Gamescom

Pioneers of Pagonia: Volker Wertich erklärt Bauen, Logistik, Grafik und Magie

Update Fabian Vecellio del Monego
107 Kommentare
Pioneers of Pagonia: Volker Wertich erklärt Bauen, Logistik, Grafik und Magie
Bild: Envision Entertainment

Die Hoffnung enttäuschter Siedler-Liebhaber liegt nach Ubisofts Fehlschlag in Envision Entertainments Pioneers of Pagonia. Am 13. Dezember starte das Spiel auf Steam in den Early Access, auf der Gamescom 2023 ließ es sich erstmals anspielen. ComputerBase hat außerdem mit Volker Wertich gesprochen und einige Fragen gestellt.

Von Siedlern zu Pionieren

Nachdem Wertich, der von Ubisoft für das zur Gamescom 2018 vorgestellte Siedler-Reboot eigens angeheuert wurde, die Vision nicht mehr teilte, die dem Entwicklerteam bei Blue Byte Düsseldorf von oben herab dirigiert wurde, hatte er seinen Job prompt quittiert und arbeitet seit Anfang 2021 mit seinem eigenen Studio Envision Entertainment an einem eigenen Aufbauspiel. Die Trennung von Ubisoft sei aber nicht im Streit erfolgt, das war ihm im Gespräch mit der Redaktion wichtig zu betonen.

Tatsächlich standen damals aber gleich zwei Ideen im Raum. Auf der einen Seite gab es das Konzept eines größeren Sci-Fi-Strategiespiels, das ein Stück weit ein Schritt ins Unbekannte und vor allem aufwändiger zu produzieren gewesen wäre. Und auf der anderen Seite eben ein klassisches Mittelalter-Aufbaustrategiespiel, für das man sich letztlich auch aufgrund der einfacheren Finanzierung entschieden habe. Mittlerweile arbeiten rund 20 Entwickler an Pioneers of Pagonia.

Die Grundzüge des Spieles sind inzwischen bekannt, erstes Gameplay gab es schon vor rund einem Monat zu sehen, weswegen ComputerBase mit einigen Fragen in den Anspiel-Termin ging. An neuen Informationen gab es zur Gamescom ein paar Termine: Am 13. Dezember 2023 startet Pioneers of Pagonia auf Steam in den Early Access und zum nächsten Steam Next Fest, das am 9. Oktober startet, soll eine Demo-Version veröffentlicht werden. Außerdem wird es im September noch einen geschlossenen Playtest geben, wobei Envision Entertainment die Chance auf Teilnahme gegen eine Newsletter-Anmeldung handelt.

Ein anderes, aber doch sehr vertrautes Aufbauspiel

Eine grundsätzliche Frage, die seit Ankündigung des Titels im Raum steht: Wie nah ist Pioneers of Pagonia an dem Spiel, das Ubisofts Siedler-Reboot einmal werden sollte? Volker Wertich gibt zu verstehen, dass Gemeinsamkeiten zu Ubisofts ursprünglicher Siedler-Vision letztlich allein darauf beruhen, dass der gleiche Lead Developer daran arbeite. Und tatsächlich, allzu viele Gemeinsamkeiten finden sich im Detail nicht. Allerdings ist Pioneers of Pagonia noch wesentlich mehr Siedler, als es Ubisofts neues Siedler werden sollte. Und all der Siedler-Vergleiche, die sein neues Projekt über sich ergehen lassen muss, sei er auch nicht überdrüssig, erklärt Wertich – im Endeffekt habe er die Siedler ja groß gemacht; es seien größtenteils seine Spiele.

So hat er auch kein Problem damit, wenn die wuselnden Pagonier gemeinhin als Siedler bezeichnet werden. Diese altern übrigens nicht, sondern können ewig leben und munter von Beruf zu Beruf und Wohnhaus zu Wohnhaus wechseln – je nachdem, wo sie gerade benötigt werden. Und ganz entgegen der bisherigen Andeutungen, die Pagonier bräuchten Fleisch, um glücklich zu werden, hält Wertich am Rande fest: Wer mag, kann seine Siedlung auch vollkommen vegetarisch ernähren. Oder eben gar nicht, denn auch Nahrung ist für den gemeinen Träger nebensächlich und optional.

