(GPU-)Leistungsaufnahme: Ab sofort misst die Redaktion 1.000 statt 10 Mal pro Sekunde
ComputerBase greift für die Ermittlung der Leistungsaufnahme (von Grafikkarten) ab sofort auf ein neues Messequipment zurück: Powenetics V2. Statt 10 können damit in Zukunft 1.000 Messungen pro Sekunde vorgenommen werden. Was das für die Analyse aktueller und zukünftiger Grafikkarten bedeutet, erklärt ComputerBase im Detail.
Nvidia PCAT: endlich 10 Mal pro Sekunde messen
Die Leistungsaufnahme von PC-Komponenten isoliert zu messen, ist keine einfache Angelegenheit, denn die stromzuführenden Leitungen sind in der Regel nicht darauf ausgelegt, etwaige Telemetriedaten der Hardware nicht zwingend genau genug.
Für die Messung des Stromverbrauchs von Grafikkarten hatte Nvidia vor Jahren deswegen das eigene System PCAT (Power Capture Analysis Tool) ausgewählten Testern bereitgestellt, darunter auch ComputerBase. Mit PCAT lässt sich die Leistungsaufnahme von Grafikkarten messen, also sowohl die Spannungen als auch die Stromstärken am PCIe-Slot und an den Stromsteckern (ab PCAT V2 auch am 12VHPWR-Stecker).
PCAT ist einfach zu nutzen, mit zehn Messpunkten pro Sekunde aber langsam. Für die klassischen Durchschnitts-Verbrauchsangaben stellt dies überhaupt kein Problem dar, Detailbetrachtungen sind mit solch einem System aber nicht möglich. Denn moderne Grafikkarten schalten im Millisekundenbereich zwischen verschiedenen Taktraten hin und her, entsprechend verpasst man mit einer Messung alle 0,1 Sekunden sehr viel.
Powenetics V2: 1.000 Messungen pro Sekunde, nicht nur an der GPU
ComputerBase selbst hat nicht das technische Fachwissen, um ein besseres System selbst zu entwickeln. Das ist aber auch nicht mehr nötig, denn Aris Mpitziopoulos, der Gründer von Cybenetics und Hardware Busters, hat mit Powenetics V2 ein Messequipment entwickelt, das deutlich mehr kann als PCAT und zugleich deutlich schneller arbeitet. Eigenes Fachwissen wird für den Betrieb darüber hinaus nicht benötigt, die Verfügbarkeit vorausgesetzt, kann zudem jedermann Powenetics V2 kaufen. Mit 975 Euro ist Powenetics allerdings kostspielig.
Powenetics V2 hat zwei Besonderheiten. Zum einen kann nicht nur die Leistungsaufnahme der Grafikkarte gemessen werden, was über den PCIe-Slot bzw. den mitgelieferten PCIe-Adapter und über bis zu drei 8-Pin- sowie zwei 12VHPWR-Stecker erfolgen kann. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, die Leistungsaufnahme des Mainboards mit Hilfe von einem 24-Pin-ATX-Stecker und bis zu drei 8-Pin-EPS bzw. einem ATX12VO-Stecker festzuhalten. Damit ist es zwar logischerweise nicht möglich, explizit die Leistungsaufnahme der CPU zu messen, doch da fast alle 12-Volt-Leitungen eines Mainboards für die CPU-Leistung zuständig sind und Werte für den PCI-Slot bekannt sind, kann die isolierte CPU-Leistungsaufnahme ziemlich genau angegeben werden.
Jede Millisekunde können GPU und CPU gemessen werden
Die zweite Besonderheit ist die Geschwindigkeit, denn Powenetics V2 ist dazu in der Lage, 1.000 Messungen pro Sekunde durchzuführen und damit jede Millisekunde einen Wert zu liefern – das ist 100 Mal häufiger als mit PCAT. Mit Hilfe von hochwertigen Oszilloskopen, Messzangen etc. sind zwar noch höhere Abtastraten möglich, mit 1.000 Messungen pro Sekunde lässt sich das Lastverhalten einer Grafikkarte aber schon sehr genau abbilden – und Besonderheiten einer Grafikkarte bezüglich der Stromversorgung zuverlässig festhalten.
