Kommentar: Hardware (zu Preisen) jenseits jeglicher Vernunft
Klimawandel, Pandemie, Krieg und Wirtschaftskrise – all das sollte reichen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sparsamer zu leben. In solchen Zeiten wird der Gaming-PC zum Luxusgut. Und wie reagiert die PC-Branche? Mit immer extremeren Features, mehr Zubehör und mehr LEDs zu deutlich gestiegenen Preisen.
Wer heute auf die neuen Desktop-PC-Plattformen von AMD und Intel umsteigen will, muss tief in die Tasche greifen. Die CPUs liefern zwar ordentlich mehr Leistung, sind gemessen an den Vorgängern aber kostspieliger geworden und ziehen ab Werk mehr Strom aus der Steckdose. Der Wettstreit um den längsten Balken in den Benchmark-Diagrammen fordert hier seinen Tribut. In Zeiten, in denen Geld knapp ist und Energie teuer, passt das nicht ins Bild.
Noch viel schlimmer sieht es bei den Mainboards und Grafikkarten der neuen Generation aus, denn hier gibt es beim Preis nur noch eine Richtung: steil nach oben.
Zum Launch der AM5-Mainboards gibt es kaum ein Modell für weniger als 300 Euro und auch bei Intels Z790-Boards sieht es nicht anders aus. Zugegeben: Die Boards strotzen nur so vor schnellen Schnittstellen wie PCIe 5.0, USB4 oder High-Speed-Netzwerk (drahtlos mit Wi-Fi 6 oder kabelgebunden mit 10 GbE). All dies erhöht die Kosten, das ist keine Frage. Ohnehin sind elektronische Bauteile teurer geworden – wie auch alles andere.
Ein OLED-Display auf dem Board? Geil, muss man haben! Aber bitte jetzt noch eine Nummer größer!!!
Doch abseits der noch logischen Weiterentwicklung mit praktisch nutzbaren Features nimmt das Drumherum mit optischem Schnickschnack oder extrem aufgeblasener Overclocking-Ausstattung Ausmaße an, die so gar nicht zum Weltgeschehen mit immer knapperen Ressourcen passen. Das macht selbst vor dem Gewicht durch den Einsatz gigantischer Kühler auch an weniger sinnvollen Positionen oder Backplates nicht halt. Doch der Kunde soll für 700 Euro schließlich auch etwas in der Hand haben, da kommt viel Metall gerade recht.
Wie kann man mit nur 10 VRM-Phasen überhaupt noch den Rechner starten? Ich will jetzt mindestens 26 davon, um dann meine CPU wegen der hohen Stromkosten im Eco-Modus zu undervolten!!
Sind wir denn alle Profi-Overclocker, die sich morgens schon den flüssigen Stickstoff in den Kaffee kippen?! Mal ehrlich, wer braucht denn sowas alles wirklich?
Für mich bewegen sich die PC-Komponenten inzwischen oftmals jenseits jeglicher Vernunft. Extreme Preise, extremer Schnickschnack, extreme Ressourcenverschwendung – was soll das?
Und auch ohne mehr RGB-LEDs oder Beigaben im Lieferumfang steigen die Preise weiter an. Nvidias Flaggschiff RTX 4090 kostet mittlerweile als FE knapp 2.000 Euro, nicht nur weil der Euro schwach steht, sondern weil auch der UVP in USD weiter gestiegen ist. Zugleich verbraucht die Grafikkarte zwar nicht so viel wie zuvor befürchtet, aber mit bis zu 450 Watt dennoch noch mehr als vor 10 Jahren ein ganzer Spiele-PC. Darunter oder bei der Konkurrenz läuft es auch nicht anders.
Die RTX 4080 folgt mit einem Preis von fast 1.500 Euro, während es die alte 80er offiziell für deutlich unter 1.000 Euro gab (UVP in USD: 1.199 vs. 699 USD). Und AMD belässt den Preis des Radeon RX 7900 XTX getauften Topmodells in US-Dollar vor Steuern zwar auf dem Niveau von „nur“ 999 US-Dollar, die zweite Karte im Stall nennt sich nun aber 7900 XT und nicht mehr 7800 XT und kostet in Zukunft 899 statt 649 USD wie noch die 6800 XT. Dabei standen sich 6900 XT und 6800 XT in Sachen GPU-Ausbau und Speicher näher, als es in Zukunft 7900 XTX und 7900 XT tun. „Upselling“ soweit das Auge reicht.
Wer soll das noch zahlen? Ich will das nicht und stehe damit bei weitem nicht alleine, wie zuletzt eine Sonntagsfrage zur preislichen Schmerzgrenze beim Gaming-PC auf ComputerBase gezeigt hat.
Meine 200-Euro-RGB-Tastatur, meine federleichte pinke Carbon-Lochmaus und mein 150-Watt-Monitor in TV-Größe strahlen noch nicht hell genug, also könnten es nicht vielleicht noch ein paar Leuchtstreifen mehr in meinem dekadenten Glas-Aluminium-Tower sein??
Wurden die Zeichen der Zeit also nicht erkannt? Wird am Markt vorbei entwickelt? Oder muss die Antwort der Hersteller auf die Wirtschaftskrise genauso ausfallen? Denn wenn schon weniger Hardware verkauft wird, dann soll das, was verkauft wird, wenigstens hohe Margen bringen. Für mich persönlich geht die Rechnung nicht auf.
Die Hoffnung stirbt allerdings bekanntlich zuletzt und zumindest sind jetzt etwas günstigere Mainboards mit den „kleineren“ Chipsätzen und weniger Pipapo angekommen. Auf DDR5 könnte man an anderer Stelle auch erst einmal getrost verzichten. Und eine Grafikkarte aus dem Abverkauf der letzten Generation ist einigermaßen erschwinglich und genügsam. Aus dem Thema „Aktuelle High-End-Komponenten“ bin ich hingegen raus.
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