Wooting 60HE im Test: Analoge Tastatur hat echten Gaming-Wert

Max Doll
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Wooting 60HE im Test: Analoge Tastatur hat echten Gaming-Wert

Wooting baut besondere Tastaturen: Analogtaster können so früh oder spät auslösen, wie es der Benutzer möchte, denn der Signalpunkt lässt sich nach Belieben wählen. Weil Wooting sich Gedanken über den Nutzen dieser Freiheiten macht, setzt das Standards – und rockt in Spielen stärker als erklärte Gaming-Tastaturen.

Analoge Taster gibt es bei Wooting im Voll- und Tenkeyless-Format oder wie hier in einer 60-Prozent-Tastatur und werden ausschließlich im Direktvertrieb verkauft. Die 60HE ist ohne Tastenkappen für rund 170 Euro erhältlich, mit ABS- oder PBT-Kappen steigt der Preis auf 180 bzw. 200 Euro. Die Wooting Two HE im Vollformat liegt zwischen 180 und 210 Euro. Für eine zur Form der Tastatur maßgeschneiderte Handballenauflage kommen noch einmal 30 Euro dazu. Tastenkappen sind von Wooting zudem auch einzeln als Set für Fullsize-Tastaturen verfügbar, die rund 40 Euro kosten. Das liegt über dem Preis für einfarbige Sets im Handel. Für gut 40 Euro können in der Regel bereits besondere Farbdesigns erworben werden.

Zum hohen Preis gibt es Dinge, die es anderswo nicht gibt. Äußerlich ist die 60HE eine graue Maus. Lediglich ein Halter für eine Trageschlaufe ergänzt Wooting. Sie muss ein Gadget für die Ästhetik sein, wenn der Sinn einer Minimaltastatur in einem geringen Fußabdruck liegt. Der eigentliche Witz steckt unter der Haube. Eine aufwändigere Konstruktion mit zwei Schichten Dämmmaterial reduziert die Klangkulisse, das PCB kann zudem in 60 %-Gehäuse aus dem Custom-Bereich gepflanzt werden. Fehlende Tasten lassen sich via Software in drei FN-Ebenen frei programmieren.

Wooting 60HE
Größe (L × B × H): 30,2 × 11,6 (21,0) × 3,8 cm
Handballenauflage optional
Layout: 66 Keys („hacker“)
Gewicht: 605 g
Gehäuse-Material: ?
Kabel: 2,00 m, USB/Type-C-USB (modular)
Hub-Funktion:
Key-Rollover:
Schalter: Gateron Lekker Linear60
Hot-Swap-fähig
Analoge Taster
Switch Plate: ?
Tasten:
Form: zylindrisch
Material: ABS-Kunststoff
Beschriftung: laser cut
Variante
Form: zylindrisch
Material: PBT-Kunststoff
Beschriftung: Double-shot molding
Zusatztasten:
Medienfunktionen: Stumm, Lautstärke, Abspielen/Pause, Stopp, Vor/Zurück
Zusatzfunktionen: Profile wechseln, Helligkeit (regeln, ausschalten), LED-Modi, Gaming-Modus, Programmverknüpfungen, Office-Funktionen, System-Funktionen
Beleuchtung: Farbe: RGB
Modi: Atmungseffekt, Welleneffekt, Reaktiver Modus, umlaufende Aktivierung, Farbschleife
Sonstige: individuelle LED-Profile
Makros & Programmierung: 8.192 kB, 4 Profile, Hardware-Wiedergabe
vollständig (inkl. Sekundärbelegung), softwarelos programmierbar
Preis: 180 € / 200 €

Dass Enthusiasten am Werk waren, lässt sich an vielen kleinen Touches an Verpackung und Präsentation ablesen, die nebenbei den Premium-Anspruch des Produktes unterstreichen. Vor allem aber bei der Technik wird es sichtbar. Viel zentraler als solche Aspekte ist jedoch die Freiheit, die die Taster versprechen. Die stets entscheidende Frage ist: Was kann man damit machen? Wooting hat ein paar spannende Antworten.

Lekker-Taster

Wootings „Lekker“-Taster sehen zwar aus wie Cherry-MX-Derivate, verzichten aber auf Metallkontakte mechanischer Taster. Im Inneren der Gehäuse stecken lediglich Feder und Stempel, an dessen Ende ein Magnet integriert wird. Unter dem Taster sitzt nun ein Hall-Effekt-Sensor, mit dem die Entfernung des Magnets gemessen wird. Das Prinzip: Nähert sich der Magnet dem Sensor, verändert sich seine Spannung entsprechend der steigenden Stärke des Magnetfeldes.

