Cherry KW X ULP im Test: Selten hat es sich im Büro angenehmer getippt
Cherrys extrem flach gebaute ULP-Taster haben sich als Idealbesetzung für den Office-Bereich entpuppt – und waren bislang exklusiv in Gaming-Produkten erhältlich. Das ändert sich mit der Tastatur Cherry KW X ULP, die endlich Taster und Zielgruppe vereint. Tippen war selten angenehmer. Sorgen macht indes ein anderer Aspekt.
Die flache mechanische Office-Tastatur
Extrem flache Tastaturen mit Chiclet-Tasten haben ihre Büroeignung schon seit Jahrzehnten unter Beweis gestellt. Was ihnen die KW X voraus hat, sind die Taster: Besonders flache mechanische Modelle machen die Tastatur zu einem Office-Kraftpaket für Menschen, die gut 200 Euro auf den Tisch legen können.
Eine Grundlage dafür schafft das in diesem Segment übliche Ornament. Vier Zusatztasten über dem Nummernblock, Tastenverknüpfungen mit Zusatzfunktionen für den Büroalltag und zeitgemäße Anschlussoptionen (zwei Bluetooth-5.2-Kanäle mit AES-128-Verschlüsselung, 2,4-GHz-Funk via USB-Adapter und die Datenübertragung per USB-C-Kabel) werden ebenfalls geboten. Die Akkukapazität liegt bei 2.800 mAh. Tastenbeleuchtung gibt es auf Sparflamme in Form weißer LEDs, deren Aktivierung die kabellose Laufzeit laut Hersteller auf etwa zwei Wochen begrenzen soll.
Cherry KW X ULP | Corsair K100 RGB Air Wireless | |
---|---|---|
Größe (L × B × H): | 44,0 × 13,3 × 1,6 (2,7) cm | 43,6 × 15,7 × 1,6 (2,9) cm |
Layout: | 105 ISO (erweitert) | |
Gewicht: | 630 g | 763 g |
Gehäuse-Material: | ? | |
Kabel: | 1,50 m, USB/Type-C-USB (modular), Bluetooth (10,00 m) | 1,80 m, USB/Type-C-USB (modular), Bluetooth ? |
Hub-Funktion: | – | |
Key-Rollover: | N-KRO | |
Schalter: | Cherry MX Ultra Low Profile Tactile | Cherry MX Ultra Low Profile Tactile Polling-Rate wählbar |
Switch Plate: | ? | |
Tasten: | Form: eben Material: PC-Kunststoff Beschriftung: laser cut |
Form: spherisch konkav Material: ABS-Kunststoff Beschriftung: laser cut flache Tasten, Chiclet-Tasten |
Zusatztasten: | 3 × Medien 2 × Extra |
4 × Makro 4 × Medien 3 × Extra Scrollrad (Lautstärke) |
Medienfunktionen: | Stumm, Lautstärke, Abspielen/Pause, Vor/Zurück | |
Zusatzfunktionen: | Helligkeit (regeln, ausschalten), Programmverknüpfungen, System-Funktionen | Profile wechseln, Helligkeit (regeln, ausschalten), Gaming-Modus |
Beleuchtung: | Farbe: Weiß | Farbe: RGB Modi: Atmungseffekt, Welleneffekt, Reaktiver Modus, umlaufende Aktivierung, Gaming-Beleuchtung, Farbschleife Sonstige: individuelle LED-Profile |
Makros & Programmierung: | teilweise programmierbar | 8.192 kB, 50 Profile, Hardware-Wiedergabe vollständig programmierbar |
Preis: | ab 141 € | ab 279 € |
Das alles ist nett zu haben, aber nicht der entscheidende Faktor. Hier kommen die ULP-Taster ins Spiel. Sie verbinden Höhe und Grundeigenschaften einer Notebook-Tastatur mit der Präzision mechanischer Switches.
Zwei Eigenheiten helfen beim Schreiben enorm. Signal- und Druckpunkt werden schon nach weniger als einem Millimeter Wegstrecke erreicht und haben mit 65 g einen recht hohen Widerstand. Das Eindrücken, meldet der Kopf, heißt damit immer „Betätigen“. Da der Widerstand nach dem Druckpunkt massiv abfällt – auch das ist ein Unterschied zur sonst üblichen Notebook-Technik – wird er sehr gut wahrnehmbar und der Anschlag so verlässlich wie zügig erreicht, abgebildet durch ein „Tok, Tok, Tok“ beim Schreiben, das für das Klickgeräusch sorgt und noch einmal eine dumpfe, folglich dezente akustische Rückmeldung über Auslösungen liefert. Diese sind hörbar, aber davon entfernt, störend zu sein.
