Neuen Polestar 2 und Polestar 3 angesehen: E-Autos sind effizienter und fahren sich bald selbst
Polestar schickt sich an, bis 2026 ein breites Portfolio unterschiedlichster E-Autos vom SUV bis zum Cabrio auf den Markt zu bringen. Aktueller Neuzugang in Deutschland ist der Polestar 2 des Modelljahres 2024, während parallel dazu der Polestar 3 bestellt werden kann. ComputerBase konnte sich jüngst beide Fahrzeuge ansehen.
Polestar 2 des Modelljahres 2024
Der Polestar 2 war anno 2021 das erste Fahrzeug, anhand dessen die Redaktion Android Automotive OS in vollem Umfang testen konnte. Auch heute noch steht die Marke Polestar nicht nur für E-Mobilität mit Ursprung bei Volvo, sondern vor allem für die tiefe Integration der verschiedenen Google-Dienste. Mit dem Modelljahr 2024 ändert sich daran nichts, denn im Interieur oder an der Infotainment-Hardware hat sich seit dem letzten Test nichts getan. Stattdessen gab es im Laufe der Zeit auch für die alten Modelle mehrere OTA-Updates für neue Software-Funktionen und jetzt für den Jahrgang 2024 zudem Hardware-Updates, die aber Batterie, Ladegeschwindigkeit und Motoren betreffen.
Höhere Reichweiten für alle Modelle
Für die Varianten „Long Range Single Motor“ und „Long Range Dual Motor“ gibt Polestar jetzt eine Nettokapazität der Batterie von 82 statt 78 kWh an und verspricht im Zusammenspiel mit effizienteren Motoren Reichweiten von bis zu 654 statt 542 km respektive 591 statt 482 km. Für den „Standard Range Single Motor“ verbleibt die Batterie bei 69 kWh, auch dort gibt es aber eine gesteigerte Reichweite von 532 statt 474 km. Polestar versteht sich als Performance-Marke und hat beim kleinsten Modell eine Umstellung auf Heckantrieb vorgenommen, was über die Gewichtsverlagerung den Fahrspaß steigern soll.
Verbrauch in der Praxis
In Hamburg konnte die Redaktion den überarbeiten Polestar 2 anhand des „Long Range Dual Motor“ ausprobieren, dessen Allradantrieb sich jetzt aus einem Permanentmagnet-Synchron-Elektromotor (Hinterachse) und Asynchron-Elektromotor (Vorderachse) zusammensetzt, nachdem bislang zwei Permanentmagnet-Synchron-Elektromotoren zum Einsatz kamen. Polestar gibt den Verbrauch dieses Modells mit 16,0 bis 17,2 kWh (WLTP) an. Bei der knapp 70 km langen Ausfahrt durch die Stadt, über Landstraßen und die Autobahn lag der ermittelte Verbrauch mit 18,6 kW/h jedoch leicht darüber.
SmartZone statt Kühlergrill
Im Straßenbild unterscheidet sich der „neue“ Polestar 2 kaum von dem Modell, das sich die Redaktion vor rund zwei Jahren anschauen konnte. Einen klassischen Kühlergrill gibt es jetzt nicht mehr, stattdessen nimmt eine „SmartZone“ getaufte Fläche einen Teil der Sensorik auf und schließt die Front des Fahrzeugs. Neue Performance-Räder stellt Polestar ebenso zur Auswahl, davon abgesehen bleibt es aber beim bekannten modernen und sportlichen Design, das sich durch die gesamte Palette zieht und seine Volvo-Wurzeln im positiven Sinne nicht verstecken kann.
Bekanntes Interieur mit Android Automotive OS
Im Interieur bleibt alles beim Alten, sofern man die zwischenzeitlich erfolgten OTA-Updates außer Acht lässt – aktuell ist Version 2.11. Android Automotive OS läuft auf dem nach wie vor 11,15 Zoll großen Bildschirm mit 1.536 × 1.152 Pixeln und wird von einem Intel-Prozessor der Baureihe A3900 angetrieben, die für das Automotive-Segment entwickelt wurde. Intern läuft diese SoC-Generation unter dem Namen Apollo Lake und nutzt CPU-Kerne von 2016 aus der Goldmont-Generation. 2021 lautete das Fazit zum Prozessor: An Leistung mangelt es nicht, Reserven gibt es aber ebenso wenig.
Leistung am Limit des Chips
Zwei Jahre später macht sich dieser Umstand bemerkbar. Lassen sich die wesentlichen Auto-Funktionen noch reibungslos steuern, kommt das System bei zuletzt hinzugefügten Apps wie YouTube ins Stocken. Den Einzug von YouTube bei Polestar hatte Google zur I/O im Mai angekündigt, im Juni war die App mit dem OTA-Update auf Version 2.9 schließlich im Auto verfügbar. Zuletzt kam auch noch Amazon Prime Video hinzu.
YouTube ist nur eine Web-App
Lange kann die Entwicklung nicht gedauert haben, denn anstelle einer wirklich nativen App gibt es im Polestar 2 lediglich eine minimal aufgehübschte Web-App, wie zu erkennen war, nachdem nach der Anmeldung mit dem eigenen YouTube/Google-Konto gefragt wurde, ob Vivaldi das Passwort speichern soll. Auch das Design der App wirkte wenig optimiert für die Ansicht im Auto, der vertikale Bildschirm will ohnehin nicht besonders gut zu Videos im Breitbildformat passen – der Viewport für die Wiedergabe liegt bei 1.024 × 576 Pixeln. Auf dem Infotainmentsystem lässt sich durch eine manuelle Auswahl bis zu 4K60 SDR wiedergeben, wenngleich dann hin und wieder Frames verloren gehen.
