Drama um Daedalic: Reportage fühlt Gollum und Publisher auf den faulen Zahn
Der Herr der Ringe Gollum und das Entwicklerteam bei Daedalic waren aufgrund firmeninterner Missstände zum Scheitern verurteilt, konstatiert eine Reportage. Die Aufarbeitung liefert Hintergründe zur Entstehungsgeschichte eines der schlechtesten Spiele des Jahres und konfrontiert das Daedalic-Management mit schweren Vorwürfen.
Die Hintergründe zum schlechtesten Spiel des Jahres
Der Herr der Ringe: Gollum war für den Hamburger Publisher Daedalic ein einziges Desaster, das war spätestens mit der Abwicklung der eigenen Entwicklungsabteilung und der Entlassung eines Viertels der Belegschaft klar. Selten kommt es vor, dass ein Videospiel derart schlecht ist, dass ein Publisher nach vernichtenden Rezensionen von Presse und Spielern nicht nur die Arbeit am bereits finanzierten Nachfolger einstellt und die in Anspruch genommenen rund 2 Millionen Euro an Fördergeldern des Bundeswirtschaftsministeriums mitsamt Zinsen zurückzahlt, sondern gleich ganz damit aufhört, überhaupt noch eigene Spiele zu entwickeln.
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Und anscheinend schaffte selbst Gollum das nicht im Alleingang; stattdessen waren sowohl das Scheitern des Spiels als auch des Entwicklerteams von innen heraus vorprogrammiert, wie Recherchen von GameTwo – eine Kooperation von ZDFneo und Rocket Beans TV – zeigen. Am Donnerstagabend um 23:40 Uhr wird die 40-minütige Reportage bei ZDFneo ausgestrahlt, via YouTube ist sie schon jetzt verfügbar.
Worum geht es?
Die Verantwortlichen der Reportage haben mit insgesamt 32 – unter anderem ehemaligen – Mitarbeitern von Daedalic sowie Personen aus dem Umfeld des Publishers und einstigen Entwicklers gesprochen, wobei die meisten Gesprächspartner anonym bleiben wollten. Außerdem wurden Auszüge aus E-Mail-Verläufen gesichtet. Die investigative Reportage attestiert Daedalic ein fundamentales Versagen nicht nur bei Der Herr der Ringe: Gollum, sondern bei der Projektplanung als solche, beim internen Management und bei der Personalpolitik, sowie eine toxische Firmenkultur.
Crunch und ein toxisches Arbeitsumfeld
Es mag im Kontext der Spieleindustrie nicht weiter überraschen: Monatelange Mehrarbeit, Crunch und nicht selten 60 Stunden pro Woche seien die Regel gewesen, berichten Mitarbeiter. Nächte und Wochenenden hätten mitunter durchgearbeitet werden müssen. Der Geschäftsführung bescheinigen die Interviewpartner einen „harten und unnachgiebigen Führungsstil“, die Rede ist von einer „Atmosphäre der Angst“.
Lange Zeit hätte Daedalic überwiegend Berufseinsteiger und Praktikanten beschäftigt, um Lohnkosten zu drücken, so die Reportage. Als im Januar 2015 in Deutschland der allgemeine gesetzliche Mindestlohn eingeführt wurde, hätte Daedalic ausschweifend versucht, diesen über den Umweg „freiwilliger“ Berufsorientierungspraktika für zuvor angestellte Entwickler zu umgehen. Wer sich geweigert habe, unter Mindestlohnniveau bezahlt zu werden, dem wurde gekündigt, berichten ehemalige Mitarbeiter.
Ein neues Genre überfordert maßlos
Bei Der Herr der Ringe: Gollum sei nun erschwerend hinzugekommen, dass das Entwicklerteam keine Erfahrungen mit dem Genre hatte. Daedalic zeichnete zuvor für erfolgreiche Point-and-Click-Adventures wie Deponia oder Edna bricht aus verantwortlich. In dieser Tradition sei auch beim Gollum-Spiel zunächst die Handlung ausgearbeitet worden, um anschließend Gameplay und Mechaniken drüberzustülpen. Diese Herangehensweise sei zum Scheitern verurteilt gewesen, wobei letztlich trotz mehrfacher Verschiebungen auch die Zeit gefehlt habe und viele Konzepte nicht umgesetzt werden konnten.
