Shop günstiger als das virtuelle Pendant für die Overwatch-2-Waffe, scherzt ein Reddit-Nutzer.