Nach Kritik an Digitalpolitik: Ampel plant Fortschritte bei Datenstrategie und KI-Entwicklung

Update 2 Andreas Frischholz
242 Kommentare
Nach Kritik an Digitalpolitik: Ampel plant Fortschritte bei Datenstrategie und KI-Entwicklung
Bild: Carsten | CC BY 2.0

Die aktuelle Bundesregierung aus SPD, Grüne und FDP startete bei der Digitalpolitik mit einem ambitionierten Programm, doch bei der Umsetzung hapert es noch, berichtet der Bitkom. Wenige Vorhaben wurden bislang abgeschlossen, vor allem die fehlende Digitalisierung bei der Bürokratie schade dem Wirtschaftsstandort.

Die Meldung wurde aktualisiert. Das Update findet sich am Ende.

Wie der Stand bei der Umsetzung der Digitalstrategie ist, analysiert der IT-Branchenverband im Rahmen des Monitor Digitalpolitik. Das Resultat: Bislang wurden 38 der insgesamt 334 digitalpolitischen Vorhaben abgeschlossen, die der Bitkom im Koalitionsvertrag und der Digitalstrategie identifiziert hat. Diese 38 entsprechen einem Anteil von elf Prozent. Während sich 219 Vorhaben – also 66 Prozent und somit weit mehr als die Hälfte – in der Umsetzungsphase befinden, wurden 77 Vorhaben (23 Prozent) noch nicht begonnen.

Ein Blick allein auf die Menge der Vorhaben ist aber nicht ausreichend, um die Fortschritte zu bewerten; zu unterschiedlich ist die Tragweite der Projekte. „Manches ist kaum der Erwähnung wert, andere Projekte sind richtig dicke Bretter, brauchen viele Ressourcen und erfordern umfassende Abstimmungen mit den Bundesländern oder der EU“, erklärt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.

Komplexe Prozesse, komplexe Digitalisierung

Zu den Kleinprojekten zähle etwa die „Digitalisierung der Flughafen­abfertigungs­prozesse“ oder Machbarkeits­studien zu Themen wie Blockchain. Problematischer sind indes die Großprojekte. So will der Bund etwa in der Verwaltung das „Once-Only“-Prinzip einführen, durch das Bürger künftig nur einmal Daten hinterlegen muss und dies nicht bei jeder Verwaltungsdienstleistung erneut erforderlich ist. Involviert sind an dieser Stelle neben dem Bund aber noch die Länder sowie die Kommunen, die jeweils für die Umsetzung einzelner Dienstleistungen zuständig sind. So erschwert die föderale Struktur die Abstimmung.

Für die meisten Digitalprojekte ist das Bundesinnenministerium zuständig, weil dort das Online-Zugangsgesetz (OZG) angesiedelt ist. Das ursprüngliche Ziel dieses Gesetzes: Bis Ende 2022 sollten alle Verwaltungs­dienstleistungen auch online erledigt werden können. Die Frist wurde aber verfehlt, derzeit arbeitet die Bundesregierung an einem OZG 2.0, um Rückstände aufzuholen. Noch ist das aber nicht so weit, es fehlen konkrete Fristen und die Finanzierung ist auch ungewiss.

Ein Aspekt, den der Bitkom besonders kritisch bewertet, denn der Rückstand der deutschen Verwaltung entwickelte sich allmählich zum Standortnachteil, der sowohl Unternehmen als auch die Bürger belaste. Entscheidend sei dabei nicht nur, allgemeine Verwaltungsdienste wie das Beantragen von Geburtsurkunden oder Reisepässen online zu ermöglichen. Wichtig sei auch, etwa Genehmigungs­verfahren oder Dokumentations­pflichten so zu digitalisieren, dass Unternehmen diese einfacher und schneller erledigen können. Bitkom-Präsident Wintergerst: „Die Bürokratie ist aktuell der größte Bremsklotz für das digitale Deutschland.

Fortschritte gebe es aber auch. Dazu zählt laut Bitkom der Ausbau der Mobilfunk- und Breitbandinfrastruktur sowie die Digitalisierung im Gesundheitswesen mit der – umstrittenen – Einführung der elektronischen Patientenakte. Bemerkenswert ist laut Bitkom zudem, wie die Bundesregierung versucht, Deutschland als globalen Standort für die Halbleiterindustrie zu etablieren. So fördert man die Investitionen von Chip-Fabriken mit Milliarden-Investitionen. Das gilt etwa für Intels Fabrikpläne in Magdeburg und das Projekt von TSMC samt Partnern in Dresden.