Generell sei die Größe des Projekts viel zu ambitioniert und für das vergleichsweise kleine Entwicklerteam und mit einem Budget von rund 15 Millionen Euro nicht stemmbar gewesen. Die Summe ist vor dem Hintergrund der von Indie-Studios geprägten deutschen Entwicklerlandschaft zwar außergewöhnlich hoch, im internationalen Vergleich aber sehr niedrig: Aktuelle Triple-A-Produktionen verschlingen im Jahr 2023 nicht selten mehr als zehnmal so viel Geld.
Entschuldigung per ChatGPT?
Stein des Anstoßes ist zudem das generische Entschuldigungsschreiben, das im Nachgang an den desaströsen Start des Gollum-Abenteuers auf dem Twitter-Account des Spiels veröffentlicht wurde. Tatsächlich stammte der Text, der zu allem Überfluss von „The Lord of Ring: Gollum“ spricht, gar nicht von Daedalic, sondern wurde laut Mitarbeitern in Eigenregie vom französischen Publisher Nacon, der Daedalic im Februar 2022 für rund 53 Millionen Euro aufgekauft hatte, per ChatGPT erstellt und veröffentlicht.
Daedalic reagiert oft ausweichend
Das sei nur halbwegs korrekt, erklärte Daedalic im Nachhinein. Tatsächlich wurde das Schreiben über die Köpfe der Entwickler hinweg verfasst und publiziert, Publisher Nacon habe zu diesem Zweck aber keine KI bemüht. Ohnehin lässt sich nicht prüfen, inwieweit die zahlreichen Anschuldigen zutreffen, zumal Fakt und Mutmaßung in der Reportage nicht immer eindeutig voneinander unterscheidbar sind. In einer Stellungnahme gibt Daedalic zu verstehen, dass im Unternehmen stets ein freundliches Betriebsklima geherrscht und die Geschäftsführung „immer ein offenes Ohr für Kritik und Anregungen der Beschäftigten gehabt“ habe. Die Kritik nehme sich Daedalic nichtsdestoweniger zu Herzen.
Wir alle von Daedalic sind sehr betrübt darüber, dass der ohne Frage hinter den Erwartungen zurückbleibende Release von Gollum nun zum Anlass genommen wird, die 17 Jahre zurückgehende Unternehmenshistorie von Daedalic mit ihren zahlreichen Erfolgen und Auszeichnungen insgesamt in Frage zu stellen.
Berechtigte Kritik nehmen wir gern an und werden beispielsweise die Vorwürfe in Bezug auf die interne Kommunikation zwischen Geschäftsleitung und Team einer genauen Aufarbeitung unterziehen. Die aktuellen qualitativen Probleme von Gollum jedoch mit allgemeinen, teilweise viele Jahre zurückliegenden Vorkommnissen in Verbindung bringen zu wollen, ist indes viel zu einfach gedacht.
Bestes Beispiel sind die Schwierigkeiten, die wohl fast alle Unternehmen bei Einführung des Mindestlohns Anfang des Jahres 2015 hatten. Daedalic hat seinerzeit versucht, eine faire Lösung für jeden Einzelfall zu finden und möglichst viele Mitarbeiter*innen im Unternehmen zu halten. Das war vor mehr als 8,5 Jahren, als Gollum noch lange nicht geplant war – dennoch wird daraus nun einer der Gründe des Misserfolges des Spiels konstruiert (Titel Game Two: „Warum Gollum scheitern musste“).
Daedalic ist es stets wichtig, transparent und offen auf Fragen einzugehen. Deshalb übermitteln wir anliegend ebenso transparent die Originalfragen von Game Two samt unserer diesbezüglichen Antworten, die leider unserer Meinung nach bislang nicht hinreichend berücksichtigt wurden.
