Vernichtende Rezensionen: Herr der Ringe: Gollum ist das schlechteste Spiel des Jahres
Es ist endlich soweit, nach einigen Verschiebungen und einem holprigen Weg darf Sméagol seine eigentliche Reise quer durch Mittelerde antreten und Jagd auf seinen goldenen Schatz machen. Der Hamburger Entwickler Daedalic verspricht ein spannendes Abenteuer und nennt sehr hohe Anforderungen. Ein technischer Ersteindruck.
RT Ultra will Next-Gen-Grafikkarte und Core i5 aus 2017
Zwar gab es erste Systemanforderungen bereits vor einigen Wochen, diese bezogen sich allerdings maximal auf WQHD mit hohen Details und fielen vor allem mit den empfohlenen 32 GB Arbeitsspeicher auf. Davon ist jetzt keine Rede mehr; auch für Ultra-Raytracing mit maximierten Grafikeinstellungen in UHD sollen 16 GB RAM reichen. Anderweitig haben sich die Anforderungen aber gewaschen.
Denn gemäß der ausführlichen Systemanforderungen ist für das Epic-Preset mit Raytracing in 3.840 × 2.160 Pixeln nicht nur eine noch immer mindestens 1.170 Euro teure GeForce RTX 4080 (Test) nötig, um 60 Bilder pro Sekunde zu erreichen, sondern auch noch Upscaling per DLSS Grundvoraussetzung. Und zwar nicht etwa das der nativen Bildqualität in der Regel ebenbürtige DLSS Super Resolution Quality und nein, auch nicht der Balanced-Modus, sondern gleich das Performance-Preset. Die Render-Auflösung muss dementsprechend auf 1.920 × 1.080 Bildpunkte reduziert werden, damit eine GeForce RTX 4080 mit maximierten Einstellungen flüssige Bildraten erreicht.
Ältere GeForce-Grafikkarten sind damit in jener Konfiguration gänzlich außen vor und Radeon- sowie Arc-Grafikbeschleuniger nennen die Systemanforderungen erst gar nicht. Auch FSR und XeSS finden keine Erwähnung. Merkwürdig ist zudem, dass die Systemanforderungen die GeForce RTX 4080 mit einem Core i5-8400 (Test) respektive einem Ryzen 5 3600 (Test) paaren – die Mittelklasse-CPUs aus den Jahren 2017 und 2019 spielen in einer komplett anderen Preis- und Leistungsklasse.
DLSS Performance und Frame Generation sollen es richten
Nvidia wiederum wirbt nicht nur mit DLSS Super Resolution Performance, sondern erhöht um DLSS 3 mit Frame Generation (Test). Entsprechende Hersteller-Benchmarks mit RTX 4000 verdeutlichen, dass die Marke von 60 FPS in UHD selbst mit dem Topmodell GeForce RTX 4090 (Test) nicht ohne DLSS zu knacken ist, wenn im Grafikmenü alle Regler nach rechts geschoben werden.
Mit DLSS Performance + FG sollen dann wiederum rund 170 FPS möglich sein und auch eine GeForce RTX 4070 (Test) erreiche mit DLSS 3 im Durchschnitt rund 80 FPS, wo nativ nur ruckelnde 20 Bilder pro Sekunde möglich waren. Inwiefern Upscaling und Frame Generation allerdings mit derartig niedrigem Fundament eine angenehme Latenz erreichen können, bleibt abzuwarten; hier nennt Nvidia keine Werte.
Grafik passt nicht unbedingt zu den Anforderungen
Die immensen Anforderungen, die insbesondere bei Raytracing in hoher Auflösung schnellste Hardware und offensives Upscaling fordern, suggerieren eine besonders opulente Grafik – tatsächlich sieht das Spiel aber gemäß bisheriger Trailer und einem knapp 40 Minuten langen Gameplay-Video eher ein wenig angestaubt aus. Dementsprechend waren die Befürchtungen groß, dass mit The Lord of the Rings: Gollum in bisheriger Tradition des Jahres 2023 das nächste Technik-Debakel auf dem PC vor der Tür steht. Und die Befürchtungen sind eingetreten.
Technischer Ersteindruck von HDR: Gollum auf dem PC
ComputerBase arbeitet gerade an einem Technik-Test zu Herr der Ringe: Gollum, will und muss aber direkt zum Fall des Embargos und damit für viele Interessenten hoffentlich noch rechtzeitig warnen: Die PC-Version hat in der Tat und wie zuletzt schon beinahe üblich mit massiven technischen Problemen zu kämpfen.
Eines ist Shader-Compile-Ruckeln (es scheint sich darum und nicht um Traversal-Stottern zu handeln, wenngleich die Analysen noch laufen), das extrem ausfällt – nicht unbedingt in Bezug auf die Häufigkeit, aber auf die Intensität der Haker. So passiert es auf einem System mit GeForce RTX 4090 und Ryzen 9 7950X3D immer wieder, dass das Bild mitten beim Steuern der Figur stehen bleibt und die Kamera nach der kurzen Pause dann um 180 Grad gedreht den Spieler quasi orientierungslos zurück ins Spiel wirft.
Auch die Performance an sich ist niedrig und in Anbetracht der Grafikqualität schlicht und ergreifend schlecht. Herr der Ringe: Gollum ist kein schönes Spiel, doch selbst die GeForce RTX 4090 schafft es in Ultra HD mit maximaler Grafik nicht, durchweg die 60 FPS zu halten – mit DLSS Quality wohlgemerkt und damit der Renderauflösung WQHD! Auffällig ist dabei, dass die Framerate extrem variiert. In einer Szene lieferte das Testsystem kaum mehr als 50 FPS, ein paar Meter weiter sind es 150 FPS.
