GPU-Leistungsaufnahme: Auch Radeon kann auf dem Windows-Desktop sparsam sein
Radeon-RX-Grafikkarten verbrauchen bei hohen Bildwiederholfrequenzen viel Strom auf dem Windows-Desktop, das gilt vor allem für Ultra HD mit 144 Hz und für RDNA 3. Doch das muss nicht unbedingt so sein, wie ComputerBase jetzt herausgefunden hat. Für den Artikel wurden sämtliche Idle-Messungen mit allen Grafikkarten neu erstellt.
Grafikkarten-Leistungsaufnahme im „Idle-Modus“
ComputerBase führt Leistungsaufnahme-Messungen bei Grafikkarten ab sofort mit dem deutlich besseren Messequipment Powenetics V2 (Bericht) durch. Damit lässt sich unter anderem deutlich schneller messen, was wiederum genauere Analysen erlaubt. Auf dieser Basis hatte die Redaktion zuletzt bereits die Messungen von Grafikkarten unter Spiele-Last inklusive neuen Szenarien aktualisiert (Bericht), nun folgen die Messungen „im Leerlauf“ auf dem Windows-Desktop.
An den Messreihen selbst hat sich dabei in diesem Fall nichts geändert. Nach wie vor gibt es die Einsatzszenarien „Idle/Leerlauf“ (gar keine Last), YouTube mit SDR und HDR sowie Dual-Monitor und den realitätsnahen Test mit einer Fensterbewegung beim Messen. Bei den Auflösungen hat sich ebenfalls nichts getan: Es wird in 3.840 × 2.160 mit den Bildwiederholfrequenzen von 60 Hz und 144 Hz getestet.
Die große Überraschung: AMD + Adaptive Sync
Eine Sache hat sich allerdings geändert: das Display. Auswirkungen aus diesem Wechsel waren jedoch nicht erwartet worden, doch weit gefehlt.
Bis dato bot das Testsystem-Display kein VRR
Bis zuletzt hatte die Redaktion am Grafikkarten-Testsystem auf ein altes 4K60-Display gesetzt, für das Variable Refreshrate (VRR, Adaptive Sync, FreeSync, G-Sync) ein Fremdwort waren. Das war allerdings nicht schlimm, denn auf Benchmarks hat VRR ohnehin keinerlei Auswirkungen und das galt eigentlich auch für den Betrieb auf dem Windows-Desktop. Denn anders als in Spielen wird VRR dort „ab Werk“ nicht genutzt, auch wenn es im Grafiktreiber aktiviert wurde, die unter Windows 11 verfügbare Option „Variable Aktualisierungsrate“ war auf dem Testsystem abgeschaltet.
Der Monitor meldete dann auch das erwartete Verhalten: In Spielen wurden variable Refreshraten genutzt, auf dem Windows-Desktop aber nicht. Grafikkarten mit Nvidia- und Intel-GPUs zeigten dann auch wie erwartet keine Unterschiede, ganz egal ob VRR im Treiber an- oder abgeschaltet war.
Das neue Display mit VRR schickt Radeon RX schlafen
Nun ist die Redaktion in den letzten Monaten auf ein neues Display umgestiegen, das Ultra HD bei 144 Hz unterstützt und Adaptive Sync bietet. Während bei Nvidia-Grafikkarten VRR nach einer Windows-Neuinstallation abgeschaltet gewesen ist, hat der AMD-Treiber das Feature von sich aus angeschaltet. Und da gab es dann plötzlich eine große Überraschung, obwohl VRR für den Windows-Desktop weiterhin laut Windows deaktiviert blieb!
Doch anstatt 1xx Watt im „Leerlauf“ auf dem Desktop unter Ultra HD bei 144 Hz hat die Radeon RX 7900 XTX auf dem System plötzlich nur noch 24 Watt benötigt, weniger als ein Fünftel des bisherigen Messwerts.
