Die Siedler: Ubisofts RTS-Irrfahrt wird zum Schrecken ohne Ende
Die Siedler hat weiterhin keinen Release-Termin, es bleibt offensichtlich weiterhin bei der Ummünzung vom Aufbaustrategiespiel zum Echtzeitstrategiespiel und Betatester sowie Fans der Serie legen noch immer Missmut an den Tag. Die Entwicklung schreitet offenbar schleppend voran, wie der Blick auf die Test-Server-Updates zeigt.
Vier Jahre nach der Ankündigung liegt die Vision ferner denn je
Noch immer lässt Ubisoft das Düsseldorfer Blue-Byte-Studio an Die Siedler arbeiten – über vier Jahre, nachdem der Serien-Reboot zur Gamescom 2018 vorgestellt wurde. Aus einer geplanten Veröffentlichung im Herbst 2019 wurde nichts und auch die Verschiebung ins folgende Jahr konnte nicht gehalten werden. Anfang 2021 gab es dann einen Beta-Test, bei dem schnell klar wurde, dass das eigentliche Aufbaustrategiespiel zu einem Pseudo-RTS weichgespült wurde – die Reaktion der allermeisten Betatester sowie Kritiker waren Fassungslosigkeit, Enttäuschung und mitunter Wut. Ubisoft teilte daraufhin im März knapp mit, dass „die Qualität [des Spiels] noch nicht mit der Vision des Teams übereinstimmte“. Auch mit Volker Wertichs Vision stimmte das Spiel offensichtlich nicht mehr überein – der Serienvater verließ die Entwicklung, weil er Ubisofts neuen Ansatz nicht gutheißen wollte. Die Siedler wurde zum dritten Mal verschoben, bis „auf einen späteren Zeitpunkt“.
Auch Ende des Jahres ist dieser Moment noch nicht gekommen, immerhin gibt es aber in regelmäßigen Abständen Einblicke und Updates zum technischen Test-Server – es handelt sich um eine Art Closed-Beta-Programm, im Rahmen dessen ausgewählte Spieler die Entwicklung des Titels begleiten können. Und es zeigte sich: Auch nach der massiven Entrüstung der Siedler-Fans hält Ubisoft am RTS-Spielkonzept fest. Und noch immer schimpfen die Betatester und Fans unter jedem neuen Blogeintrag auf Ubisoft ein, zuletzt bei einem Einblick in das neue Forschungssystem und erst gestern im Kontext des Test-Server-Updates Nummer 6.
Damit einher geht in etwa ein neuer „Extrem-Modus“, in dem Spieler gegen Wellen von anstürmenden Feinden kämpfen können. Außerdem sollen Ingenieur-Einheiten fortan nicht immer den kürzesten Weg zur Baustelle wählen, sondern nach Möglichkeit auf eigenem Terrain reisen – ein Problem, das schon zur Closed Beta im Januar 2022 bekannt war. Und schließlich soll es fortan möglich sein, Mehrspielerpartien als Beobachter beizuwohnen. Mehr hat sich in den vergangenen 14 Tagen anscheinend nicht getan – die Entwicklung schreitet mutmaßlich nur noch sehr stockend voran, was in den Kommentaren reichlich Spott hervorruft sowie für Mitleid mit den Entwicklern sorgt, zumal zwei der drei Anpassungen in einem klassischen Die Siedler ohnehin nichts verloren hätten.
Fans der Serie sind frustriert und Ubisoft resigniert
Das Spiel entferne sich immer weiter von dem Konzept, das im Jahr 2018 angekündigt wurde und das sich Fans der Serie wünschen, heißt es gemeinhin. Die Betatester sind zumeist „massiv enttäuscht“, Ubisofts Vorgehen wird als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Stattdessen wird immer wieder auf eine verzweifelte Petition auf change.org verwiesen, das Spiel ein weiteres Mal komplett umzukrempeln. Andere haben eingesehen, dass in dieser Hinsicht Hopfen und Malz verloren sind und versuchen in ihrer Resignation zumindest Ratschläge zur Entwicklung eines besseren RTS zu geben. Ubisoft bemüht sich nicht einmal mehr um Schadensbegrenzung – die Kommentare erscheinen gänzlich unmoderiert; auf die Rückmeldung und Anmerkungen der Spieler eingegangen wird seitens Publisher oder Entwickler in der Regel nicht.
Was das für Die Siedler letztlich bedeutet, steht in den Sternen. Mittlerweile kann es als nicht unwahrscheinlich angesehen werden, dass das Spiel nicht nur niemals als Aufbaustrategiespiel erscheinen, sondern gar in überhaupt keiner Art und Weise auf den Markt kommen wird. Ohnehin würden sie Ubisofts Neuinterpretation nicht einmal gegen bares Geld spielen, kommentieren einige Nutzer. Manch einer wünscht sich die Einstellung oder endgültige Umbenennung des Spiels, getreu dem Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Bei Ubisoft lief zuletzt nichts mehr rund
Ubisoft hatte auch abseits der Siedler-Thematik zuletzt mit zahlreichen Fehlschlägen und Pannen zu kämpfen. Da das bereits im Vorfeld um Jahre verzögerte Arcade-Piratenspiel Skull and Bones abermals verschoben wurde – diesmal bis in den März 2023 – und nicht, wie geplant, am 8. November erschienen ist, stellt das zusammen mit Nintendo produzierte Mario + Rabbids: Sparks of Hope, das am 20. Oktober exklusiv für die Switch erschienen ist, Ubisofts einzige größere Neuerscheinung im zweiten Halbjahr dar. Im Sommer startete lediglich Roller Champions, wobei Ubisoft Ende Juli Gerüchte um eine baldige Einstellung zwar dementierte, aber weitere Verzögerungen bei neuen Inhalten einräumen musste.
Vor einigen Monaten wurde indes bekannt, dass das Open-World-Action-Adventure Avatar: Frontiers of Pandora um bis zu eineinhalb Jahre verschoben wird, während vier Entwicklungen bereits vor ihrer Veröffentlichung eingestellt wurden. Im Herbst werden außerdem die Online-Dienste von 15 älteren Ubisoft-Spielen eingestellt. Auch die Remake-Neufassung von Prince of Persia: The Sands of Time hat nach einigen Verzögerungen derzeit keinen Releasetermin. Bereits Ende 2021 wurde darüber hinaus bekannt, dass Ubisoft mit einem gravierenden Mitarbeiterschwund zu kämpfen hat, der in einer Kette von internen Belästigungsskandalen, fehlender Aufarbeitung und einem kruden Krisenmanagement wurzelt.
All das hinterließ seine Spuren: Im Sommer 2018 kulminierte die Ubisoft-Aktie bei rund 100 Euro, seitdem geht es abwärts. Derzeit ist das Wertpapier zum Stückpreis von rund 27 Euro erhältlich. Auch die 300 Millionen Euro schwere Finanzspritze des chinesischen Investors Tencent konnte daran nichts ändern. Tencent hält inzwischen über 11 Prozent an Ubisoft SA.