Raytracing ist langsam und wenig überzeugend
In der Vorabversion, die der Redaktion zur Verfügung stand, kann auch Raytracing nicht überzeugen. Raytracing wird in dem Spiel für die Reflexionen und einige Schatten genutzt, doch man bekommt wenig davon mit.
Die Reflexionen beschränken sich auf Wasser, was dann definitiv besser aussieht, wenn es denn im Spiel zu sehen ist. Die Schatten sind deutlich häufiger im Bild und sehen besser aus, doch fällt der Fortschritt gegenüber den Rasterizer-Schatten kaum auf. Dabei kosten die Effekte extrem viel Performance.
In einer Szene, die die Redaktion durchlaufen ist, hat die GeForce RTX 4090 mit RT anstatt 99 FPS mal eben nur noch 55 FPS geliefert – das sind 44 Prozent weniger FPS für einen in der Szene kaum sichtbaren Effekt. Das Spiel bietet dabei nur RT Ein oder Aus an, was heutzutage nicht mehr sein darf. RT-Effekte sollten nicht nur separat voneinander einstellbar sein, sondern darüber hinaus auch verschiedene Qualitätsstufen bieten. HdR: Gollum bietet das nicht.
Ein weiteres Problem gibt es beim Upsampling. Das Spiel bietet Nvidia DLSS 2 und DLSS 3 sowie AMD FSR 2. DLSS Super Resolution macht meist einen guten Eindruck und kann, sollte und muss in Ultra HD genutzt werden. Einzig manche Bloom nutzende Objekte können mit DLSS wie verrückt leuchten, dass ist dann störend. FSR 2 ist dagegen enttäuschend, hier stimmt schlicht irgend etwas nicht. Das gesamte Bild wird mit FSR 2 sehr unscharf, was mit der nativen Auflösung und DLSS nicht passiert. Da es auch keine Schärfe-Option gibt (für DLSS gibt es sie), ist FSR 2 aktuell nicht nutzbar, was für AMD-Grafikkarten ein großes Problem darstellt.
10 GB reichen aus – wobei es Matsch gibt
Bei den Anforderungen an den Grafikspeicher hält sich Herr der Ringe: Gollum dagegen zurück. Mehr als 9 GB adressierte der Titel im Test auch in UHD mit DLSS nicht, spätestens mit einer 10-GB-Grafikkarte gibt es also keine Probleme mehr. Dafür werden einige Texturen vor allem in den Zwischensequenzen erst mit einer kleinen Verzögerung geladen – für einen kurzen Augenblick sehen einige Objekte damit sehr matschig aus.
Auch die Steuerung von Herr der Ringe: Gollum ist mit Maus und Tastatur aktuell als hakelig zu bezeichnen, eventuell bringt in diesem Punkt ein Gamepad Abhilfe.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die eingestreuten In-Game-Sequenzen, die nur mit 30 FPS laufen, was optisch sofort auffällt. Diese wurden vorab gerendert und dies auch noch in einer geringen Auflösung, was störend auffällt, da sowohl Qualität als auch FPS dieser Sequenzen stark abfällt.
Die Redaktion sammelt aktuell weitere Eindrücke von dem Spiel und wird dann im Laufe der nächsten Woche einen ausführlichen Technik-Test zum Spiel bereitstellen. Sollte bis dahin kein Patch erscheinen, kann das Fazit nur negativ ausfallen. Alle im Vorfeld geäußerten Befürchtungen hätten sich damit bestätigt.
Die Wertungen zu Herr der Ringe: Gollum fallen verheerend aus. Rund zwei Drittel der Rezensionen auf Steam sind negativ und auf Metacritic wird der Titel derzeit als die mit weitem Abstand schlechteste Neuveröffentlichung des Jahres gehandelt. Dabei geht es nicht einmal nur um den desaströsen technischen Zustand bei gleichzeitig angestaubter Grafik, denn das Spiel macht auch abseits dessen einfach keinen Spaß. Nicht nur ComputerBase sieht daher von einer weiteren Berichterstattung ab und hat die Arbeiten am Test abgebrochen, denn diese Zeit ist Herr der Ringe: Gollum einfach nicht wert. Die Redaktion rät ausdrücklich davon ab, dieses Spiel zu kaufen – ganz gleich auf welcher Plattform.
Derart vernichtende Kritik kann Daedalic freilich nicht stillschweigend aussitzen, die übliche belanglose Stellungnahme via Twitter ist die Folge. Daedalic bedauere sehr, dass das Spiel die Erwartungen nicht habe erfüllen können – auch die eigens gesteckten. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang, ob die Entwickler tatsächlich über ein derartig beeinträchtigtes und realitätsfernes Urteilsvermögen verfügen oder aber die Spieler schlicht und ergreifend für dumm verkaufen möchten. In Anbetracht des katastrophalen Zustands des Spiels fällt es schwer, den Entwicklern eine „aufrichtige“ Bitte um Entschuldigung abzunehmen. Der Herr der Ringe: Gollum hätte so letztlich niemals erscheinen dürfen.
Jedenfalls wird wie üblich Besserung per Updates versprochen, wobei sich Daedalic diesbezüglich nur auf „Fehler und technische Probleme“ bezieht – dass Der Herr der Ringe Gollum auch in technisch einwandfreiem Zustand kein gutes Spiel wäre, wird ausgeblendet. Und wann die nicht näher spezifizierten Patches kommen sollen, bleibt offen; einen Zeitplan kommunizieren die Entwickler nicht.