Nach anfänglicher Verwirrung war dann schnell klar, welche Funktion für den plötzlichen „Leistungsverlust “ verantwortlich gewesen ist: Variable Refreshrate. Denn schaltet man die Funktion im Treiber wieder ab, stieg die Leistungsaufnahme auf dem Desktop bei 4K144 plötzlich wieder auf 104 Watt an. Das gelang nicht nur auf dem Testsystem mit dem Ultra-HD-Display, auch auf einem völlig anderen Rechner mit einem anderen VRR-Display ließ sich das Verhalten reproduzieren.
Haben ComputerBase-Leser dieselbe Erfahrung gemacht?
Daraus schließen, dass sich Radeon RX immer so verhält, sollte man noch nicht, denn dafür ist die Stichprobe noch zu klein. Doch die Redaktion freut sich über Rückmeldungen von Lesern, die über eine Radeon RX (mit RDNA 3) verfügen und bestätigen können, dass der vom Treiber gemeldete Verbrauch beim Aktivieren von VRR an einem VRR-Display auf dem Windows-Desktop fällt, selbst wenn VRR eigentlich nur in Spielen aktiv ist. Potentiell liefert die Erkenntnis die Erklärung dafür, warum Spieler schon länger mal von sehr hohen und mal von erstaunlich niedrigen Stromverbräuchen mit Grafikkarten von AMD auf dem Desktop berichtet haben.
Bisher ohne Erklärung
Bleibt die Frage: Warum ist das so? Warum lässt im Treiber aktiviertes Adaptive Sync den Verbrauch auf dem Windows-Desktop sinken, auch wenn VRR dort deaktiviert und laut Monitor auch nicht genutzt wird? ComputerBase hat AMD das Verhalten geschildert, bis jetzt aber noch keine Antwort erhalten.
Das Warum ist schlussendlich aber ohnehin egal, wenn auch interessant. Wirklich wichtig sind einzig die Auswirkungen. Sie zeigen sich im Idle-Modus mit einem Monitor, mit zwei Bildschirmen und im Fensterbewegungs-Test. Bei der Videowiedergabe gibt es dagegen keine größeren Unterschiede. Das alles gilt auch nur bei hohen Bildwiederholraten, bei 60 Hz hat der Schalter keine Auswirkungen. Ultra HD braucht es dagegen nicht, wobei dort die Unterschiede am größten sind. RDNA 3 ist ebenfalls nicht nötig, da alle Radeon-Grafikkarten profitieren – die Radeon-RX-7900-Serie allerdings am meisten, deren Ergebnisse bis jetzt katastrophal gewesen sind, wenn VRR im Treiber deaktiviert war oder das Display diese Technologie gar nicht bot.
Messungen der Leistungsaufnahme auf dem Windows-Desktop
Weil Radeon-Grafikkarten mit im Treiber aktiviertem, in Windows für den Desktop allerdings deaktiviertem Adaptive Sync plötzlich und unerklärlicherweise deutlich weniger elektrische Leistung an einem 144-Hertz-UHD-Display aufnehmen, sehen die Ergebnisse auch völlig anders aus.
Mit 20 Watt auf dem Windows-Desktop benötigt die Radeon RX 7900 XTX plötzlich genau so viel oder wenig wie die GeForce RTX 4080, die Radeon RX 7900 XT mit 17 Watt gar 5 Watt weniger als das getestete Custom-Design der GeForce RTX 4070 Ti. Das sind nur 3 Watt (XTX) bis 4 Watt (XT) mehr als in Ultra HD mit 60 Hz, bei Nvidia steigt der Verbrauch von 60 auf 144 Hertz jetzt sogar stärker an.