Powenetics 2 bietet noch ein paar weitere Vorteile, die für Grafikkarten-Tests aber höchstens bei Detailfragen wichtig sind. Da es in diesem Artikel auch nicht um die Leistungsaufnahme der CPUs geht, beschäftigt sich der Artikel mit der Frage, welche Vorteile die hohe Messgeschwindigkeit denn überhaupt bringt. Welche Erkenntnisse lassen sich durch 1.000 Messungen pro Sekunde gewinnen, die es bei 10 Messungen nicht gibt?
10, 100 oder 1.000 Messungen pro Sekunde: Was bringt das überhaupt?
Powenetics V2 kommt mit einer eigenen Software daher, die als Messintervall 10, 60, 125, 250, 500 oder 1.000 Messungen pro Sekunde zulässt. Alternativ können auch andere Tools auf das „PMD“ („Power Measurements Device“) zugreifen, wenn es denn unterstützt wird. CapFrameX, das ComputerBase auch zur generellen FPS-Messung nutzt, unterstützt Powenetics V2, dort lassen sich Intervalle von 2, 4, 5, 10, 20, 50, 100, 200, 500 und 1.000 konfigurieren.
Für die folgenden Messungen hat die Redaktion auf CapFrameX zurückgegriffen, weil Powenetics' eigene Software deutlich mehr Messwerte protokolliert, die zwar für Detailbetrachtungen interessant sind, für den Artikel aber einfach nicht benötigt werden.
Um zu zeigen, welchen Unterschied die Messgeschwindigkeit ausmacht, greift ComputerBase auf die Nvidia GeForce RTX 3080 Ti Founders Edition zurück, da sie bekannt dafür ist, große Schwankungen bei Spannung und Stromstärke unter Last zu zeigen, weil die Grafikkarte versucht, ihr gesetztes Limit von 350 Watt zu halten. Darüber hinaus existiert eine zweite Testreihe, bei der das Power-Limit um die maximal möglichen 14 Prozent von 350 auf 400 Watt angehoben wird.
Keinen Einfluss auf die Durchschnittswerte
Was die durchschnittliche Leistungsaufnahme einer Grafikkarte betrifft, hat das Messintervall wie erwartet keine relevanten Auswirkungen auf das Ergebnis. Sowohl mit den Werkseinstellungen als auch mit dem voll ausgefahrenen Power-Limit gibt es zwischen nur 2 und satten 1.000 Messungen pro Sekunde quasi keinen Unterschied. Mit nur zwei Messungen fallen die Werte zwar um maximal 0,74 Prozent ab, ob man nun aber 403 oder 406 Watt bei einer GeForce RTX 3080 Ti festhält, ist unerheblich.
RTX 3080 Ti FE Werkseinstellungen |
RTX 3080 Ti FE +14 % PT |
|
---|---|---|
2 Messungen pro Sekunde |
356 Watt | 403 Watt |
10 Messungen pro Sekunde |
358 Watt | 406 Watt |
100 Messungen pro Sekunde |
358 Watt | 408 Watt |
200 Messungen pro Sekunde |
358 Watt | 408 Watt |
500 Messungen pro Sekunde |
358 Watt | 407 Watt |
1.000 Messungen pro Sekunde |
357 Watt | 407 Watt |
Große Unterschiede bei den Maximalwerten
Dass auch bei einer langsamen Messung ein absolut zuverlässiges Ergebnis entsteht, ist keine große Überraschung. Dort soll ein schnelles Messintervall ja auch keine Vorteile bringen. Bei Maximalwerten, sei es im positiven oder im negativen Bereich, sieht dies aber völlig anders aus. Und hier zeigen sich dann auch deutliche Unterschiede bei verschiedenen Messgeschwindigkeiten.
Bei gerade einmal 10 Messungen pro Sekunde und damit dem Intervall vom bis jetzt von ComputerBase genutzten PCAT-System geht vieles verloren. Es gibt einfach zu wenig Messungen, um auch die Ausschläge von Spannung und Stromstärke mitzubekommen.
Bei 100 statt 10 Messungen zeigt sich bei der GeForce RTX 3080 Ti FE bereits, dass die maximale Leistungsaufnahme der Grafikkarte nicht bei 378 Watt, sondern bei klar höheren 410 Watt liegt – das ist ein Unterschied von rund 8,5 Prozent. Der größte Sprung kommt bei 100 Messungen pro Sekunde, doch eine noch höhere Geschwindigkeit macht ebenfalls nochmal einen Unterschied aus, wenn auch einen kleineren. Bei der maximalen Geschwindigkeit von Powenetics V2 lassen sich dann 433 Watt messen. Im Vergleich zu 378 Watt ist das schon eine Differenz von 15 Prozent.