Komplexität und Tiefgang zieht Pioneers of Pagonia also nicht aus den Bedürfnissen der Pagonier, denn diese sind außerordentlich genügsam. Stattdessen gilt es, mit knappem Bauplatz umzugehen, ineinander verzahnte Industrien zu balancieren und eine funktionieren Logistik zu errichten.

Freies Bauen und Puzzeln zwischen Hügeln

Beim Errichten von Gebäuden ist vor allem zu Beginn des Spiels geschicktes Puzzeln gefragt. Ein festes Raster, wie es beispielsweise aus Anno bekannt ist, gibt es nicht; wohl aber Hilfslinien beim Platzieren neuer Gebäude oder Wege. Beides lässt sich gänzlich frei in der Spielwelt platzieren, solange der Grund eben und frei ist. Eine jede legale Gebäudeposition sei umsetzbar; die Blaupausen schmiegen sich erst an bestehende Gebäude oder Wege an, wenn sie sonst kollidieren würden. Und wer ein wenig Platz zwischen Grundstück und Straße lässt, wird nicht mit einem unschön aussehenden grünen Streifen bestraft, sondern kann sich darüber freuen, dass die Stelle zwischen Haustür und Straße automatisch mit einer Weg-Textur angepasst wird.

Die Herausforderung ergibt sich nun dadurch, dass verschiedene Gebäude unterschiedlich viel Platz benötigen, auf – in der Regel sehr große – Einflussradien geachtet werden muss und das in der Regel sehr hügelige Terrain nicht geebnet werden kann: Terraforming-Möglichkeiten gibt es in Pioneers of Pagonia nicht. Wer eine eher flache Karte besiedeln möchte, kann das aber vor der Kartenerstellung anpassen. Grundsätzlich sollen große, plane Ebenen, die Platz für üppige Felder oder ein Stadtzentrum bieten, aber eine Ausnahme bilden, über die sich Spieler freuen sollten. Das regt – ebenso wie ein paar endliche Ressourcen – zur Expansion an, für die Grenzsteine und damit letztlich Steinvorkommen benötigt werden.

Bei der Logistik hapert es noch ein wenig

Von der eigentlichen Vision des Spiels noch nicht allzu viel zu sehen gab es bei der Logistik. Derzeit gibt es nur gewöhnliche Wege, aber weder Straßen noch Esel oder Karren. Alle Träger – und davon kann es im späteren Spiel Tausende geben – laufen unabhängig des Gefälles stets gleich schnell, mit gleicher Animation und suchen sich den geographisch kürzesten Weg.

Pioneers of Pagonia (Bild: Envision Entertainment)

Und das führt dazu, dass in der auf der Gamescom spielbaren Version eine Perlenkette an Trägern im Gleichschritt marschierte oder eben nicht marschierte, weil alle Pagonier wie Autos auf einer verstopften Straße im Stau standen. Und da bleiben sie auch stehen, denn querfeldein können nur beispielsweise Förster, Jäger oder Sammler laufen, nicht aber Träger. Aber dieser Probleme ist sich Volker Wertich bewusst. An den Animationen werde noch gearbeitet und eine neue Lotsen-Einheit soll die Träger dazu animieren, den schnellsten – und eben den kürzesten – Weg zu wählen. Im Endgame soll die Logistik außerdem noch ausgefeilter werden, aber dazu wollte man sich noch nicht im Detail äußern. Im Early Access werden diese Funktionen aber zunächst fehlen.

Zwei Streitfragen: Grafik und Magie

In der Community auf ComputerBase gab es zudem zwei Themen, die eifrig diskutiert wurden: Die Grafik und die Magie. Noch sei die Optik des Spiels zwar nicht final, erklärt Wertich, aber letztlich habe sich Envision bewusst und auf Kosten des Realismus gehende Wohlfühlatmosphäre mit stilisiertem Artstyle und hellen, fröhlichen Farben entschieden. Das liegt auch daran, dass man auf das Budget habe schauen müssen. Eine Skalierung für UHD- und Ultrawide-Bildschirme werde es aber selbstverständlich geben. Und die Systemanforderungen sollen auch nicht allzu hoch ausfallen.