So entsteht eine glasklare, überzeugende Rückmeldung über ausgelöste Tasten, die es erleichtert, Buchstaben nacheinander zu tippen. Dreher, wie sie sonst gerne vorkommen, werden minimiert, die Sicherheit bei Eingaben steigt und letztlich auch die Geschwindigkeit. Das Profil der ULP-Taster verhindert effektiv, dass mit dem Eingeben des übernächsten Buchstabens begonnen wird, bevor der aktuelle auf dem Bildschirm erscheint.
Was für Büroarbeit ein Segen ist, kann in Spielen zum Hindernis werden. In actionlastigen Genres sorgt das parallele Eindrücken von Tasten für ein flüssiges Spielgefühl, für die gleitende Verbindung von Eingaben und der Bewegung der Spielfigur. Durch den deutlichen Druckpunkt und den kurzen Hub, der in der Wahrnehmung keinerlei Spielraum vor dem Auslösen erlaubt, wirken Bewegungen vielmehr hakelig und ungelenk. Punktuelle Präzision wird dann zum Problem. Gängige lineare oder taktile Taster mit größerem Hub, etwa rote oder braune Varianten, sind die besseren Allrounder.
Bauartbedingt müssen ULP-Taster mit einem zweiten Nachteil leben. Die Tastenkappen lassen sich wie bei einem Notebook nicht tauschen. Weder gibt es Angebote im Zubehörmarkt, noch ist die Demontage gefahrlos möglich. Eine Warnung platziert Cherry sichtbar auf der Umverpackung der Tastatur. Das Entfernen sollte im Normalfall aber nicht nötig sein, da der Hersteller Polycarbonate-Kunststoff verwendet, der weniger Abrieb und eine höhere Lebensdauer als günstige ABS-Varianten besitzen soll.
Cherry MX Ultra Low Profile Tactile |
Cherry MX Low Profile Red |
Cherry MX Red |
|
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Charakteristik: | taktil | linear | |
Hubweg: | 1,8 mm | 3,2 mm | 4,0 mm |
Position des Signalpunktes: | 0,8 mm | 1,2 mm | 2,0 mm |
Widerstand am Signalpunkt: | 52 g | 45 g | |
Widerstand am Druckpunkt: | 65 g | – | |
Lebensdauer (Anschläge): | 50 Mio. | 100 Mio. |
Alltagserfahrungen
Wieder eine ULP-Tastatur zum Schreiben unter den Fingern zu haben, macht schlicht Freude. Schnell, sicher, flüssig – diese Attribute kommen immer wieder in den Kopf. Das Layout stützt diese Eindrücke. Sinnvoll erscheint hier etwa die „Cherry-Taste“ in der oberen rechten Ecke, die die Windows-Tasten sperrt und zugleich über farbige LEDs den Ladezustand des integrierten Akkus abbildet. Caps- und Numlock leuchten praktischerweise rot statt weiß, wenn sie aktiviert werden, die Tasten zur Wahl der Verbindungsart hingegen grün.
Als ebenso angenehm erweist sich die Entscheidung, Zusatzfunktionen als erste Tastenfunktion zu nutzen. Während sonst für Medienplayer und Co der FN-Klammergriff genutzt werden muss, reicht bei der KW X ein einziger Tastendruck. FN-Kombinationen werden nur dann nötig, wenn F-Tasten benötigt werden – Cherry hat die typische Belegung schlicht invertiert. Eine Option zum dauerhaften Vertauschen der beiden Ebenen gibt es, da sich FN permanent (Strg+FN) aktivieren lässt.
Via Software lässt sich nur bedingt nachsteuern. Die KW X ist eine Tastatur, die im Wesentlichen aus der Packung genommen und genau so benutzt wird. Cherrys „Keys“ erlaubt lediglich die Neubelegung von etwas mehr als zwei Handvoll Tasten. Das Anlegen verschiedener Funktionsebenen oder umfangreiche Layout-Änderungen sind nicht vorgesehen. In einem Fall wäre das jedoch praktisch: Die FN-Taste liegt ungünstig.
An Perfektion scheitert Cherry in einem zweiten Punkt. Die erste KW X weigerte sich aufgrund eines krummen Chassis, gerade zu stehen. Ein zweites Exemplar präsentierte sich in besserem Zustand und hob lediglich eine Ecke an – was auffiel, weil der Blick schärfer war. Ein manuelles Nachbiegen schuf dann endgültig Abhilfe. Laut Cherry entsteht das Phänomen durch temperaturbedingt unterschiedlichem Verzug der Aluminium- und Kunststoff-Bestandteile des Tastaturchassis. Von einer Selbstreparatur durch Zimmertemperaturen fehlte bei den vorliegenden Exemplaren jedoch jede Spur.
