Nach einem Jahr Elon Musk: Wert von X (Twitter) wird auf 8 Milliarden Dollar geschätzt

Andreas Frischholz
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Nach einem Jahr Elon Musk: Wert von X (Twitter) wird auf 8 Milliarden Dollar geschätzt
Bild: TwitterX: Elon Musk

Dass die ehemals als Twitter bekannte Plattform an X seit der Übernahme durch Elon Musk an Wert verloren hat, ist bekannt. Wie hoch der Verlust ist, lässt sich jedoch nur mutmaßen. Die Nachrichtenagentur Reuters schätzt den Wert angesichts des aktuellen Informationsstandes und der Marktlage auf rund 8 Milliarden US-Dollar.

Musk hatte Twitter für 44 Milliarden im Oktober 2022 US-Dollar gekauft. Die 8 Milliarden US-Dollar wären in diesem Fall ein gravierender Einschnitt. Vor allem, weil X damit weniger Wert wäre als die Schulden, die das Unternehmen seit Elon Musks Übernahme schultern muss. Diese sollen sich derzeit auf rund 13 Milliarden US-Dollar belaufen. Monatlich sind Zinszahlungen in Höhe von 300 Millionen US-Dollar fällig, so Reuters.

Prognosen für schwieriges Geschäft

Komplex ist die Bewertung jedoch, weil X selbst keine Geschäftszahlen mehr veröffentlicht. Man muss sich also auf Aussagen von Vertretern der Firma – also in erster Linie denen von Musk – verlassen, als Vergleich dienen die letzten Ergebnisse, die Twitter im Jahr 2022 veröffentlicht hat. Trotz Abo-Paketen wie Blue finanzierte sich der Dienst durch Werbung, diese sorgte traditionell für mehr als 90 Prozent des Umsatzes. Doch diese Einnahmen sind rückläufig, im Juli sprach Musk von einem Rückgang der Werbeeinnahmen um 50 Prozent sowie einem negativen Cashflow. Auf Werbeanalysen spezialisierte Firmen gehen teils sogar von noch höheren Einbrüchen aus, laut dem Dienst Guideline waren es 60 Prozent im August, berichtet der Spiegel.

Ausgehend von den zuletzt veröffentlichten Quartalsergebnissen schätzt Reuters den Umsatz daher im Jahr 2022 auf 4,7 Milliarden US-Dollar. Mit den halbierten Werbeeinnahmen in diesem Jahr, die den Großteil des Umsatzes ausmachen, rechnet man mit Einnahmen in Höhe von rund 2,5 Milliarden US-Dollar.

Hinzu kommt die Marktlage. Konkurrierende Plattformen wie TikTok und Snap mussten Kursverluste hinnehmen. Nimmt man nun die Umsätze von Snap und die Kursentwicklung als Maßstab, kommt bei X eine Summe von rund 8 Milliarden US-Dollar heraus.

„Sie muss ihn loswerden“

Musk und die seit vier Monaten amtierende Chefin Linda Yaccarino erklärten in den letzten Wochen und Monaten wiederholt, der Dienst befinde sich auf einem guten Weg. X soll im nächsten Jahr wieder die Gewinnschwelle erreichen, verkündete Yaccarino zuletzt etwa auf der Code-Konferenz, Werbekunden würden zurückkehren. Musk sagte zuletzt, der Wert von X habe sich halbiert, würde also bei rund 22 Milliarden US-Dollar liegen.

Wie die Financial Times letzte Woche berichtet, will Yaccarino sich nun mit den Banken treffen, die Musk bei der Übernahme unterstützt haben. Sie soll die Investoren davon überzeugen, dass es mit dem strauchelnden Geschäft von X wieder aufwärts geht – entweder durch höhere Werbeumsätze oder Einnahmen aus Abonnements.

Dem Bericht zufolge wird es voraussichtlich auch direkt um die Personalie Musk gehen. „Sie muss ihn loswerden“, sagte ein namentlich nicht genannter Banker der Zeitung. Denn den Geldgebern wäre nicht klar, wie Werbekunden zurückkommen sollen, wenn Musk weiterhin Spannungen schürt.

Die Beispiele für solche Spannungen sind mittlerweile Legion. Diese umfassen erratische Entscheidungen wie die Einführung von Leselimits, Entlassungswellen sowie Moderationsvorgaben, die (rechts)extremistische und verschwörungsideologische Inhalte fördern – und (zeitweise) zu einem Abgang von Werbekunden führten.

Abwanderungswelle zu Bluesky

Eine der Konsequenz von Musks Plattformpolitik sind Abwanderungswellen der Nutzer. Ein beliebtes Ziel ist derzeit Bluesky, insbesondere in Deutschland wechselten in den letzten Tagen viele Nutzer, wie Netzpolitik.org analysiert. Auslöser war in diesem Fall, dass Musk einen Beitrag mit einer indirekten Wahlaufforderung für die AfD teilte.

Bluesky wurde vor einigen Jahren von Twitter-Gründer Jack Dorsey gegründet, befindet sich aber noch in einer Art Betaphase – so ist die Anmeldung nur mit Einladungscode möglich. Wie Mastodon nutzt Bluesky ein dezentrales Netzwerkprotokoll (AT-Protokoll), gehört aber einem Unternehmen. Der Vorteil gegenüber Mastodon ist, dass der Einstieg deutlich leichter fällt, weil etwa keine unterschiedlichen Instanzen existieren. Stattdessen ist es praktisch ein Twitter-Klon, der die grundlegenden Funktionen bietet. ComputerBase ist bereits bei Bluesky vertreten.

Unternehmen verlassen X ebenfalls

Abgänge von bestimmten Gruppen lassen sich auf X seit geraumer Zeit beobachten. Das gilt etwa für Wissenschaftler und die Umweltschutz-Community. Auch deutsche Unternehmen sind nicht mehr so aktiv auf X wie zuvor, meldete gestern der IT-Branchenverband Bitkom.

Demnach schalten 36 Prozent der Unternehmen, die X nutzen, weniger oder keine kostenpflichtigen Anzeigen mehr, seit Elon Musk die Plattform übernommen hat. 43 Prozent schreiben zudem weniger Beiträge. „Der Anstieg von Fake News, die Zunahme von Hate Speech oder die Äußerung teils extremer politischer Haltungen haben bei vielen Unternehmen offenbar zu massiver Verunsicherung geführt“, sagt Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder.

Die Zahlen stammen aus einer Befragung von mehr als 600 Unternehmen in Deutschland ab 20 Beschäftigten, die der Bitkom als repräsentativ bezeichnet.