Digitales Lernen: Schlechte Ausstattung laut Schülern größtes Hindernis
Schüler sind am digitalen Lernen sehr interessiert, in den meisten Fällen verdirbt jedoch die schlechte Ausstattung in den Schulen die Lust daran. Das ist die Quintessenz einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom. Doch nicht nur fehlende Technik wird kritisiert, der generelle Unterricht ist für viele ebenfalls ein Problem.
Befragung legt viele Baustellen offen
Dass es um den digitalen Unterricht an deutschen Schulen nicht besonders gut bestellt ist und Deutschland in dieser Disziplin im internationalen Vergleich immer weiter zurückfällt, ist lange bekannt und daher keine neue Erkenntnis. Um ein genaueres und differenzierteres Bild zu erhalten, hat der Branchenverband Bitkom nun 504 Schüler im Alter von 14 bis 19 Jahren befragt und dabei zahlreiche Probleme ans Tageslicht befördert, mit denen Schüler hierzulande beim digitalen Lernen jeden Tag konfrontiert werden.
Kein Anschluss unter dieser Nummer
Um überhaupt digital lernen zu können, müssen die verwendeten Geräte erst einmal miteinander vernetzt sein und online einen Weg in die Außenwelt finden. Doch genau hier beginnt für die meisten Schüler bereits das Problem: Allein 87 Prozent der Befragten gaben an, dass in ihren Schulen eine ausreichende WLAN-Versorgung die größte Baustelle darstelle. Meist sei WLAN nur unzureichend vorhanden, nicht selten fehle ein drahtloses Netzwerk sogar zur Gänze.
Lehrer oftmals für Infrastruktur verantwortlich
Ebenso wurde laut der Befragung kritisiert, dass in rund drei Viertel der Fälle kein alleine für die Wartung der IT-Infrastruktur abgestellter Mitarbeiter vorgesehen ist, sondern diese Aufgabe von Lehrkräften zusätzlich zu ihren täglichen Anforderungen übernommen wird. Fällt diese aus, werden entsprechende Geräte und Netzwerke nicht mehr gewartet. Lediglich 2 Prozent der Befragten gaben an, sich bei Problemen an einen externen Dienstleister wenden zu können. Die Umfrage zeigt darüber hinaus, dass für 16 Prozent der Befragten die Situation bei Problemen ganz düster aussieht: Diese erhalten im Grunde überhaupt keine technische Unterstützung und müssen sich somit selbst um die Lösung des Problems kümmern. Laut Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst werden über den Digitalpakt derzeit zwar viele Schulen mit digitalen Geräten und entsprechender technischer Infrastruktur ausgestattet, der damit ansteigende Bedarf an technischem Support bleibt dabei aber oft an den Lehrkräften hängen. Es ist daher unumgänglich, dass Schulen dauerhaft Mittel erhalten, um sich selber um die Instandhaltung kümmern zu können.
Ausstattung: Neu trifft auf alt
Die jeweilige Ausstattung fällt dabei unterschiedlich aus und hält auch die eine oder andere Überraschung bereit: So werden mit 71 Prozent und damit dem größten Anteil Smartboards im Unterricht eingesetzt, gefolgt von Tablets (67 Prozent) und Projektoren (63 Prozent). Mit 51 Prozent gab rund die Hälfte der befragten Schüler an, auf Notebooks zurückgreifen zu können, deutlich abgeschlagen ist mit 37 Prozent die Nutzung von eigenen Smartphones im Unterricht sowie die Einbindung von stationären Desktop-Rechnern mit 32 Prozent. Aber auch als eher veraltet geltendes Equipment kommt nach wie vor zum Einsatz: So sind CD-Spieler und Overhead-Projektoren mit 23 beziehungsweise 21 Prozent nach wie vor vertreten, TV-Geräte kommen mit 20 Prozent ebenso noch zum Einsatz wie Videorekorder, die mit 7 Prozent das Schusslicht bilden.
48 Prozent der Befragten bemängeln zudem den aus ihrer Sicht zu geringen Einsatz digitaler Geräte, auch wenn 74 Prozent angaben, dass sich durch die Verwendung entsprechender Bildungsmedien wie Lernplattformen das Lernen für sie einfacher gestalte und sie dadurch motivierter seien. Bei mehr als zwei Drittel (68 Prozent) überwiegt jedoch die Meinung, dass es um die entsprechende technische Ausstattung an der Schule besser bestellt sein könnte. 6 von 10 Schülern (62 Prozent) gaben dabei ebenso an, dass viele Medien bereits veraltet und manche Informationen dadurch nicht mehr aktuell sind, 61 Prozent bemängeln die generell geringe Auswahl.