Digitalisierung als falsche Stelle zum Sparen

Ein weiterer Kritikpunkt des Bitkoms sind die Finanzen. Gelder für das Digitalbudget, das viele Projekte finanzieren sollte, waren nicht im Haushalt 2023 und sind auch für 2024 nicht vorgesehen. „Wer bei der Digitalisierung spart, spart an der völlig falschen Stelle“, so Bitkom-Präsident Wintergerst. Denn digitalisierte Prozesse könnten Verfahren nicht nur vereinfachen und beschleunigen, sondern auch Kosten sparen.

Die Bundesregierung will bei der Digitalisierung aber ebenfalls sparen, wie kürzlich bekannt wurde. Ein Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sorgte für Aufsehen, weil 2024 für die Verwaltungsdigitalisierung nur 3 Millionen Euro vorgesehen sind. Vertreter der Bundesregierung erklärten zwar, laufende OZG-Projekte würden aus bestehenden Budgets finanziert, doch auch bei weiteren Digitalprojekten wurde gekürzt. Für die Entwicklung digitaler Identitäten – ein wesentlicher Ansatz, damit Bürger sich online rechtsverbindlich ausweisen können – sind nur noch 40 Millionen Euro statt 60 Millionen Euro eingeplant.

Update

Weiterer Kritik zur Halbzeit der Legislaturperiode: Neben Branchenverbänden wie dem Bitkom bemängeln auch 21 Verbände aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Open-Source-Wirtschaft, dass die Bundesregierung bei den Digitalvorhaben nachlegen müssen. Der Koalitionsvertrag sei ambitioniert gewesen, nun müsse man Versprechen einlösen und die benötigen Mittel bereitstellen.

Eine der zentralen Forderungen ist, die Zivilgesellschaft stärker einzubinden. Als die Bundesregierung etwa die Digitalstrategie erstellte, sei das nicht der Fall gewesen. Problematisch sei es auch bei Gesetzen. Bei der BND-Reform hatten Verbände vor der Anhörung nur 24 Stunden Zeit, um einen 88-seitigen Entwurf zu lesen.

Besonders bedeutsam sei zudem der Bereich Klimaschutz. So sei das Energieeffizienzgesetz, das zu einem nachhaltigeren Betrieb von Rechenzentren führen soll, als Initiative positiv, gehe aber nicht weit genug. Erforderlich wären zudem weitere Maßnahmen, um die Digitalwirtschaft ökologisch auszurichten. Es besteht also Handlungsbedarf. „Ohne Kurswechsel droht am Ende der Legislatur ein digitalpolitisches Scheitern und ein langfristiger Schaden für Gesellschaft und Wirtschaft“, heißt es in der Mitteilung.

Zu den Verbänden zählen das Bündnis Bits & Bäume, zu dem etwa der BUND, Wikimedia Deutschland oder der Chaos Computer Club zählen. Weitere Unterzeichner sind die Free Software Foundation Europe, die Open Knowledge Foundation Deutschland und der Verein D64. Die vollständige Liste ist bei der Free Software Foundation abrufbar.

Unzufriedenheit macht sich auch derzeit in der Bevölkerung breit, wie eine Umfrage zeigt, die der Internetwirtschaftsverband Eco in Auftrag gegeben hat. 70 Prozent geben demnach an, keine Fortschritte in wichtigen Bereichen der digitalen Transformation zu sehen.

Update

Wie im Vorfeld erwartet, hat sich die Bundesregierung bei der Klausurtagung in Meseberg auf Maßnahmen verständigt, um die Digitalisierung voranzubringen. Zu den Maßnahmen in dem 10-Punkte-Plan zählen etwa – wenig überraschend – die KI-Entwicklung und der Bürokratieabbau. Wesentliche Aspekte im Überblick:

  • Neue Datenstrategie: Mit dem Forschungsdatengesetz sollen Daten in größerem Umfang und besserer Qualität für die Forschung bereitgestellt werden. Das gilt für verschiedene Bereiche, konkrete genannt werden Gesundheitsdaten und das Training von KI-Modellen. Datenschutzstandards sollen erhalten bleiben.
  • Bereich Gesundheit: Ab dem Jahr 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) verpflichtend sein und das E-Rezept zum Standard werden. Das Opt-Out-Verfahren bei elektronischen Patientenakte bleibt aber bestehen, die Nutzung wird weiter freiwillig sein.
  • Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen weiter beschleunigt werden. Erreichen will man das, indem Verfahren vereinfacht und digitalisiert werden. Auch KI soll hier zum Einsatz kommen. Auf diese Weise soll etwa das Online-Zugangsgesetz – also die Digitalisierung der Verwaltungsdienstleistungen – schneller umgesetzt werden.
  • Sowohl die KI-Strategie als auch den geplante AI Act der EU will man „pragmatisch“ umsetzen, es dürfe keine Überregulierung geben.
  • Startups will die Bundesregierung ebenfalls weiter fördern, indem unter anderem private Investitionen erleichtert werden sollen.