Gesetz gegen digitale Gewalt: Indirekte Vorratsdatenspeicherung befürchtet
Am vergangenen Mittwoch wurden die Pläne des Bundesjustizministeriums (BjM) zum „Gesetz gegen digitale Gewalt“ öffentlich, nun kommt erste Kritik zu dem Vorhaben. Gegner befürchten eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür. Auch alternative Methoden werden genannt.
Opfer sollen mehr Möglichkeiten zur Gegenwehr erhalten
Mit dem genannten und 2021 in den Koalitionsvertrag der aktuellen Ampel-Regierung aufgenommenen Gesetzesvorhaben sollen Opfern von Morddrohungen, Beleidigungen oder Beschimpfungen auf sozialen Kanälen wie Facebook, Twitter oder aber auch Foren mehr Möglichkeiten geben, gegen die Aggressoren vorzugehen. Dazu sollen Lücken bei Auskunftsrechten geschlossen und gleichzeitig Account-Sperren auf richterliche Anordnung ermöglicht werden. Das Vorhaben soll vor allem „notorische Rechtsverletzer im digitalen Raum“ in ihre Schranken weisen.
Auch wenn Organisationen wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) oder HateAid die angekündigten Maßnahmen begrüßten, ging diesen die Ausarbeitungen in manchen Teilen nicht weit genug. So wurde kritisiert, dass erst im Extremfall auch dauerhafte Sperrungen möglich wären – ein Täter also erst mehrfach auffallen müsste, damit eine entsprechende Sperre in Betracht gezogen wird oder dass Accounts, die verschiedene Opfer oder ganze Gruppen verunglimpfen und Volksverhetzung betreiben, von den vorgesehenen Sperren nicht erreicht würden. Auch die Kostenfrage wurde angesprochen.
Erneuter Versuch einer indirekten Vorratsdatenspeicherung befürchtet
Der Chaos Computer Club (CCC) geht mit seiner Kritik vom eigentlichen Thema weg und befürchtet, sollte das Gesetz so verabschiedet werden, sogar einen weiteren Versuch, die in verschiedenen Formen schon so oft von Gerichten als rechtswidrig eingestufte Vorratsdatenspeicherung doch noch zu ermöglichen. Erst kürzlich bestätigte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein entsprechendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dass das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gegen das EU-Recht verstoße – zur Anwendung kam das Gesetz ohnehin nicht.
So merkt der CCC an, dass die am Mittwoch von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) vorgelegten Eckpunkte eine weitgehende Speicher- und Identifikationspflicht für Online-Diensteanbieter und Chat-Dienste voraussetzen würde. Die Nichtregierungsorganisation, die sich neben den Fragen zur Computersicherheit vor allem für die Informationsfreiheit einsetzt, sieht durch die „erzwungene Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür“ einen massiven Eingriff in die Privatsphäre der Bürger. Aus diesem Grund wurden laut dem CCC auch ähnliche Vorhaben bereits wiederholt höchstrichterlich als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Erneut warnte der CCC zudem vor den mittel- und langfristigen Folgen einer solchen Speicherung.
Menge an gespeicherten Daten das Problem
Der CCC stört sich seiner Erklärung nach vor allem an der Vielzahl der mit einem solchen Gesetz einhergehenden gespeicherten Daten, die nicht nur die IP-Adresse, sondern auch Bestands- und Nutzungsdaten des Verfassers der beanstandeten Äußerungen bis zum Ende des Auskunftsverfahren umfasse. Der Verein sieht darin die Gefahr einer Profilbildung von Beschuldigten. Gleichzeitig mahnt er an, dass „die zunehmende Konzentration von persönlichen Informationen in den Händen weniger Unternehmen […] ohnehin schon erhebliche Risiken für die informationelle Selbstbestimmung der Bevölkerung“ berge. Würden die gewonnenen Informationen mit eindeutigen Identifikationsdaten kombiniert, „läge ein weiteres Werkzeug für eine Überwachungsgesellschaft bereit“. So wird in der Erklärung die Regierungskoalition aufgefordert, von neuen Speicher- und Identifikationspflichten im geplanten Gesetzesvorhaben abzusehen und sich stattdessen auf eine bessere, auch personelle, Ausstattung und Ausbildung der Ermittlungsbehörden zu fokussieren. Laut dem CCC werden in vielen Fällen bereits vorhandene Ansätze zur Ermittlung der Täter nicht berücksichtigt und daher ungenutzt gelassen. Eine erst einmal geschaffene Überwachungsinfrastruktur würde nicht mehr zurückgenommen – das habe die Erfahrung in der Vergangenheit gezeigt.
Alternative Methoden vorhanden
Ähnlich äußert sich der der SPD nahestehende digitalpolitische Verein D64. In einer Erklärung begrüßt Erik Tuchtfeld, Co-Vorsitzender von D64, die angekündigten Account-Sperren, lehnt eine Ausweitung im privaten Auskunftsverfahren aber entschieden ab. Seiner Meinung nach müsse das Auskunftsverfahren auf Fälle beschränkt werden, bei denen ein Anfangsverdacht für eine Straftat vorläge. Für ihn ist das Szenario einer Persönlichkeitsrechtsverletzung schnell geschaffen, durch das vereinfachte private Verfahren zur Auskunft bestehe jedoch die Gefahr, dass private Daten anonymer Nutzer schnell in die Hände von Konfliktparteien geraten können, welche die gewonnenen Daten dann sogar veröffentlichen könnten. Für ihn obliege zudem die Strafverfolgung dem Staat, für die „grundrechtskonforme Lösungen ohne präventive Speicherung von Daten zum Einsatz“ kommen sollten.
Tuchtfeld bringt dabei das vom D64 entwickelte Konzept der „Login-Falle“ ins Spiel, das auch im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung als gezielte Maßnahme im Bereich der Online-Strafverfolgung festgeschrieben wurde. Bei dieser soll es Strafverfolgungsbehörden ermöglicht werden, dass Nutzer durch standardisierte Schnittstellen potenzielle Straftaten direkt auf der genutzten Plattform melden, die Behörden diese dann ebenfalls direkt überprüfen und gegebenenfalls ein Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche Straftäter einleiten können. Bei einem Anfangsverdacht für eine Straftat wird nach richterlicher Anordnung beim nächsten Login automatisiert die IP-Adresse an die Behörden übermittelt und über einen Datenabgleich die Stammdaten des Nutzers ermittelt.