Gute und schlechte Noten für Lehrer
Entgegen der häufig vorherrschenden Meinung erleben 62 Prozent der Schüler ihre Lehrer gegenüber digitalen Geräten und Bildungsmedien aufgeschlossen, 16 Prozent sogar als sehr aufgeschlossen. Lediglich 14 Prozent stellen den Lehrkräften in Sachen Einsatzbereitschaft ein eher weniger optimistisches, 5 Prozent sogar ein negatives Zeugnis aus. Auf der anderen Seite kritisieren wiederum 42 Prozent der Schüler das mangelnde Wissen ihrer Lehrer über den sinnvollen Einsatz digitaler Bildungsmedien im Unterricht. „Die Umfrage zeigt, dass es bei der Digitalisierung von Bildung nicht nur um Infrastruktur und Geräte geht. Digitale Lehr- und Lerninhalte sowie digital qualifizierte Lehrkräfte sind den Schülern ebenfalls sehr wichtig“, merkt Wintergerst weiter an. Mit 59 Prozent und damit bereits mit größerem Abstand rangiert auf Platz zwei der Mängelliste der generelle Lehrermangel, 49 Prozent kritisieren zudem ausfallenden Unterricht.
Kompetenzvermittlung im grünen Bereich, Inhalte weniger
Trotz aller Kritik fühlen sich die Schüler in vielen Bereichen gut aufgehoben, vor allem was die Vermittlung von Medienkompetenz betrifft. So sehen sich 77 Prozent der Befragten bei der Nutzung von Suchmaschinen zur Informationsbeschaffung gut informiert, während jedoch die Vermittlung für Kompetenzen zur richtigen Bewertung von Informationsquellen mit gerade einmal 46 Prozent für viele zu gering ausfällt. Bei den Themen rund um das richtige Verhalten in Chats und sozialen Netzwerken sowie dem richtigen Umgang mit Hassrede fühlen sich zwei Drittel (66 Prozent) der Schüler gut abgeholt, Urheberrecht und Datenschutz folgen mit 61 und 57 Prozent.
Bei den vermittelten Inhalten treten dagegen große Lücken auf: So ist die Nutzung von Standard-Software und Standardgeräten bei 69 und 65 Prozent der Schüler Bestandteil des Unterrichtes. Mit 43 Prozent bereits deutlich abgeschlagen ist das Erstellen von Websites, gefolgt von der Vermittlung grundlegender Kenntnisse wie Programmiersprachen mit 42 Prozent. Aktuelle und vor allem komplexere Themen wie KI oder Big Data kommen lediglich bei 24 Prozent der befragten Schüler im Unterricht zur Sprache.
Nicht selten ist das, was am wenigsten unterrichtet wird, mit das spannendste für Schüler: So wird die Reparatur oder der Bau digitaler Geräte in 5 Prozent der Fälle unterrichtet, 61 Prozent der Schüler würden aber gerne ihre Kompetenzen vertiefen. Vor allem hier sieht Bitkom-Präsident Wintergerst die Erwartungen vieler Schüler vonseiten der Schulen nicht erfüllt.
Informatik als Pflichtfach ganz oben auf der Wunschliste
Bei der Befragung sprachen sich zudem mit 66 Prozent zwei Drittel der Schüler für Informatik als verpflichtendes Schulfach in den Klassen 5 bis 10 aus, lediglich 10 Prozent waren dagegen. Der Rest besaß in der Hinsicht keine Präferenz.
Die große Mehrheit der befragten Schüler sieht die Zukunft trotz aller Kritik zudem positiv: So gehen 87 Prozent davon aus, dass bis 2030 allen Lehrkräften ein Notebook oder Tablet zur Verfügung steht. Bei entsprechenden Geräten für Schüler fällt der Anteil mit 74 Prozent zwar geringer, aber immer noch sehr hoch aus. 40 Prozent der Befragten halten es zudem für möglich, dass zu diesem Zeitpunkt Klausuren nur noch am PC geschrieben werden, 23 Prozent sind zudem der Ansicht, dass eine verpflichtende Anwesenheit in der Schule nicht mehr vorhanden wäre und es jedem Schüler freigestellt wird, ob er in Präsenz oder digital am Unterricht teilnehmen will. Dass Roboter als Unterstützung der Lehrkräfte im Unterricht eingesetzt werden, glauben immerhin 8 Prozent.
Positive Umsetzung ungewiss
Inwieweit die Wünsche der Schüler umgesetzt werden können, ist derzeit allerdings ungewiss. Erst vor rund einer Woche wurden Pläne der aktuellen Ampel-Regierung bekannt, die bisher vorgesehenen Mittel für den Ausbau der Digitalisierung in Deutschland von 377 Millionen Euro aus dem Jahr 2022 rigoros auf 3 Millionen Euro im kommenden Jahr zu kürzen. Diese Kürzungen wären mit massiven Auswirkungen auf die Schulen verbunden, da notwendige Verbesserungen von den Ländern alleine nicht gestemmt werden können.
Bund und Länder, so Ralf Wintergerst, müssten endlich anfangen, die notwendigen Veränderungen„als Auftrag ihrer künftigen Wählerschaft“ zu lesen. Vor allem die skandinavischen Länder zeigen hier, was in Sachen Digitalisierung im Unterricht möglich ist. Alleine der Abstand zum direkten Nachbarn Dänemark betrage mittlerweile 20 Jahre, so Wintergerst. Er fordert einen Digitalpakt 2.0, der schnellstmöglich verhandelt und beschlossen werden müsse.