RTX 3080 Ti FE Werkseinstellungen |
RTX 3080 Ti FE +14 % PT |
|
---|---|---|
2 Messungen pro Sekunde |
361 Watt | 417 Watt |
10 Messungen pro Sekunde |
378 Watt | 430 Watt |
100 Messungen pro Sekunde |
410 Watt | 463 Watt |
200 Messungen pro Sekunde |
423 Watt | 481 Watt |
500 Messungen pro Sekunde |
431 Watt | 485 Watt |
1.000 Messungen pro Sekunde |
433 Watt | 494 Watt |
Bei maximalem Power-Target sieht es nicht anders aus. Aus 430 Watt bei der 0,1-Sekunden-Messung werden 494 Watt bei der 0,001-Sekunden-Messung, was einem Unterschied von 14,9 Prozent entspricht. Der größte Sprung kommt auch dort bei einem Intervallwechsel von 10 auf 100 Messpunkten (+7,7 Prozent), während 100 auf 200 Messpunkte (+3,9 Prozent) nochmal einen größeren Unterschied ausmachen und dann eher nur noch Feintuning kommt. Bei 1.000 Messungen statt 200 zeigt sich noch ein Unterschied von 13 Watt, was 2,7 Prozent entspricht.
Verlaufsdiagramme zeigen, was wirklich passiert
Simple Durchschnitts- oder Maximalwerte sind aber eben nur das: Schlussendlich ein einziger Wert, der nicht anzeigt, was über einen gewissen Zeitraum genau passiert. Mit einem klassischen Liniendiagramm ist dies aber ohne Weiteres möglich. Um alle gemessenen Zeitintervalle sinnvoll darstellen zu können, hat die Redaktion mit allen genutzten Messgeschwindigkeiten ein Liniendiagramm über 5 Sekunden Messdauer erstellt, die allesamt auch den Wert des Maximalverbrauchs beinhalten. Das hat zur Folge, dass das Liniendiagramm mit 2 Messungen pro Sekunde 11 einzelne Messwerte zeigt, das mit 100 Messungen 501 Werte und das mit 1.000 Messungen 5.000 Werte (die korrekten 5.001 Messwerte kann das Diagrammsystem nicht ohne Weiteres darstellen).
Und bei den Diagrammen wird sofort deutlich, dass sowohl 2 als auch 10 Messungen und damit die „PCAT-Geschwindigkeit“ viel zu langsam sind, um auch nur im Ansatz erahnen zu können, wie die GeForce RTX 3080 Ti tatsächlich mit ihrem Energie-Budget umgeht. Bei nur 2 Messungen pro Sekunde sieht es sogar so aus, als würden sich Spannung und Stromstärke während der 5 Sekunden langen Testsequenz überhaupt nicht ändern, bei 10 Messungen nur geringfügig.
- 1000 Messungen pro Sekunde
- 500 Messungen pro Sekunde
- 200 Messungen pro Sekunde
- 100 Messungen pro Sekunde
- 10 Messungen pro Sekunde
- 2 Messungen pro Sekunde
100 Messungen pro Sekunde machen den Unterschied
Ab einem Intervall von 0,01 Sekunden und damit 100 Messungen pro Sekunde hat man dann bereits einen recht guten Eindruck, wie die Grafikkarte tatsächlich reagiert. Es zeigt sich ein andauerndes Auf und Ab in der Leistungsaufnahme – je nach Messpunkt ist mit 410 Watt bis hinunter 317 Watt so ungefähr alles vertreten. Und so deutet sich dann auch erstmals an, dass die TDP von 350 Watt nicht viel mehr als ein Durchschnittswert ist, den die Grafikkarte zu halten versucht. Die Maximal- und Minimalwerte können aber deutlich höher sein.
Arbeitet man nun noch genauer, werden nicht nur die Maximal- und die Minimalwerte höher beziehungsweise niedriger, sondern es zeigt sich obendrein, dass die Grafikkarte im Millisekundenbereich massive Schwankungen bei der Leistungsaufnahme aufweist. Das ist dann auch ein Grund, warum einige Netzteile mit entsprechenden Grafikkarten immer mal wieder zu kämpfen haben und gerne in die Notabschaltung gehen. Da wird schnell die Maximalleistung überschritten und ist die Schutzabschaltung schnell genug, greift sie ein.