Daedalic
Auf die allermeisten Anschuldigungen reagiert der Publisher wiederum ausweichend und kann oder will sie nicht direkt dementieren. Berufseinsteiger und Praktikanten beschäftige das Unternehmen kaum noch, heißt es, und die Mindestlohn-Situation sei tatsächlich tragisch gewesen – allerdings, weil viele Beschäftigte, die aufgrund der gestiegenen Lohnkosten entlassen werden mussten, gerne auch für eine niedrigere Entlohnung beim Entwickler weitergearbeitet hätten. Darüber hinaus beschwert sich Daedalic darüber, dass Gollum nun instrumentalisiert werde, um die 17-jährige Erfolgsgeschichte des Unternehmens zu beschädigen.
Die Korrespondenz im Wortlaut
Die Stellungnahme sowie die zweiteilige Korrespondenz zwischen Daedalic und GameTwo liegen GamesWirtschaft im Wortlaut vor. Ein Großteil der Fragen und Antworten wurde inzwischen veröffentlicht und findet sich nachfolgend.
Daedalic: Wie versprochen, anbei unsere Antworten auf deine Fragen, die wir – soweit bestehende Verträge dies rechtlich zulassen – gerne beantworten. Die Art und Weise Deiner Fragestellung deutet jedoch darauf hin, dass hinter den teilweise abstrakten Fragen konkrete Informationen Dritter stehen, die Du uns nicht offenbarst.
Gerade bei den Fragen, die einen Vorwurf implizieren, gebietet es die journalistische Sorgfaltspflicht, uns auch die Möglichkeit zu geben, zu einem konkreten Sachverhalt Stellung nehmen zu können. Das ist aber unmöglich, wenn wir nicht wissen, worum es eigentlich geht. Wir haben daher nachfolgend versucht, Deine Fragen bestmöglich zu beantworten und immer da, wo Du Deine Frage bitte spezifizieren musst, darauf hingewiesen.
Ferner gehen wir davon aus, dass dieser zuletzt von Dir übersandte Fragenkatalog final ist und mithin alle relevanten Fragen umfasst und wir in dem Fall, dass weitere Sachverhalte in eurem Beitrag thematisiert werden sollen, wir wiederum vorab die Gelegenheit erhalten, dazu Stellung zu nehmen. Dies ist nicht zuletzt presserechtlich geboten. Das gilt auch für etwaige Fragen zu Gollum. Nun zu Deinen Fragen:
GameTwo: Wie würdet ihr die Unternehmenskultur bei Daedalic beschreiben?
Vor fast 17 Jahren wurde Daedalic quasi aus dem Nichts gegründet und hat seitdem eine beispiellose Erfolgsgeschichte mit vielen tollen Spielen erleben dürfen. Die Tatsache, dass wir als kleines Unternehmen in Deutschland über die Jahre mehr Branchenpreise gewonnen haben als jedes andere deutsche Games-Unternehmen, ist aus unserer Sicht ein Beleg dafür, dass sich unsere Mitarbeiter:innen im hohen Maße mit unserem Unternehmen identifizieren.
Zur Firmenhistorie gehören aber auch Rückschläge, wie gerade geschehen. Dennoch halten wir als Team zusammen. Denn Daedalic ist nichts ohne die Menschen, die hier arbeiten.
Werden Mitarbeitende dazu angehalten, ihre angesammelten Überstunden auszugleichen?
Wie bei jedem kreativen Medienunternehmen gibt es auch bei Daedalic ruhige Phasen und ebenso Zeiten, in denen alles auf Hochtouren läuft. Für den großen Einsatz und Enthusiasmus unseres gesamten Teams sind wir sehr dankbar. Natürlich werden bei Daedalic die arbeitsrechtlichen Vorgaben beachtet.
Wann habt ihr nach Einführung des Mindestlohngesetzes den dazu berechtigten Praktikant:innen den Mindestlohn gezahlt? Mussten wegen der Einführung des Mindestlohns Personen entlassen werden?
Als vor mehr als 8,5 Jahren der allgemeine gesetzliche Mindestlohn eingeführt wurde, hat Daedalic auch diese Vorgabe umgesetzt. Das führte in der Tat wie bei vielen Unternehmen der Medienbranche auch bei uns dazu, dass einige Mitarbeiter:innen nicht weiter beschäftigt werden konnten.
