Mikrotransaktionen: Mercedes macht EQ-Modelle per Abo schneller
Die Zukunft der Automobilbranche ist digital und elektrisch. Fahrzeuganbieter orientieren sich deshalb stärker an der Tech-Industrie, nun auch beim Vertriebsmodell: Autos werden zu Plattformen für weitere Verkäufe. Wer bei Mercedes mehr Leistung in einem EQ möchte, kann dafür 1.200 US-Dollar zahlen – und zwar dank Abo pro Jahr.
Für den mindestens 66.400 Euro teuren EQE, der die E-Variante einer E-Klasse sein soll, sowie das bei rund 109.500 Euro startende Äquivalent der S-Klasse (EQS) bietet Mercedes in den USA im eigenen Shop einen „Acceleration Increase“ an. Für einen Preis von 1.200 US-Dollar im Jahr zuzüglich Steuern, umgerechnet etwa 1.370 Euro inklusive Mehrwertsteuer, erhalten Abokunden mehr Drehmoment und Leistung in ihrem Fahrzeug.
Die Leistung steigt zwischen 20 Prozent und 24 Prozent. Im Basismodell EQE 350 bedeutet dies eine Steigerung von 215 kW auf 260 kW, womit ein Zwischenschritt zur nächst größeren Leistungsstufe der Serie erreicht würde. Beim EQS 450 kann die Leistung von von 265 kW auf 330 kW gesteigert werden, was der nächststärkeren Motorisierung entspricht.
Dies, wirbt Mercedes, sei ein spürbarer Vorteil: „Beschleunigung, die du spüren kannst“, heißt es auf der Produktseite, denn für den Spurt von 0 Meilen auf 60 Meilen vergehen nach Kauf des Abo-Upgrades 0,8 Sekunden bis 1,0 Sekunden weniger.
Mercedes nicht alleine, aber am teuersten
Aus der Beschreibung geht nicht hervor, warum Mercedes für etwas eine monatliche Gebühr erhebt, das lediglich Software-Parameter verändert und offenbar vorhandene Leistungsreserven aktiviert, also weder individuell abgestimmt noch live beobachtet wird. Besonders kritikwürdig erscheint, dass diese Kaufoption Kunden der teuersten Fahrzeugklassen angeboten wird, deren Basispreis durch ein Dickicht von Ausstattungsvarianten mit gegenseitigen Abhängigkeiten und vielen wesentlich erscheinenden, aber zum Extra erhobenen Optionen noch deutlich weiter steigt.
Die Kalkulation dürfte indes eine andere sein: Wer so viel Geld ausgibt, für den fällt eine solche Summe in Relation nicht mehr stark ins Gewicht. Mit dieser Haltung ist Mercedes bei weitem nicht alleine: Autos mit Mikrotransaktionen und Abo-Modellen auszustatten, die vorhandene Hardware freischalten, wird auf breiter Front forciert. Mercedes möchte lediglich am bislang stärksten in die Geldbörse greifen. Tesla bietet etwa den Autopiloten als Abo an, BMW hingegen verkauft Zugriff auf die Sitzheizung als Abo, das bei 17 Euro im Monat startet, aber immerhin auch eine unbefristete Option enthält.
Probleme in der Zukunft
Im Grunde wird mit solchen Angeboten für bereits verkaufte und vorhandene Hardware Geld verlangt, also eine Art künstliches Gating betrieben. Man mag nur hoffen, dass diese Ideen nicht auch in den Techmarkt zurückschwappen und bald Angebote der Art „100 MHz Mehrtakt für 10 Euro im Monat“ auftauchen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit solche Systeme nachhaltig und zukunftssicher sind, wenn sie von der Funktion von Servern und Protokollen abhängig sind, die veralten können oder deren Betrieb als unrentabel eingestuft wird – sie bergen in geringer Übertreibung die Gefahr, den Zugriff auf Eigentum vom Wohlwollen eines Unternehmens abhängig zu machen. Videospieler können davon ein Lied singen.