Die KW X ULP ist trotz massiver Bauweise deutlich dünner als herkömmliche mechanische Keyboards und lässt sich daher auch leichter verbiegen. Oben ist die Tastatur aus Aluminium, unten aus Kunststoff - beides dehnt sich bei Hitze oder Kälte unterschiedlich aus. Dementsprechend kann es während dem [sic] finalen Transport zu einer geringfügigen Verformung kommen. Durch einen sanften Gegendruck lässt sich diese Verformung innerhalb von einer Sekunde lösen und die Tastatur liegt wieder perfekt auf. Die Funktion ist dadurch nicht beeinträchtigt.
Cherry
Das kann kaum mehr als irgendwie okay sein, auch wenn Cherry versichert, keine andere Tastatur mit der Problematik im Bestand zu haben. Vielleicht ist der Flachbau etwas zu sehr auf die Spitze getrieben worden, denn luxuriös solide mutet die Konstruktion kaum an. Das bewegt sich noch fernab von „billig“, „labbrig“ oder kritischer Substanz. Festzuhalten bleibt aber auch, dass die Tastatur sich leicht über die ganze Länge biegen lässt, wenn man es sehr mutwillig darauf anlegt. In der Preisklasse von über 200 Euro bewegt sich das entgegen des Trends. Im Grunde tun die Produkte normalerweise gut daran, den über das Preisschild etablierten Premium-Anspruch – Sinn hin oder her – schon beim Anfassen durch Gewicht, Material und solideste Konstruktion unter Beweis zu stellen. Es gehört sich schlicht so.
Fazit
Office-Taster in einer Office-Tastatur: Endlich kommt zusammen, was offenkundig längst zusammengekommen sein müsste. Das Gesamtpaket ist für Office ein Traum. Eine ergonomisch-flache Tastatur mit präziser Tastentechnik, auf der es sich überaus angenehm schreibt und deren Zusatzfunktionen nicht überborden, aber mit ausreichend Augenmaß gewählt wurden. Von Freiheiten beim Einrichten, die Enthusiastenprodukte mittlerweile bieten, hält sich Cherry dabei fern. Auspacken, einschalten, fertig – das ist das Prinzip, das für die meisten Anwender völlig ausreicht.
Etwas vertrackt ist die Sache dann doch. Während man über den hohen Preis von aktuell rund 220 Euro hinwegsehen kann – es schreibt sich wirklich gut und wir reden von Luxus, bei dem es noch nie um „brauchen“ ging –, bleibt Sorge über die Qualität. Hier darf es gerne eine Schippe mehr sein, zumal sich die Ausstattung höchst fein von Exzessen fernhält.
Dennoch: Als Bürogerät hat die KW X die Nase vor der anderen ULP-Tastatur am Markt, der rund 100 Euro (!) teureren Corsair K100 Air (Test). Sie bietet zwar eine etwas schöner anmutende Verarbeitung, RGB-LEDs, mehr Tasten und eine mächtigere, aber auch umständliche Software und schlechtere Tastenkappen. Als schlanke Luxus-Schreibmaschine funktioniert Cherrys Konzept jedoch besser, weil die Corsair-Extras für die Zielgruppe der Taster keine Rolle spielen dürften. Kurz: Sie kostet rund 30 Prozent weniger und eignet sich genauso gut für das Büro. Insofern ist die günstigere Tastatur Kraft ihres Preises und nicht Kraft des überlegenen Gesamtpakets die bessere Wahl. Geld darf bei immer noch 200 Euro Kaufpreis weiterhin keine Rolle spielen.
Die allerbeste Lösung wären die Taster jedoch in einer nochmals ergonomischeren Kompaktform nach Art eines Apple Magic Keyboard oder einer 68-Prozent-Tastatur. Die Etablierung der Taster erfolgt jedoch weiterhin in Trippelschritten und ist noch eine oder zwei Etappen vom Ziel entfernt. Auf Basis der bisherigen Geschwindigkeit werden sie dort jedoch frühestens (!) im kommenden Jahr eintreffen. Go, Cherry!
- Vielfältige Konnektivität
- Herausragende Bürotaster
- Sinnvolles Layout & Zusatzfunktionen
- Durchdachte Detaillösungen
- Stark eingeschränkte Konfiguration
- Mäßige Anmutung
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