Das war in einigen Fällen geradezu tragisch, da manch einer Daedalic als Sprungbrett in die Gamesbranche nutzen wollte und gern auch für eine geringere Vergütung gearbeitet hätte.
Gab es von Mitarbeitenden schon einmal Beschwerden über die Geschäftsführung?
Hierzu bitten wir um Spezifizierung, ob es Dir um eine konkrete Beschwerde geht? Dann würden wir hierzu gern Stellung nehmen, dazu bedarf es aber weiterer Ausführung Deinerseits. Ansonsten liegt es in der Natur das Sache, dass nicht jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter mit allen Entscheidungen der Geschäftsleitung einverstanden ist. Wir haben aber immer ein offenes Ohr für Kritik und Anregungen unseres Teams.
Wie wird in der internen Kommunikation mit durch Mitarbeitende gemeldete Probleme und Schwierigkeiten umgegangen?
Hierzu bitten wir um Spezifizierung, ob es Dir um eine konkrete Meldung geht? Dann würden wir hierzu gern Stellung nehmen, dazu bedarf es aber weiterer Ausführung Deinerseits.
Gab es bei euren gepublishten Spielen schon einmal den Fall, dass der mit dem Studio geschlossene Vertrag nicht eingehalten wurde / werden konnte?
Auch das ist zu allgemein gehalten und daher nicht zu beantworten. Wer soll welchen Vertrag nicht eingehalten haben? Wir? Das Studio? Gern würden wir hierzu Stellung nehmen, dazu bedarf es aber weiterer Ausführung Deinerseits. Sollte die Frage allgemein gewesen sein, gilt: Wir haben im Laufe der Jahre mit mehr als 100 Partnern erfolgreich zusammengearbeitet, hierzu gehören beispielsweise Amanita Design, Telltale, Funatics, Larian und Mimimi.
Natürlich bleibt es nicht aus, dass es auch einmal knirscht. Denn die Zusammenarbeit von Publisher und Developer ist komplex und läuft in der Regel über mindestens fünf Jahre. Wie es laufen sollte, hängt immer von der Perspektive ab. Aus Publisher-Sicht gibt es dauernd Dinge, die ein Developer versprochen und dann nicht eingehalten hat. Anstatt Milestone-Zahlungen zu kürzen, versuchen wir aber immer, gemeinsam eine faire Lösung zu finden. Aus Developer-Sicht kann ein Publisher wahrscheinlich nie genug tun. Man muss aber auch schauen, was realistisch und wirtschaftlich ist.
Bis heute hat es keine Kündigung eines Developers wegen einer schwerwiegenden Vertragsverletzung durch Daedalic gegeben, und das soll auch so bleiben.
Wie sah die Zusammenarbeit mit KingArt bei der Entstehung von Der Herr der Ringe: Gollum aus?
Die Idee, ein Spiel rund um die Figur Gollum zu machen, stammt von KingArt. Deshalb sind sie auch im Spiel als Ideengeber in den Credits genannt. Wir haben seinerzeit zudem überlegt, wie man KingArt auch in die Entwicklung des Spiels einbinden könnte und es gab mehrere Treffen. Am Ende ist es dann aber anders gekommen.
Wie habt ihr die teils harten Kritiken an “Der Herr der Ringe: Gollum” aufgefasst?
Für jede:n, die dabei war, war das mit Sicherheit die schlimmste Phase ihres beruflichen Lebens. Daran hat man noch lange zu knabbern.
Wobei man auch sagen muss, dass das Spiel aus unserer Sicht nicht fair behandelt wurde. Oder besser gesagt: So schlecht, wie es mancher gemacht hat, ist das Spiel nicht und es gab auch durchaus gutes Feedback. Vor allem sollte man es einmal selbst spielen, bevor man es kritisiert.
Wie kam es zu eurem Entschuldigungsschreiben zu “Der Herr der Ringe: Gollum”? Wie ist der Schreibfehler in eurem Entschuldigungsschreiben entstanden?