GIF Magnet und Sensor erfassen die Position des Tasters präzise (Bild: Wooting)

Während mechanische Taster lediglich erfassen, ob ein Stromkreislauf geschlossen wird, können Hall-Effekt-Taster über die steigende Spannung die präzise Position des Stempels berichten. Alles weitere ist Software, denn erst die Firmware bestimmt, ab wann das Signal aus den Sensoren eine Eingabe in Richtung PC schickt. Der Signalpunkt kann hierbei auf dem gesamten Hubweg von 0,1 bis 4,0 mm gewählt werden.

Der Verzicht auf Metallkontakte und eine werkseitige Schmierung sorgen für ein sehr sauberes, widerstandsarmes Eingleiten des Stempels. Wie zuletzt bei der Asus Azoth beschert das ein sehr angenehmes Upgrade, das sich fein, aber spürbar von einfachen Tastern abhebt. Die reibungsarme Konstruktion und ein moderater Federwiderstand zwischen 40 und 60 g, in etwa vergleichbar mit einem MX Red, erleichtern das Dosieren der Eindrücktiefe.

Äußerlich sehen die von Gateron gefertigten Lekker-Switches wie Cherrys MX aus
Äußerlich sehen die von Gateron gefertigten Lekker-Switches wie Cherrys MX aus
Der Taster kommt ohne Metallkontakte aus
Der Taster kommt ohne Metallkontakte aus (Bild: Wooting)
Die Charakteristik ähnelt am ehesten MX Red
Die Charakteristik ähnelt am ehesten MX Red (Bild: Wooting)

Hall-Effekt-Taster erkaufen sich diese Flexbilität, indem sie sie an anderer Stelle aufgeben. Ein Druckpunkt wird unsinnig, weil er statisch sein muss und deshalb unter Umständen überhaupt nicht mehr zum Signalpunkt passt. Wer mit dem Widerstand unzufrieden ist, kann bei Wooting immerhin leichtgängigere Federn erwerben. 120 Stück kosten 15 Euro, eine gut gemachte Videoanleitung erleichtert wie bei allen anderen Modifikationen den Umbau. Der Haken ist die Montage: Jeder Taster muss einzeln demontiert und geöffnet werden.

Alltagserfahrungen: Woot!

Die entscheidende Frage lautet, was sich sonst noch mit analogen Tastern anstellen lässt. Wooting hat hier ein paar spannende Antworten. Die offenkundigste ist, den Signalpunkt für jeden Taster einzeln auswählen zu können. „WASD“ kann man schon beim Antippen auslösen lassen, die Leertaste nur beim Durchdrücken. Dabei bleibt die Wooting aufgrund der Dämmung relativ ruhig, zu hören ist vor allem ein dumpfes Klackern. Zusammen mit der großen, gut geformten Gummi-Handballenauflage lässt es sich auf der 60HE angenehm arbeiten und spielen.

Wooting 60HE

Ob dabei ein universelles Setting oder Profile für Spiele erstellt werden, ist eine Frage des Geschmacks. Vier Profile lassen genug Raum für genrespezifische Einstellungen. Ideen gibt Wooting schon vor – Konfigurationen sind werksseitig zum Schreiben, für Shooter und für Rennspiele vorhanden. Besonders praktisch ist, dass umbelegte Tasten vom Basisprofil bezogen werden können. Änderungen müssen dann nur einmal vorgenommen werden und gelten für alle weiteren Profile.

Die große Handballenauflage bringt deutliche Komfortgewinne
Die große Handballenauflage bringt deutliche Komfortgewinne

Speziell für Shooter hat der Hersteller „Rapid Trigger“ ersonnen. Mit dem Setting wird ein Signal ab dem Signalpunkt gesendet, aber sofort gestoppt, sobald der Stempel sich wieder vom Sensor zu entfernen beginnt. Wird dann noch der Signalpunkt auf 0,1 mm gesetzt, bekommt Bewegung eine ungeahnte Plötzlichkeit. Jedes noch so kleine Eindrücken wird in eine Bewegung übersetzt, jedes noch so kleine Loslassen führt zum Stopp dieser Bewegung. In schnellen und schnellsten (Boomer-)Shootern resultiert daraus ein deutlich zackigeres Spiel-Erlebnis, da Eingaben scheinbar „gedankenschnell“ übertragen werden. Dass sie auch konzentrierter gedrückt werden wollen, weil sonst ungewollte Bewegungen entstehen, geht damit einher. Für ein entspanntes, zurückgelehntes Spielen eignen sie sich nicht ganz so gut.

