Blockade-Umgehung: US-Chips erreichen weiterhin in großen Mengen Russland
Russland importiert vor allem über China nach wie vor große Mengen an „Chips made in the USA“. Verhindern lassen wird sich dies kaum, wie Analysen des Nikkei direkt aus Asien zeigen. Denn kaum wird eine Firma sanktioniert, entsteht bereits die nächste.
Importe aus China nach Russland massiv gestiegen
Überraschend ist es freilich nicht, denn es ist schließlich nur eine Blockade, an der sich nicht alle beteiligen. Schon damit ist sie nur bedingt wirksam. Ein indisches Marktforschungsinstitut ermittelte, dass im Jahr 2022 über China und Hongkong Waren im Wert von über 740 Millionen US-Dollar ins russische Land geflossen sind, 70 Prozent davon sollen auf Intel, AMD, Texas Instruments und andere entfallen. Im Jahr 2021 lag der Wert von High-Tech-Exporten aus China in Richtung Russland nur bei insgesamt 51 Millionen US-Dollar.
Die neuen Exporte werden zu einem großen Teil über sehr kleine oder maximal mittelgroße Unternehmen abgewickelt, viele davon sind erst nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs und der angestrebten Blockade westlicher Technologie entstanden, schreibt Nikkei weiter. Und kommt eines der Unternehmen auf die schwarze Liste, entsteht umgehend ein neues unter anderer Bezeichnung. Über 500 Firmen stehen so allein auf der US-Sanktionsliste, an die sich Hersteller zu halten haben.
Genau diese geben sich unschuldig. Intel, Texas Instruments und andere betonen, sich an die US-Richtlinien zu halten. Doch was bei einem Ausverkauf bei einem großen, direkt belieferten Distributor passiert, der sein Lager für kleinere Händler leert, die die Hardware dann wiederum noch einmal weiter veräußern, bleibt kaum mehr nachverfolgbar.
Russland selbst liefert Zahlen und wirbt auch mit US-Chips
Interessante Daten dazu liefert auch die russische Kommersant. Mitte März schrieb das Blatt, dass Russland im Jahr 2022 rund 782.000 Intel-Prozessoren erhalten habe, neun Prozent mehr als noch 2021. Bei AMD hingegen halbierte sich der Wert auf rund 143.000 Stück. Der Import sei weitgehend stabil heißt es in dem Bericht weiter.
Distributionen in Russland sind dabei zum Teil sogar recht offensiv, was neue Produkte einschließt. Mitte Februar posaunte die 3Logic Group mit einer Pressemitteilung heraus, die den Start neuer Server-Systeme mit AMD-Genoa-Prozessoren angekündigt, also dem besten, was der Hersteller zu bieten hat. Die Meldung verschwand kurze Zeit darauf aber schnell wieder von der eigenen Homepage, unzählige, vor allem russische Portale, haben sie aber übernommen und sind dementsprechend dort auch noch zu finden.
In Russland wirbt die Distribution 3Logic auf der Homepage mit den aktuellsten Prozessoren sowohl von AMD mit Ryzen 7000 als auch Intel mit Core i-13000. Die meisten CPUs liegen als OEM-Ware vor, hier dürfte es sich schnell um Grauimporte von großen OEM-Herstellern handeln, einige Boxed-Lösungen sind aber auch dabei. Passende Mainboards gibt es aber von allen namhaften Herstellern und auch Grafikkarten sind zu haben – bis hin zu Profi-Lösungen wie Nvidias A100.
In einem weiteren Artikel legt Nikkei noch einmal nach und bezeichnet das bisher wirtschaftlich liberale Hongkong als Hub für die Umschläge von Chips nach Russland. Nahezu nirgendwo in der westlichen Welt sei es einfacher, günstiger und schneller eine Firma zu eröffnen als hier. Binnen einer Woche ist dies für Kosten von 600 bis 1.600 US-Dollar erledigt, das kann sowohl ein ansässiger als auch außenstehender Bürger vornehmen, diverse Agenturen helfen auf Wunsch. Dies hat zur Folge, dass Hongkong fast 1,38 Millionen Firmen listet, in Japan sind es zum Vergleich 1,78 Millionen – bei 17-facher Bevölkerung. Auch sind Import- und Export-Kontrollen nur in gewissen Bereichen sehr hoch, bei Halbleiterprodukten tendenziell weniger.