Der Beitrag wurde auf dem offiziellen Twitter-Account zum Spiel gepostet, der nicht von uns, sondern von Nacon (Daedalic-Mutterkonzern seit 2022, Anm. d. Red.) betreut wird. Entsprechend hat Nacon diesen Beitrag verfasst und Daedalic hat diesen vorher nicht zur Ansicht erhalten, daher können wir zur genauen Vorgeschichte nichts sagen. Bei dem Schreibfehler handelt es sich aber offensichtlich schlicht um genau das, nämlich einen Schreibfehler – und nicht um eine „geheime Botschaft“, wie manch einer vermutet.
Ihr hattet die Lizenzrechte für weitere Herr der Ringe-Spiele, bereits Förderung für einen nächsten Titel erhalten und auf dem Papier mit Nacon einen Eigentümer, der an weiteren Spielen in genanntem Fantasy-Universum interessiert war – warum habt ihr euch dennoch dazu entschlossen, eure Entwicklungs-Abteilung zu schließen?
Wir bitten um Verständnis, dass wir aus rechtlichen Gründen hierzu nichts sagen dürfen. Es gibt entsprechende Verträge und für börsennotierte Unternehmen gelten besondere Regeln.
Daedalic & GameTwo via GamesWirtschaft
Daedalic: Wir bedanken uns dafür, dass ihr eure Fragen nun etwas mehr konkretisiert habt (wobei noch immer nicht alle relevanten Informationen vorgelegt wurden). Eure weiteren Fragen beantworten wir gern wie folgt:
GameTwo: Unseren Recherchen zufolge wird im Unternehmen viel auf junge Mitarbeitende, Praktikantinnen, Praktikanten und Berufseinsteigende gesetzt – vermehrt in der Vergangenheit, aber zu großen Teilen auch heute noch. Wie ist dazu eure Position?
Das Durchschnittsalter ist durch viele langjährige Mitarbeiter im Laufe der Jahre stark gestiegen. Bei unseren letzten Firmenfeier in 2022 sind 12 Mitarbeiter ausgezeichnet worden, die zehn oder mehr Jahre im Unternehmen waren. Aktuell hat Daedalic keine Praktikanten oder Auszubildende und nur wenige Berufseinsteiger (nur Studium) im Team. Das war in den letzten 5-10 Jahren bereits so.
In den ersten Jahren hat Daedalic stärker auf Berufseinsteiger gesetzt. Hintergrund dafür war, dass Daedalic bis zum zweiten Unternehmensverkauf an Nacon immer ein unabhängiges Unternehmen ohne jedwede Investoren war.
In Gesprächen wurde dem Unternehmen häufig vorgeworfen, zu geringe Gehälter zu bezahlen – wie steht ihr dazu?
Daedalic zahlt jedem Mitarbeiter ein marktangemessenes Gehalt. Jeder Mitarbeiter kennt sein Gehalt zudem, wenn er zu uns kommt. Uns sind keine konkreten Vorwürfe einzelner Mitarbeiter bekannt. Dass jeder gern mehr verdienen möchte, liegt in der Natur der Sache.
Uns wurde von einem Ereignis zur Einführung des Mindestlohngesetzes erzählt, bei dem sich die Firma erst geweigert hätte, die entsprechend angepassten Gehälter zu bezahlen. Auf Nachdruck der betroffenen Personen wäre es zu fristlosen Kündigungen gekommen. Ist das korrekt?
Wie bereits erläutert, war Daedalic – wie viele andere Unternehmen auch – damals dazu gezwungen, Kündigungen auszusprechen, weil eine Beschäftigung zu den neuen gesetzlichen Bedingungen in einigen Fällen wirtschaftlich nicht mehr tragbar war. Das hatte nichts mit ‚Nachdruck‘ zu tun, das war damals leider die Konsequenz der Gesetzesnovelle, die wir ebenso bedauert haben wie die betroffenen Mitarbeiter.
