Netzetag 2022: Telekom will FTTH-Ausbau und 5G-Netz beschleunigen
Die Deutsche Telekom hat ihre selbst gesteckten Ziele für den FTTH-Ausbau in Deutschland nach oben angepasst. Ab 2024 soll eine Steigerung neu angebundener FTTH-Haushalte von 3 statt 2,5 Millionen pro Jahr erreicht werden. Bis 2030 seien 25 bis 30 Millionen eigens versorgte Haushalte geplant, gemeinsam mit dem Wettbewerb alle.
Die Telekom gibt Gas beim Glasfaser- und FTTH-Ausbau und hat die eigenen Vorgaben zum heutigen Netzetag in Bonn angepasst. In den neuen Zahlen ist eine Korrektur nach oben zu erkennen.
900.000 FTTH-Anschlüsse müssen her
Zunächst einmal gibt es für das noch aktuelle Jahr eine Zielsetzung von 2 Millionen zusätzlichen FTTH-Anschlüssen. Laut eigenen Angaben kamen in 2020 rund 600.000 Anschlüsse hinzu, in 2021 dann 1,2 Millionen und für 2022 wird eine weitere Steigerung um 2 Millionen angestrebt. Dafür muss die Telekom das Tempo aber deutlich anziehen, denn Stand 10. November waren es erst 1,1 Millionen Neuanschlüsse mit FTTH dieses Jahr, wie Golem aus einem Gespräch mit Unternehmenschef Tim Höttges zitiert. In einem Zeitraum von rund 8 Wochen müssten also 900.000 FTTH-Anschlüsse hinzukommen, deutlich mehr als das bisherige Ausbautempo hergibt.
„Zum Jahresende 2022 vergrößert die Telekom ihre Glasfaserreichweite auf insgesamt 5,2 Millionen Anschlüsse“, heißt es in einer Pressemitteilung von heute. Höttges sprach Mitte November noch von „4,5 Millionen Homes Passed“, sodass die neue Zahl von heute für ein Plus von 700.000 Anschlüssen steht. Der Telekom würden zum eigenen Ziel damit aber 200.000 FTTH-Anschlüsse fehlen. Eine Sprecherin erklärte auf Nachfrage: „Die Anschlusszahlen 2022 werden wir erreichen.“ Der Hochlauf der Ausbaumengen finde saisonal bedingt vor allem in der zweiten Jahreshälfte statt. Insgesamt werde die Telekom bis 2030 in Deutschland rund 30 Milliarden Euro allein für den Glasfaserausbau ausgeben.
Bis zu 3 Millionen FTTH-Anschlüsse ab 2024
War bislang ab dem Jahr 2024 von einem abermals gesteigerten Ausbautempo von 2,5 Millionen Haushalten pro Jahr die Rede, sollen ab übernächstem Jahr jetzt „bis zu“ 3 Millionen Haushalte pro Jahr FTTH erhalten, hieß es zum Netzetag 2022. 2024 soll die Marke von insgesamt 10 Millionen Haushalten mit FTTH-Anschluss durchbrochen werden. Im März 2021 hieß es im Rahmen eines Netz-Updates, dass unter Einbeziehung der Mitbewerber bis 2030 alle Haushalte in Deutschland einen FTTH-Anschluss haben sollen. Heute war von 25 Millionen bis 30 Millionen eigenen FTTH-Anschlüssen bis 2030 die Rede, bei aktuell knapp 41 Millionen Haushalten in Deutschland.
Telekom stellt Glasfasertechniker ein
Um diesen Zielen näher zu kommen, braucht es mehr Glasfasermonteure. In der sogenannten Fiber Factory der Telekom soll deren Anzahl um 50 Prozent nach oben geschraubt, insgesamt 1.000 neue Glasfaserexperten eingestellt werden, der Großteil für den Bereich Montage. Im Rahmen des Netzetags demonstrierte ein Mitarbeiter, wie das Spleißen der Glasfaser abläuft und erklärte, dass ein Mitarbeiter pro Tag etwa drei bis vier Haushalte schaffe, da rund zwei Stunden Installationszeit pro Haushalt anfallen würden.