Taster als Thumbstick

Alternativ können die Tasten auch in analoger Funktion eingesetzt werden und damit die Aufgaben von Thumbsticks und Triggern eines Gamepads übernehmen. Welche Möglichkeiten die Taster dann beispielsweise beim Fahren bieten, verdeutlicht das „Fahrprofil“ der 60HE. „W“ und „S“ simulieren Trigger eines Gamepads, „A“ und „D“ den Thumbstick für den Lenkeinschlag und erlauben es so, dosiert zu steuern. Die Stärke des Impulses zeigt Wooting auf den Zahlentasten über den Effekt „Berührung“. Je mehr Zahlen leuchten, desto tiefer wurde eingedrückt. Das hilft beim Erlernen von Druckstärken. Details wie diese unterstreichen, dass Features mit Bedacht auf die Ausstattungsliste gepackt wurden.

„WASD“ oder andere Tasten können alternativ auch komplett Eingaben eines Thumbsticks abbilden. Je nach Stärke des Herunterdrückens ändern sich dann die Lauf- und die Drehgeschwindigkeit des Charakters. So steuern zu können, fühlt sich wesentlich natürlicher an als bei herkömmlichen Tastern.

Analoge Nutzung bleibt aber eine Verfeinerung, an die Präzision einer Gamepad-Steuerung kommt sie schwerlich heran. Dafür sind die Taster zu leichtgängig, die Eingabekraft zu groß und insgesamt zu schwer dosierbar, zumindest dann, wenn schnell und präzise fein dosiert werden muss. Rennspiele ohne Fahrhilfen bleiben tabu, weil viel zu leicht zu extreme Lastwechsel befohlen werden. Auch gesagt werden muss aber: So gut wie mit der Wooting ließ sich Project Cars 2 noch nie mit Tastatur spielen, denn Gas und Bremse lassen sich viel besser dosieren. Verlaufskurve und Totbereich dürfen Spieler zudem wie bei teuren Elite-Gamepads anpassen. Das kann sinnvoll sein, um die Dosierbarkeit von Eingaben zu verbessern.

Damit diese Mischbedienung überhaupt möglich ist, muss das jeweilige Spiel aber Eingaben von Gamepad und Maus sowie Tastatur gleichzeitig unterstützen. Ist das wie etwa in Resident Evil 2 nicht der Fall, wird ständig zwischen beiden Geräteklassen umgeschaltet und der Spielfluss permanent kurz unterbrochen.

Dank knapper Beschriftung gleichmäßige Ausleuchtung
Dank knapper Beschriftung gleichmäßige Ausleuchtung
Die Beleuchtung gibt oft Rückmeldung über Input oder Funktion
Die Beleuchtung gibt oft Rückmeldung über Input oder Funktion

Doppelbelegungen neu gedacht

Darüber hinaus können Tasten doppelt belegt werden. Das funktioniert einerseits über bis zu drei Ebenen, die mit verschiedenen Modifier-Keys aufgerufen werden, dank analoger Taster aber auch innerhalb einer Ebene. Mit einer „ModTap“-Belegung unterscheidet Wooting zwischen kurzem Antippen und einem längeren Tastendruck. „Page down“ kann dadurch auf das Antippen der Taste „#“ gelegt werden, die selten genutzte Originalfunktion bleibt bei Tastendruck von etwa einer halben Sekunde ohne Klammergriff erhalten.

Mehrfachauslösungen bereiten ModTap kein Problem. Die Unterscheidung gelingt im Alltag nach kurzer Eingewöhnung super, eignet sich aber kaum, um häufiger gebrauchte Tasten doppelt zu belegen. Pfeiltasten auf Menü, Strg, Shift und FN zu legen, mag für Spieler klappen, beim Schreiben nagt eine solche Belegung an den Nerven, weil selbst das minimale, auch versehentliche Absinken der Kappe beim Schreiben ein Signal auslöst. Dennoch: Das Feature hilft, die Tastenknappheit des Minimallayouts zu verringern.