Und dann ist da noch die Gretchenfrage der Magie. Volker Wertich beschwichtigt: Die Spielwelt von Pioneers of Pagonia sei mittelalterlich und handwerklich geprägt, Envision habe sich für Low Fantasie und ebenso Soft Magic entschieden. Des Weiteren spiele diese Magie nur für Kämpfe eine Rolle – die es in der aktuellen Version des Spiels noch gar nicht gibt – und sei darüber hinaus optional, denn beim Start einer neuen Karte könnten sich Spieler für ein durchweg friedliches Spiel entscheiden. Grundsätzlich steht Volker Wertich aber hinter der Fantasy-Spielwelt und erklärt, dass es über den Weg der Magie letztlich mehr und vor allem interessantere Gameplay-Mechaniken im Endgame realisierbar waren.

Pioneers of Pagonia ist auf einem guten Weg

Und das Ergebnis ist soweit durchaus spaßig – nicht nur aufgrund der Siedler-Nostalgie, die bei Spielern der ersten Siedler-Teile unweigerlich aufkommt, sondern auch, weil das Gameplay funktioniert und die verschiedenen Bestandteile des Spiels gut ineinander greifen. Pioneers of Pagonia gestattet und fördert ein Bauen um des Bauens Willen. Das mag bei einem Aufbauspiel eigentlich nicht überraschen und sollte Grundvoraussetzung sein, muss aber nach Ubisofts vergeigtem Reboot positiv angemerkt werden.

Und im Vergleich zu derzeit gängigen Aufbauspielen mit Mittelalter-Setting, wie es beispielsweise auch Farthest Frontier bietet, ist Envision Entertainment bei Pioneers of Pagonia wesentlich mehr auf das Gameplay fokussiert. Es existieren viele klassische Balancing-Mechaniken, die nicht unbedingt den Sinn haben, ein realistisches Spiel zu erschaffen, sondern das Ziel, einen möglichst kohärenten Gameplay-Loop zu erzeugen. Wobei es an einigen Stellen so wirkt, als gäbe es einzelne Elemente nur, damit klassische Siedler-Spiele zitiert werden können.

Denn auch, wenn Volker Wertich ausführt, dass Pioneers of Pagonia ein ganz neues Spiel sein soll: Wer die alten Siedler-Spiele kennt, der kann es sich kaum verkneifen, das Aufbauspiel als Best-of-Neuauflage der Serien-Anfänge zu begreifen, die allerdings ordentlich erweitert und aud die Höhe der Zeit gebracht wurde. Das ist ein bewährter und einerseits wenig innovativer Ansatz, aber andererseits genau das, was Liebhaber der alten Teile auch nach Ubisofts Siedler: Neue Allianzen bislang vergeblich suchen.

Nur steht dann noch die Frage nach dem Wiederspielwert im Raum: Abseits der prozedural generierten Karten gibt es für einen zweiten Durchlauf wenig Anreize, wenn einmal alle Gameplay-Mechaniken gemeistert sind. Eine Kampagne oder weitere Völker fehlen zum Early-Access-Start; Spieler können lediglich frei siedeln. Das soll aber immerhin in einem Durchgang bis zu 10 Stunden beschäftigen. Außerdem wird es zeitnah zum Release einen kooperativen Mehrspielermodus geben.

Update

Der geschlossene Playtest zu Pioneers of Pagonia wird am 14. September starten und bis zum 25. September andauern, wie Envision Entertainment soeben bekanntgegeben hat. Nach wie vor handelt der Entwickler eine Chance zur Teilnahme an der Alpha-Testphase gegen eine Newsletter-Anmeldung. Die Auswahl der Teilnehmer geschehe zufällig, ausgewählte Interessenten sollen am 14. September per E-Mail benachrichtigt werden und müssen dann einigen Bedingungen zustimmen, um das Aufbauspiel ausprobieren zu dürfen.

Participants will be randomly selected from our newsletter subscribers. Each participant in the first group will receive a Steam Key via email on September 14th. In this mail we will also inform you about our guidelines and a few explanations on how to play the game. For example, there will be no streaming or taking pictures allowed, as we are trying to work together with you to make a good game, and the closed alpha will show a lot of work in progress material that is intended for this stage of the game's development, but not for the upcoming Early Access launch. Depending on how the closed alpha goes, we may invite additional groups in the coming days.

Envision Entertainment
Gamescom 2023 (23.–27. August 2023): ComputerBase war vor Ort!
  • Platform:6: Corsairs PC-Schreibtisch-Werkbank startet ab 1.169 Euro
  • The Talos Principle II: Puzzelnde Roboter werfen Gesellschaftsfragen auf
  • Nvidia GeForce RTX: DLSS 3.5 soll Raytracing hübscher machen
  • +51 weitere News