Zu oben genanntem Fall wurde außerdem ein Schreiben erwähnt, das betroffenen Personen zur Unterschrift vorgelegt worden sei. Damit sollten sie bestätigen, ein freiwilliges Praktikum im Rahmen der beruflichen Orientierung im Unternehmen zu absolvieren, wodurch sie keinen Anspruch auf Mindestlohn gehabt hätten – der Wahrheit hätte dies aber nicht entsprochen. Ist das richtig?
Wir haben seinerzeit bei Einführung des neuen Mindestlohns versucht, in jedem Einzelfall im Rahmen der arbeitsrechtlichen Möglichkeiten eine passende Lösung zu finden, da die Alternative die Kündigung gewesen wäre. Voraussetzung war immer das Einverständnis des jeweiligen Mitarbeiters.
Was mit dem von Ihnen angesprochenen Schreiben gemeint sein könnte, können wir nicht nachvollziehen, zumal nach all den Jahren. Gern werden wir dies prüfen, wenn uns dies vorgelegt wird.
In Aussagen hieß es, dass Überstunden weder ausgezahlt, noch abgebaut werden können und laut Ansicht des Unternehmens einfach Teil des Jobs wären. Stimmt das?
Das ist falsch. Daedalic hält sich stets an die vertraglichen Vereinbarungen. Wenn es zu Spitzenzeiten wie etwa kurz vor einem Release zu angeordneten Überstunden kommt, konnten und können die betroffenen Mitarbeiter diese Zeit in Abstimmung mit dem jeweiligen Projektmanager und der HR-Abteilung (Personal-Abteilung, Anm. d. Red.) wieder ausgleichen.
In Gesprächen wurden uns CEO Carsten Fichtelmann und COO Stephan Harms als cholerisch und herrisch beschrieben – nicht selten sei es zu Tränen am Arbeitsplatz gekommen und Personen angebrüllt worden. Wie stehen sie zu den Vorwürfen?
Dieser Vorwurf überrascht uns sehr, da aus unserer Sicht bei Daedalic ein freundschaftliches Betriebsklima herrscht und das Prinzip der jederzeit offenen Tür gilt. Das beschriebene Verhalten können wir in keinem Fall bestätigen, tatsächlich erfährt die Geschäftsleitung viel Lob dafür, immer ein offenes Ohr für das Team zu haben.
Sollte wirklich einmal ein Mitarbeiter unzufrieden sein, wäre der richtige Ansprechpartner in der Regel die HR-Abteilung. Wenn diese Möglichkeit nicht wahrgenommen wird, ist es für uns als Arbeitgeber natürlich schwer, auf angebliche Vorwürfe anonymer ehemaliger Mitarbeiter zu antworten.
Aussagen zufolge sei der erste Gameplay-Trailer von Gollum trotz interner Anmerkungen, dass die Qualität des Gezeigten nicht optimal sei, veröffentlicht. Ist das richtig?
Es gab viele Trailer und wir teilen die Ansicht, dass es Trailer gab, bei denen man bessere Assets hätte wählen können.
In weiteren Gesprächen wurde die starke Fluktuation im Unternehmen kritisiert: Durch suboptimale Bedingungen (Gehalt, Arbeitszeit, Klima) wäre in der Firma viel rotiert worden. Dieser Umstand sei früher stärker ausgeprägt gewesen, aber auch noch bei der Entwicklung von Gollum gegenwärtig. Ist das korrekt?
Das können wir nicht bestätigen. Es gab über viele Jahre ein Kernteam, dass gerade in den Jahren 2007 bis 2016 sehr viele erfolgreiche 2D-Adventures produziert hat. Die Fluktuation bezog sich vor allem auf Mitarbeiter, die uns in Richtung größerer Mitbewerber sowie im Zuge der Auflösung des 2D Teams verlassen haben.
Darüber hinaus gibt es bei Daedalic sehr flache Hierarchien, die es den Mitarbeitern ermöglichen, von einem Bereich in einen anderen zu wechseln und auch aufzusteigen. Das sehen wir als großen Vorteil, auch im Vergleich zu anderen Unternehmen.
