Entwicklungskosten von Spielen: Große Marken sind zu teuer für Innovation
Ein neues Spiel im Blockbuster-Format zu entwickeln und auf dem Markt zu platzieren, kostet immer mehr Geld. Aus geringen dreistelligen Millionenbeträgen für Spitzentitel wie GTA V sind hohe dreistellige Millionenbeträge geworden. Explodierende Investitionen bedingen Risikoaversion im Triple-A-Segment.
Über Geld spricht man nicht, das gilt auch in der Games-Branche. Es sei denn, man muss: Zu ganz anderen Anlässen sickern immer wieder einmal Zahlen durch. Ein solcher Anlass ist die Übernahme von Activision durch Microsoft. Zu den strittigen Punkten gehört, ob Call of Duty eine marktbeherrschende Stellung und Microsoft damit einen gehörigen Hebel in die Hand geben würde. Um das zu beurteilen, haben Kartellbehörden Zahlen ermittelt. Im Abschlussbericht der britischen Competition and Markets Authority (CMA), die den Kauf nicht genehmigt, finden sich Angaben zu den Produktionskosten von Videospielen.
War 2013 GTA V mit einem geschätzten Budget von 170 Millionen Euro das mit Abstand teuerste Videospiel aller Zeiten, ein God of War lag drei Jahre zuvor noch bei 44 Millionen und damit auf einem für Blockbuster damals üblicheren Niveau.
Davon sind die Kosten nun weit entfernt. Auf Seite 309 des Berichts (PDF) werden unter Verweis auf die Analysten von IDG ganz andere Zahlen genannt. Vor fünf Jahren seien 50 Millionen bis 150 Millionen US-Dollar Entwicklungskosten üblich gewesen, Spiele die sich heute für die Jahre 2024 und 2025 in der Entwicklung befinden, würden hingegen 200 und mehr Millionen US-Dollar kosten. Einige Marken wie Call of Duty hätten sogar schon die Grenze von 300 Millionen US-Dollar pro Spiel überschritten – für die Serie und nachgereichte Inhalte würden laut dem Bericht „fast 1,5 Studios“ benötigt.
Dreistellig reicht nicht
Diese Angaben konnte die CMA aus Angaben von Dritten bestätigen. Ein Publisher habe für die jüngsten Ableger großer Marken 150 Millionen US-Dollar Entwicklungs- und 50 Millionen US-Dollar Marketingkosten ausgegeben, ein weiteres Unternehmen nannte 80 Millionen bis 350 Millionen und bis zu 310 Millionen US-Dollar für Produktion und Sichtbarkeit. Ein dritter Publisher nannte Zahlen von 110 Millionen bis 310 Millionen US-Dollar für beide Posten kombiniert. Ein viertes, ebenfalls nicht namentlich genanntes Unternehmen lag sogar bei 660 Millionen US-Dollar für Entwicklung und fast 550 Millionen US-Dollar Marketingkosten für eine seiner großen Marken – insgesamt laufen also über eine Milliarde US-Dollar auf. Kosten für die Produktion der Season-Updates nannte ein weiterer Publisher: Sie lägen zwischen 50 Millionen und 65 Millionen US-Dollar.
Für die CMA belegen diese Zahlen, dass nur große, etablierte Marken am Markt bestehen und solche Kosten einspielen können. Daraus ergibt sich in der Argumentation, dass ein Konkurrent für Call of Duty unwahrscheinlich ist. Dreistellige Millionenbeträge müssen nicht nur vorfinanziert, sondern auch wieder eingespielt werden. Call of Duty und Co gelingt es zwar laut Quartalsberichten hervorragend, sehr gewinnträchtig zu sein, was die Zahlen in Relation setzt, sie sind aber auch etabliert und eine sichere Bank. Ist das nicht der Fall, verbrennt ein Unternehmen eine schmerzhafte Summe Geld.
Kein Platz für Risiko
Solche Zahlen fundieren auch, warum im Blockbuster-Segment gefühlte Stagnation von Marken und Ideen herrscht. Derartige Summen zu investieren, die ein Unternehmen in Schieflage bringen können, schreit nach einer Minimierung von Risiken. Insofern machen der Live-Service-Schritt und einfallslose Open-World-Designs, wenig veränderte Aufgüsse oder einfach Remaster von Klassikern aus unternehmerischer Sicht Sinn; sie verkaufen sich als bekannte Größen gut (genug). Risiken und Unbekanntes in der Größenordnung kann man sich nicht leisten. Das aber ist Innovation: Eine Abkehr vom Bekannten, die bei Unterhaltungsprodukten unsichere Erfolgsaussichten hat.
Experimente gibt es deshalb zwar noch, sie finden sich aber unterhalb dieser Kategorie etwa in Form des 30-Euro-Spiels Hi-Fi-Rush oder im AA-Bereich, wo die Budgets kleiner und Risiken besser zu verkraften sind. Unerwartet kommt das nicht: Dass weiter explodierende Spielebudgets nicht nachhaltig realisierbar sind, hatte der Ex-Chef von Sonys Gaming-Sparte schon vor gut drei Jahren vorhergesagt und sich für kürzere Spiele ausgesprochen.