Hälfte der FTTH-Anschlüsse aus Kooperationen
Bei ihrer Ausbaustrategie geht die Telekom nicht alleine vor, wie mehrere realisierte Joint Ventures zeigen, etwa mit dem IFM Global Infrastructure Fund vor rund einem Jahr. Diese Strategie will der Konzern auch weiterhin fahren und den Anteil der durch Kooperationen vermarktbaren Haushalte von derzeit 1 Million auf rund 5 Millionen bis 2024 steigern. Ergo würde rund die Hälfte der geplanten FTTH-Anschlüsse durch Kooperationen realisiert werden. Dabei vertraut die Telekom neben Joint Ventures wie mit IFM oder EWE auch auf den Zugang zu Glasfasernetzen von Stadtwerken und regionalen Anbietern sowie auf Bitstream-Access-Wholebuy etwa bei Wilhelm.tel. Konkret werden 134.000 FTTH-Anschlüsse in Bochum mit Glasfaser Ruhr, die erste Anbindung von Kunden bei den Stadtwerken Münster sowie 120 Kommunen mit 260.000 Haushalten in der Region Stuttgart genannt.
Telekom fordert Steuererleichterung für Glasfaserausbau
Für den eigenen Ausbau verlangt der Netzbetreiber abermals einfachere und schnellere Genehmigungen auch für alternative Verlegemethoden wie Micro-Trenching oder das oberirdische Verlegen von Kabeln, wie es etwa in Barcelona häufig anzutreffen ist. „Wir brauchen Unterstützung bei Zugang, Genehmigungen und alternativen Methoden“, hieß es zum Netzetag. Kommt hingegen der klassische Tiefbau zum Einsatz, sieht man sich dennoch gut aufgestellt, weil der Konzern vorausschauend geplant habe und die derzeitige Teuerung in praktisch allen Bereichen damit teils abfedern könne. Für 60 Prozent bis 80 Prozent des Ausbaus bis 2023/2024 habe man sich vorab Tiefbaukapazitäten sichern können. Das Unternehmen merkt dennoch an, dass die Teuerung beim Tiefbau von 5 Prozent bis 20 Prozent in den vergangenen Monaten eine Herausforderung sei. Trotzdem habe man eine bessere Ausgangsposition als die meisten Mitbewerber. Viel Geld könne über alternative Verlegemethoden gespart werden, außerdem warf die Telekom Steuererleichterung für den Glasfaserausbau in den Raum.
5G für 94 Prozent der Bevölkerung, 90 Prozent der Fläche
Auch im Mobilfunknetz der Telekom ist Bewegung. Heute gab der Konzern insgesamt über 80.000 Antennen für 5G bekannt, davon 8.000 Antennen für das neue Spektrum bei 3,6 GHz, das den größten Unterschied macht. Langfristig gesehen soll Gigabit-Geschwindigkeit aber nicht nur bei 3,6 GHz erreicht werden, denn es sei eine Aggregierung von Low-, Mid- und High-Band vorgesehen, sodass die Nachteile der DSS-Anbindungen beim Tempo sukzessive reduziert werden könnten. Für 5G nennt die Telekom eine aktuelle Abdeckung von 94 Prozent der Bevölkerung und 90 Prozent der Fläche. Bis 2025 sollen 99 Prozent der Bevölkerung erreicht werden.