Auch RDNA 2 profitiert von VRR, aber weniger
Und nicht nur AMD RDNA 3 profitiert. Auch die Vorgängergeneration benötigt weniger elektrische Leistung, wenngleich der Effekt geringer ist. Doch es reicht, um in dieser Disziplin mit Abstand ganz vorne im Testfeld zu liegen, ganz gleich um welche Grafikkarte es sich handelt. Damit verbraucht RDNA 3 immer noch klar mehr als RDNA 2 auf dem Windows-Desktop, aber der Unterschied ist nicht mehr ganz so groß. Selbst die Radeon RX 7600 zieht mit 18 Watt viel mehr als die Radeon RX 6650 XT, die auf 7 Watt kommt – das Chiplet-Design der Radeon RX 7900 ist also nicht das Problem, es liegt an der Architektur selbst.
Beim Dual-Monitor-Test profitiert RDNA 3 erneut deutlich. Wenn ein 60-Hz- und ein 144-Hz-Monitor mit Ultra-HD-Auflösung angesteuert werden, benötigen die drei Radeon-RX-7000-Karten vergleichbar viel beziehungsweise weniger elektrische Leistung als die direkten Konkurrenzmodelle aus Nvidias GeForce-RTX-4000-Reihe. Die Radeon-RX-6000-Modelle profitieren dagegen nicht, da sie sich schon bei 60 Hz schwertun.
Und beim realitätsnahen Fensterbewegungs-Test profitieren die RDNA-3-GPUs von der angeschalteten Variable Refreshrate – wenn auch in einem geringeren Ausmaß. Doch anstelle von 111 Watt benötigt die Radeon RX 7900 XTX geringere 71 Watt, was zwar nach wie vor den letzten Platz im Testfeld bedeutet, allerdings dennoch eine ordentliche Verbesserung ist. Die konkurrierende GeForce RTX 4080 liegt mit 36 Watt nichtsdestoweniger immer noch deutlich weiter vorne. Die RDNA-2-Grafikkarten können in diesem Szenario nicht von der VRR-Option profitieren.
Nicht alles wird besser
Dasselbe gilt für alle Radeons bei der Videowiedergabe, bei der es kaum einen Unterschied macht, ob Adaptive Sync im Treiber an- oder abgeschaltet ist. Im Detail genehmigen sich die RDNA-3-Modelle beim SDR-Video auf einem 60-Hz-Display sogar mehr Leistungsaufnahme als bei den älteren Messungen – hier hat sich wohl ein Problem bei den neueren Treibern eingeschlichen, das es vorher noch nicht gegeben hat. RDNA 2 ist davon nicht betroffen. Bei 144 Hz gibt es keinen nennenswerten Unterschied mehr. Bei einem HDR-Video fällt die Leistungsaufnahme bei den RDNA-3-Radeons mit 4K60 erneut schlechter aus, während die 4K144-Ergebnisse immerhin besser werden und dann auf dem schlechten Niveau der 60-Hz-Resultate liegen.
4K144 Desktop Idle |
4K144 Dual-Monitor |
4K144 Fensterbewegung |
4K144 YT, SDR, 60 FPS |
4K144 YT, HDR, 60 FPS |
|
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Radeon RX 6700 XT Alte Messung |
34 Watt | 34 Watt | 43 Watt | 40 Watt | 45 Watt |
Radeon RX 6700 XT Neue Messung |
8 Watt (-76 Prozent) |
34 Watt (+-0 Prozent) |
41 Watt (-5 Prozent) |
38 Watt (-5 Prozent) |
43 Watt (-4 Prozent) |
GeForce RTX 3060 Ti Alte Messung |
18 Watt | 24 Watt | 43 Watt | 27 Watt | 42 Watt |
GeForce RTX 3060 Ti Neue Messung |
17 Watt (-5 Prozent) |
24 Watt (+-0 Prozent) |
38 Watt (-12 Prozent) |
28 Watt (+4 Prozent) |
36 Watt (-14 Prozent) |