Und zum Schluss nun ganz detailliert
Auch wenn die obrigen Diagramme nur einen Ausschnitt von 5 Sekunden zeigen: Mit einer Messung alle 0,001 Sekunden sind dies immer noch 5.000 Messwerte, genaue Details sind damit nur schwer zu erkennen. Das folgende Diagramm zeigt daher nur 101 Messwerte bei maximaler Messgeschwindigkeit und lediglich eine Dauer von 0,1 Sekunden. Das lässt die Details viel deutlicher erscheinen.
Selbst in diesen gerade mal 100 ms zeigt die GeForce RTX 3080 Ti mehrere „Schwankungs-Intervalle“, stellenweise arbeitet die Grafikkarte in dem Zeitraum mit 433 Watt, teils auch nur mit 296 Watt. Darüber hinaus ist zu sehen, dass das Powermanagement und die Hardware offenbar so konfiguriert sind, dass die Grafikkarte immer für einige wenige Millisekunden klar mehr Energie als die TDP aufnehmen kann, um dann schrittweise den Verbrauch wieder zu reduzieren und mal mehr, mal weniger unter die TDP zu drücken. Ist dies erneut für einige Millisekunden geschehen, fährt die Leistungsaufnahme wieder schrittweise hoch.
Von Idle auf Volllast
Alle bisherigen Messungen stammen aus einer Lastphase, die durchweg voll anlag – also genau wie in einem Spiel. Die nächste Betrachtung ist daher speziell. Denn das nächste Szenario zeigt Doom Eternal, das während der Lastphase aber immer wieder durch das Erstellen eines Screenshots unterbrochen wird. Das Game bleibt dann wortwörtlich kurz stehen, die Grafikkarte hat keine Last mehr und wenn das Spiel weitergeht, gibt es quasi einen Wechsel der Auslastung von 0 auf 100 Prozent.
In diesem Extremszenario zeigt sich, dass die GeForce RTX 3080 Ti nochmals ein ganzes Eck extremer reagieren kann als im reinen Spielbetrieb. Denn wie bei durchgängiger Spielelast dreht die Grafikkarte bei einem plötzlichen massiven Lastwechsel für wenige Millisekunden richtig auf – nur eben nochmal deutlich mehr als bei durchgängiger Last.
In diesem Szenario konnte die Redaktion maximal 537 Watt messen, mehr als 500 Watt war der übliche Wert bei dem plötzlichen Lastwechsel. Wird der Spitzenwert nach dem „Lossprinten“ erreicht, wird die Leistungsaufnahme innerhalb von etwa 10 ms auf weniger als 500 Watt gedrosselt und fällt dann innerhalb der nächsten knapp 10 ms auf unter 400 Watt. Dabei war das der Extremfall während der Messungen, teilweise schaltet die Grafikkarte auch schneller herunter, manchmal wird die 500-Watt-Marke nicht mal ganz geknackt.
Wie geht es weiter?
Mit Powenetics V2 kann ComputerBase in Zukunft viel genauere Einblicke in das Verhalten von Grafikkarten beziehungsweise ihre Leistungsaufnahme geben. An den bisherigen Betrachtungen der verschiedenen Lastszenarien wird sich kaum etwas ändern. Es wird aber möglich sein, deutlich tiefer ins Detail zu gehen.
Um den neuen Tiefgang für alle getesteten Grafikkarten bieten zu können, werden sämtliche Messungen, sowohl für Idle- als auch für Lastszenarien, derzeit überarbeitet. Wie die neuen Ergebnisse ausfallen, wird ComputerBase in Kürze in zwei verschiedenen Artikeln aufzeigen.
2 weitere Artikel über das Thema Leistungsaufnahme bei Grafikkarten
ComputerBase hat sich nach der Anschaffung des neuen Messsystems Powenetics V2 mit dem Thema Leistungsaufnahme bei Grafikkarten in zwei weiteren Artikeln auseinander gesetzt, die in Kürze erscheinen werden.
- GPU-Verbrauch mit Powenetics V2: Ab sofort misst die Redaktion 100 Mal häufiger pro Sekunde (dieser Artikel)
- Grafikkarten: Leistungsaufnahme in Spielen neu vermessen
- GPU-Leistungsaufnahme: Auch Radeons können sparsam auf dem Desktop sein
ComputerBase hat Powenetics V2 auf eigene Kosten erworben.
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