Mobilfunk entlang der Schienen bleibt Herausforderung
Obwohl die Telekom jüngst mehrere Netztests gewonnen hat, haben diese auch gezeigt, dass die Anbindung der Schienen ein Problem bleibt. Der Netzbetreiber ist sich dessen bewusst, meldet aber dennoch Erfolge wie über 500 neue Standorte oder Erweiterungen entlang der Schienen sowie mehr als 100 erstmals oder mit zusätzlicher Kapazität versorgte Tunnel. Bayerns größtes Funkloch mit mehr als 4 km Länge habe man ebenfalls stopfen können. Weiterhin laufen Tests für Mobilfunk-transparente Scheiben mit der Deutschen Bahn, die für einen besseren Empfang sorgen sollen. Moderne Züge agieren wie faradaysche Käfige und benötigen diese neuartigen Scheiben oder In-Train-Repeater für eine gute Anbindung. Herausforderungen gebe es bei den hohen Geschwindigkeiten und häufigen Zellwechseln sowie der aktuell nicht nutzbaren Frequenz LTE 900 entlang der Schienen. Die Frequenzen des GSM-R-Netzes sollen laut einer jüngsten Entscheidung der Bundesnetzagentur erst im Dezember 2024 dem LTE-Netz zukommen, berichtet der Spiegel.
5G Standalone nur für Enterprise-Kunden
Neue 5G-Features wie 5G SA (Standalone), das nur noch auf ein 5G-Kernnetz vertraut und beim Endgerät keine Einwahl mehr zusätzlich in das LTE-Netz benötigt, oder auch das damit mögliche Network Slicing, das ein physisches Netz in mehrere logische Netze für eine garantierte Verfügbarkeit, Geschwindigkeit oder Latenz unterteilt, sind weiterhin nur Themen für Enterprise-Kunden wie RTL bei der TV-Übertragung mittels 5G oder zuletzt BMW beim Automated Valet Parking, also dem vollautomatisierten Parken nach SAE-Level 4 in einem Parkhaus mit intelligenter Infrastruktur. Auch Features wie Voice over New Radio (VoNR), also das Telefonieren über 5G, packt die Telekom noch nicht an und will stattdessen zunächst flächendeckend VoLTE realisieren.
Die Netze sollen nachhaltiger werden
Walter Goldenits, derzeit noch Technikchef der Telekom, der zum Jahresbeginn 2023 von Group CTO Abdu Mudesir abgelöst wird, der dann beide Rollen innehaben wird, erklärte in Bonn abermals, dass es für Privatkunden zunächst einen sinnvollen Anwendungsfall geben müsse, bevor man auch dort 5G SA anbieten wird. Der Mitbewerber Vodafone bietet 5G SA bereits an und macht vor allem Vorteile bei der Energieeffizienz geltend. Ein nur mit 5G verbundenes Endgerät verbrauche 20 Prozent weniger, heißt es bei Vodafone. Basisstationen hätten außerdem eine 20 Prozent höhere Reichweite. Da die Telekom in Bonn auch nachhaltigere Netze beworben hat, deren Verbrauch 2024 gegenüber 2020 mindestens 10 Prozent niedriger ausfallen soll, könnte bei gleicher Reichweite der Basisstation ein reduzierter Verbrauch erreicht werden. Für die Telekom ergibt sich daraus aber noch kein sinnvoller Anwendungsfall. Mehr KI im Netz und die Abschaltung von Altsystemen wie der PSTN-Plattform und 3G, der Ersatz von stetig mehr Kupferleitungen durch Glasfaser oder auch der Abbau der öffentlichen Telefonzellen seien weitere Maßnahmen für eine höhere Energieeffizienz.
6G soll holografische Telefonate ermöglichen
Auch das noch in der Zukunft liegende Thema 6G wurde zum Netzetag angerissen. Das Unternehmen habe die Leitung von zwei 6G-Forschungsprojekten mit Partnern aus Industrie, Hochschulen und Wissenschaft übernommen. Damit soll der Boden für die sechste Generation der Kommunikationstechnologie bereitet werden, sagte Claudia Nemat, Vorstand für Technologie und Innovation bei der Telekom. Mögliche Anwendungen im 6G-Netz seien etwa holografische Anrufe mit 3D-Abbildungen der Teilnehmer. Daran arbeiten Deutsche Telekom, Orange, Telefónica und Vodafone in einem gemeinsamen Projekt mit dem Startup Matsuko.