Arc A770 Alte Messung |
44 Watt | 46 Watt | 56 Watt | 59 Watt | 69 Watt |
Arc A770 Neue Messung |
48 Watt (+9 Prozent) |
50 Watt (+9 Prozent) |
62 Watt (+11 Prozent) |
59 Watt (+-0 Prozent) |
66 Watt (-4 Prozent) |
Radeon RX 6800 XT Alte Messung |
43 Watt | 43 Watt | 54 Watt | 49 Watt | 52 Watt |
Radeon RX 6800 XT Neue Messung |
9 Watt (-79 Prozent) |
43 Watt (+-0 Prozent) |
45 Watt (-17 Prozent) |
47 Watt (-4 Prozent) |
51 Watt (-2 Prozent) |
GeForce RTX 3080 Alte Messung |
21 Watt | 23 Watt | 50 Watt | 33 Watt | 48 Watt |
GeForce RTX 3080 Neue Messung |
24 Watt (+14 Prozent) |
31 Watt (+35 Prozent) |
45 Watt (-10 Prozent) |
34 Watt (+3 Prozent) |
43 Watt (-11 Prozent) |
Radeon RX 7900 XTX Alte Messung |
104 Watt | 105 Watt | 111 Watt | 72 Watt | 109 Watt |
Radeon RX 7900 XTX Neue Messung |
20 Watt (-81 Prozent) |
30 Watt (-71 Prozent) |
71 Watt (-36 Prozent) |
68 Watt (-5 Prozent) |
75 Watt (-31 Prozent) |
GeForce RTX 4080 Alte Messung |
16 Watt | 25 Watt | 36 Watt | 26 Watt | 38 Watt |
GeForce RTX 4080 Neue Messung |
20 Watt (+25 Prozent) |
28 Watt (+12 Prozent) |
36 Watt (+-0 Prozent) |
27 Watt (+4 Prozent) |
40 Watt (+5 Prozent) |
Schlussworte
Die neuen Ergebnisse der Leistungsaufnahme-Messungen auf dem Windows-Desktop sind eine echte Überraschung. Dass sämtliche AMD-Grafikkarten durch das Aktivieren von Adaptive Sync im Treiber, nicht aber in Windows für den Windows-Desktop genau auf diesem Windows-Desktop je nach Szenario massiv weniger elektrische Leistung benötigen, war so nicht erwartet worden und ist bis dato auch nicht zu erklären, doch die Zahlen lügen nicht. Eine Antwort seitens AMD steht noch aus.
Mit den neuen Ergebnissen sieht vor allem die Leistungsaufnahme aller RDNA-3-Grafikkarten deutlich besser als zuvor aus, denn ohne VRR sind die Resultate teils eine absolute Katastrophe gewesen. Zwar gibt es auch Fälle, in denen die Leistungsaufnahme nach wie vor hoch ist, oft ist aber eine deutliche Verbesserung zu verzeichnen.
Nvidia- und Intel-Grafikkarten interessiert es dagegen überhaupt nicht, ob auf dem Windows-Desktop Adaptive Sync an- oder abgeschaltet ist – und so sollte das eigentlich auch bei AMD sein.
Welche Erfahrungen haben ComputerBase-Leser mit einer Radeon RX gemacht? Können Leser die neuen Erkenntnisse der Redaktion an einem VRR-Display bestätigen?
Weitere Tests zum Thema GPU-Stromverbrauch
ComputerBase hat sich nach der Anschaffung des neuen Messsystems Powenetics V2 mit dem Thema Leistungsaufnahme bei Grafikkarten in zwei weiteren Artikel auseinandergesetzt, sodass es insgesamt drei Artikel dieser Art gibt. Wer diesbezüglich Interesse hat, sollte entsprechend einen Blick in die zwei anderen Berichte werfen.
- GPU-Verbrauch mit Powenetics V2: Ab sofort misst die Redaktion 100 Mal häufiger pro Sekunde
- Grafikkarten: Leistungsaufnahme in Spielen neu vermessen
- GPU-Leistungsaufnahme: Auch Radeons können sparsam auf dem Desktop sein (dieser Artikel)
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