Eine weitere Lösung hat Wooting ebenfalls parat. Dynamic Keystroke erlaubt es, je zwei Funktionen auf das Ein- und Ausfedern zu legen. Ab einem Millimeter kann so „W“ übertragen werden, ab 3,6 mm, im Grunde dem kompletten Durchdrücken der Taste, lässt sich Shift dazunehmen, um zu sprinten. Ein Um-die-Ecke-Lehnen kann mit dem Anlegen einer Waffe verbunden werden oder das Hüpfen mit Ducken. Beide Funktionen lassen sich kinderleicht unterscheiden. Wann diese Auslösepunkte sind und ob die Eingabe dann einmal oder dauerhaft gesendet wird, überlässt Wooting am Ende dem Anwender.

Ein wesentlicher Erfolgsgarant all dieser Features ist ein Aspekt, von dem man kaum noch Großes erwarten mag. Bei Wooting überzeugt die Software jedoch rundum mit dem gleichen scharfen Blick für praktischen Nutzen. Das „Wootility“ gibt es für Windows, macOS und sogar Linux, konfiguriert werden kann darüber hinaus ohne Installation über die Website des Herstellers aus dem Browser heraus. Einstellungen werden grundsätzlich vollständig auf dem integrierten Speicher abgelegt.

Die Nutzbarkeit wird durch schnelle Suchfunktionen, Drag & Drop, ein Vorschaufenster zum Testen von ModTap und Co sowie verlinkte, gut gemachte Anleitungen und How-tos maximiert, zudem helfen sinnvolle Voreinstellungen. Das Tüfteln an Profilen kann deshalb barrierefrei erfolgen und macht endlich wieder richtig Spaß. Im Grunde ist die Software das, was man sich bei anderen Produkten erträumt, so gut funktioniert sie. Nur ein einziger Nachteil lässt sich nicht wegprogrammieren: Man muss seine Konfiguration stets auswendig lernen.

Fazit

„Entscheidend ist, was hinten rauskommt“, wussten schon die Ahnen – und bei Wooting kommt am Ende wohltuend viel heraus. Ein Feature über „Coolness“ und vage Vorteilsversprechen zu verkaufen, ist im Gaming-Bereich die Norm, der die 60HE und Lekker-Taster widersprechen. Beide können liefern. Die geschmeidigen Lekker-Switches sind deshalb ein Gewinn im Bereich linearer Taster.

Denn der Anbieter ist nicht der einzige mit „analogen“ Sensortastern, schlägt aber sinnvoll vor, was die Technik bringen kann, und liefert ein leicht zu nutzendes Komplettpaket, das an die Hand nimmt. Der Gewinn analoger Sonderfeatures ist keineswegs in jedem Spiel oder Genre dramatisch, aber spürbar – und in Shootern dank ultraschnellem, präzisem Eingabemodus fast schon transformativ.

Die Wooting 60HE ist ein Universaltalent und eine tolle Shooter-Tastatur
Die Wooting 60HE ist ein Universaltalent und eine tolle Shooter-Tastatur

Dabei ist die 60HE auch ohne penible Ausschöpfung aller Sonderfeatures eine tolle Kompakttastatur mit angenehm dumpfem Klangbild und ein paar Tricks, die das Arbeiten mit einem extrem zusammengeschrumpften Layout erleichtern, indem sie fehlende Tasten kompensieren. Ein weiteres Highlight setzt dabei die Software, die das Konfigurieren hervorragend begleitet. Wohin man auch schaut: Bei Wooting hat das Paket Hand und Fuß.

240 Euro für das Komplettpaket aus Tastatur und sinnvoller Handballenauflage sind allerdings wahrhaftig viel Geld, eine für den Normalbedarf absurde Sphäre. Für Tastaturfans, Enthusiasten und Shooter-Fans mit großem Geldbeutel ist die 60HE trotzdem eine ernsthafte Empfehlung wert: Weil die Tastatur nur Tastatur ist und weder Features als reinen Verkaufszweck betrachtet noch ein Software-Ökosystem bestücken muss, kann sie die Rolle als vollwertiges Premiumprodukt ausfüllen.

Wooting 60HE (PBT-Keycaps)
Produktgruppe Tastaturen, 02.03.2023
  • Gehäuse
    +
  • Tasten & Beschriftung
    ++
  • Layout
    ++
  • Ausstattung & Extras
    +
  • Software
    ++
  • Sinnvoll einstellbare Taster
  • Vergleichsweise geringe Lautstärke
  • Komfortable Multiplattform-Software
  • Durchdachte Voreinstellungen & Tutorials
  • Einarbeitungszeit nötig
  • Layout muss auswendig gelernt werden

ComputerBase hat die 60HE als Leihgabe von Wooting zum Testen erhalten. Eine Einflussnahme des Herstellers auf den Testbericht fand nicht statt, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung bestand nicht.

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