Nach Musks Twitter-Übernahme: Umweltschutz-Community verlässt X
Weitere Nutzergruppen wenden dem ehemals als Twitter bekannten Kurznachrichtendienst X den Rücken zu. Mehr als die Hälfte der Nutzer, die in Diskussionen über Umwelt- und Klimaschutz beteiligt waren, sind seit der Übernahme des Netzwerks durch Elon Musk nicht mehr aktiv.
Das ist die Erkenntnis einer Studie, die in dem Magazin Trends in Ecology & Evolution veröffentlicht wurde. Vor Musks Übernahme sei Twitter eine beliebte Plattform für Umweltwissenschaftler und Aktivisten gewesen. „Wir beobachteten, dass es eine lebendige Community gab, die sich an einem Diskurs über Umweltthemen beteiligte“, erklärt Charlotte Chang, Assistenzprofessorin für Biologie und Umweltanalysen am Pomona College, in einer Mitteilung. Was sich nun erkennen lässt, ist ein Trend, der sich seit Oktober – also dem Zeitpunkt der Übernahme – verschärft.
Nur noch 52,6 Prozent der Umwelt-Nutzer aktiv
Von Juli 2019 bis April 2023 untersuchte ihr Team die Aktivitäten von 380.000 Twitter-Nutzern, die sich auf der Plattform mit Umweltthemen befassten. Verglichen wurden die Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe mit 458.000 Nutzern, die auf X die US-Präsidentschaftswahl 2020 diskutierten. Das Ergebnis: 52,6 Prozent der im Umweltbereich verorteten Nutzer waren im April 2023 noch aktiv. Bei der Kontrollgruppe waren es hingegen noch 79,4 Prozent. Nur gut ein Fünftel der entsprechenden Nutzer war also nicht mehr auf der Plattform vertreten. Dass Musks Übernahme der Wendepunkt war, lässt sich anhand der Zeitverläufe erkennen.
Für X-Befürworter aus der Gruppe sowie Forscher, die besonders stark auf die Plattform angewiesen sind, sei der „Exodus der Umweltnutzer“ eine schwerwiegende Bedrohung, heißt es in der Studie. Denn die Plattform habe eine wesentliche Rolle gehabt, um Informationen zu verbreiten, verschiedene Zielgruppen zu mobilisieren und um Daten zu analysieren, die Rückschlüsse auf die aktuellen Debatten und Stimmungen rund um die sogenannte Zwillingskrise zulassen – also sowohl die Klimakrise als auch das Artensterben. Inwieweit X eine Zukunft für die entsprechenden Nutzergruppen habe, lasse sich nicht abschätzen.
Der soziale Graph schwächt sich ab
Die Umweltschutz-Community ist somit eine weitere Gruppe, die bei X weniger aktiv ist. Erst letzte Woche wurde publik, dass Wissenschaftler sich im Allgemeinen von der Plattform abwenden. Wie aus einer Nature-Umfrage hervorgeht, gab mehr als die Hälfte der befragten Forscher an, weniger oder überhaupt nicht mehr auf der Plattform aktiv zu sein. Zu den Gründen zählen die mangelnde Moderation, die einhergeht mit einem raueren Umgangston, sowie technische Limitierungen wie ein kostenpflichtiger API-Zugang und Leselimits. Befürchtet wird außerdem, dass künftig vor allem zahlende Nutzer privilegiert behandelt werden, was den Wert der Plattform mindert. Aus der Studie über die Umweltschutz-Community lässt nicht direkt ableiten, warum das Milieu abwandert.
Nichtsdestotrotz sind es einschneidende Änderungen für die jeweiligen Gruppen, weil Twitter in den Milieus als wichtiges Kommunikationswerkzeug galt. Nutzer konnten sich etwa leichter vernetzen und eigene Ergebnisse in den für sie relevanten Gruppen – also etwa der jeweiligen Forschungsfachrichtung – präsentieren. So hatte die Plattform einen demokratisierenden Effekt. Zudem konnten Nischenthemen eine hohe Reichweite erhalten. Die Frage ist, inwieweit so etwas noch möglich ist, wenn die jeweiligen Gruppen auf alternative Plattformen wie Mastodon, BlueSky oder Metas Threads ausweichen.
Doch auf für X ist die Tendenz problematisch. Denn die Stärke des Kurnachrichtendienstes war stets der soziale Graph – gemeint ist damit die Verbindung der zahlreichen Nutzergruppen, die auf der Plattform aktiv sind. Diese haben Twitter ein Alleinstellungsmerkmal verschafft und waren maßgeblich verantwortlich für die kulturelle Bedeutung, die der Dienst erreicht hat. Je mehr Nutzergruppen abwandern, desto mehr verliert die Plattform – wie von Analysten prognostiziert – an Relevanz.