Die UI (Steuerung, Anm. Red.) der Streitgespräche zwischen Gollum / Sméagol wurde einiger Aussagen nach zu lange vernachlässigt, weshalb kurz vor Veröffentlichung die aktuelle Variante überhastet implementiert werden musste. Ist das richtig?
Dieses Feature wurde nochmals recht spät überarbeitet. Feature-Änderungen gehören bei einem Action-Adventure dazu. Ist etwas verbesserbar, setzt man sich zusammen, diskutiert und entscheidet. Tatsächlich war dies aber in den Reviews zum Spiel unserer Kenntnis nach nie ein relevanter Faktor.
In vielen Gesprächen wurde die Teamgröße von Gollum kritisiert – sie sei gerade im Vergleich zu anderen Triple-A-Spielen viel zu klein für das ambitionierte Projekt gewesen. Wie seht ihr diesen Punkt? Ähnliche Kritik wurde am Budget geübt, das zwar letztlich größer ausgefallen wäre, als die anfänglich kommunizierte Summe, aber trotzdem immer noch nicht konkurrenzfähig zu anderen Titeln dieser Größe gewesen wäre. Wie steht ihr dazu?
Richtig ist, dass wir gern ein größeres Budget und damit auch ein größeres Team für dieses Projekt gehabt hätten. Wir haben keinerlei deutsche Förderung für Gollum erhalten, obwohl wir drei Anträge gestellt haben. Eine Förderung hätte uns gerade bei Beginn der Entwicklung sehr geholfen.
Die Anträge sind aus unterschiedlichen Gründen abgelehnt worden. In einigen Presseberichten wird dies häufig anders dargestellt.
Die Förderung für ein Nachfolge-Spiel haben wir inzwischen inklusive Zinsen komplett zurückgezahlt. Zudem erklärte Bastei Lübbe (Daedalic-Mutterkonzern vor dem Nacon-Verkauf, Anm. d. Red.) mitten in der Entwicklung des Spiels öffentlich, dass sie für Daedalic keinerlei Zukunftsperspektive sähen. Über viele Jahre gab es somit keine Co-Investoren für das Spiel. Erst als Nacon als Co-Publisher hinzukam, wurde es besser.
Gollum hatte am Ende ein Entwicklungsbudget von ca. 15 Millionen Euro – also nur ein Zehntel eines Triple-A-Spiels. Und schließlich spielte auch der Faktor Zeit am Ende eine Rolle, da die Lizenz zeitlich befristet war. Es kam also viel zusammen.
Ist es richtig, dass die Position des Game Design Leads aufgrund von Elternzeit nicht oder nur interimsmäßig nachbesetzt werden konnte und es dadurch zu Problemen in der Entwicklung kam?
Personelle Verschiebungen gehören bei langjährigen Entwicklungen immer dazu. Wir haben diese Situation bestmöglich gelöst, indem wir dem Spiel zwei Game Design Leads und zusätzlich im letzten Jahr einen Game Direktor zugeteilt haben.
Wir hörten von Crunch-Phasen in der Entwicklung von Gollum, die am stärksten (aber nicht nur) die QA-Abteilung (Qualitätssicherung, Anm. d. Red.) getroffen hätte. Könnt ihr das bestätigen?
Mehrarbeit kurz vor dem Release eines Spiels dieser Größe ist normal. Für die QA betraf dies vor allem die Submissions (technische Freigabe durch Konsolen-Hersteller, Anm. d. Red.) der Konsolen-Versionen. Das Team war über zwei Jahre komplett im Home Office auf Vertrauensarbeitszeit.
Jede Überstunde, die gemacht worden ist, konnte ausgeglichen werden. Die QA lief im Übrigen größtenteils über externe Dienstleister.
Wie uns anonyme Quellen berichteten, sei das Entschuldigungsschreiben (das von Nacon verfasst wurde) von einer KI erstellt. Ist das korrekt?
Wir haben von diesem Gerücht über die Medien erfahren und bei Nacon nachgefragt. Nach Aussage von Nacon wurde das Schreiben nicht mittels KI erstellt.
Daedalic & GameTwo via GamesWirtschaft