Google Maps bleibt die App im Auto
Nicht von der Hand zu weisen ist aber die in anderen Bereichen sinnvolle Google-Integration. Zwar waren die Testfahrzeuge mit einem Demo-Account belegt, wird aber das persönliche Google-Konto hinterlegt, hat man – sofern dort gespeichert – im Handumdrehen Zugriff auf alle dort gespeicherten Daten wie etwa die Kontakte zum Telefonieren oder die Adressen für die Navigation mit Google Maps. Die native Integration von Google Maps mit zusätzlicher Ausgliederung der Karte und Navigationshinweise auch in das Display des Fahrers bildet nach wie vor den größten Pluspunkt des Systems.
Preise für den Polestar 2
Der Polestar 2 des Modelljahres 2024 startet in Deutschland bei 48.990 Euro für den „Standard Range Single Motor“ und liegt bei 52.690 Euro für den „Long Range Single Motor“. Als „Long Range Dual Motor“ sind es 56.990 Euro und mit Performance-Paket werden 63.490 Euro fällig. Beim Testwagen kamen die Farbe „Snow“ für 1.200 Euro, das Pilot- und Plus-Paket für 2.500 und 4.800 Euro sowie das belüftete, tierschutzkonforme Nappaleder in Zinc mit Light-Ash-Dekoreinsätzen für 4.500 Euro für einen Gesamtpreis von 77.690 Euro hinzu.
Polestar 3 kommt im ersten Quartal 2024
Deutlich teurer wird das, was bereits jetzt bestellt werden kann und zum Ende des ersten Quartals 2024 ausgeliefert werden soll: der Polestar 3. Das E-SUV hätte eigentlich früher kommen sollen, doch im Mai dieses Jahres hieß es, dass „zusätzliche Zeit für die endgültige Softwareentwicklung der neuen vollelektrischen Plattform von Volvo Cars benötigt“ werde, sodass sich der Produktionsstart auf das erste Quartal 2024 verschiebe.
Marktstart ab 88.600 Euro
Die Nähe zum EX90 spiegelt sich im Preis wider: 88.600 Euro kostet der „Long Range Dual Motor“, der 489 PS und 840 Nm leistet und eine brutto 111 kWh große Batterie für eine Reichweite von bis zu 610 km bietet. Kommt das Performance-Paket hinzu, gibt es für 95.200 Euro sogar 517 PS und 910 Nm, aber nur noch eine Reichweite von 560 km.
Viel Auto bedeutet viel Platz
Der Polestar 3 stand im Hamburger Polestar Space noch nicht für Probefahrten zur Verfügung, stattdessen konnte statisch das bereits zur IAA ausgestellte Vorserienfahrzeug aus nächster Nähe betrachtet werden. Naturgemäß geht es in einem 4.900 × 1.968 (2.120 mm mit Spiegeln) × 1.614 mm (L × B × H) großen Fahrzeug deutlich luftiger zu als im Polestar 2, doch auch die offene Gestaltung des Mitteltunnels trägt ihren Teil zu diesem Gefühl bei, nachdem man im Polestar 2 zwar nicht eingepfercht, aber mit dem hohen Mitteltunnel doch deutlich mehr von dem Fahrzeug umgeben sitzt. Auf den hinteren Sitzen bietet der Polestar 3 massig Platz, selbst wenn die vorderen Sitze in entspannter Position stehen.
Head-up-Display für das neue Cockpit
Das Cockpit dominiert ein mit 14,5 Zoll noch größeres Center-Display, das die vertikale Ausrichtung analog zum Polestar 2 behält. Einen Bildschirm im Querformat gibt es erst im Polestar 4, dessen Markteinführung hierzulande für das zweite Halbjahr 2024 geplant ist. Vor dem Fahrer befindet sich neuerdings ein freistehendes 9-Zoll-Display, das unter anderem Grafiken zum aktuellen Fahrgeschehen und für Google Maps darstellt. Die tiefe Hutze des Polestar 2, in der ein 12,3-Zoll-Display Platz findet, gibt es nicht mehr. Neu hinzu kommt erstmals ein Head-up-Display, das einen Anzeigebereich von 9 × 3 Zoll mit 800 × 480 Pixeln bietet – im stehenden Fahrzeug ließ sich das noch nicht ausprobieren.
Level 3 zieht mit dem Pilot-Paket mit LiDAR ein
Spannend ist das, was Polestar in puncto Assistenzsysteme mit dem Polestar 3 vorhat. Schon jetzt lässt sich das Fahrzeug nämlich mit dem 5.000 Euro teuren „Pilot-Paket mit LiDAR“ bestellen, wodurch sich die Auslieferung um ein ganzes Jahr auf das erste Quartal 2025 verzögert. Anstelle des mit dem serienmäßigen Pilot-Paket gebotenen Fahrens nach Level 2 soll der Polestar 3 damit das autonome Fahren nach Level 3 beherrschen. Was das bezogen auf die Geschwindigkeit bedeutet und wann respektive ob Polestar dafür eine Zulassung durch das Kraftfahrt-Bundesamt erhalten wird, ist noch nicht bekannt. Aktuelle Umsetzungen von Mercedes-Benz und künftig BMW sind auf 60 km/h beschränkt. Perspektivisch zeichnen sich Steigerungen auf 90 und 130 km/h ab.
LiDAR-Sensor und mehr Kameras
Die Hardware, die mit der Auswahl dieses Pakets einhergeht, scheint zumindest bereit für Level 3 zu sein. Neben dem LiDAR-System von Luminar knapp oberhalb der Windschutzscheibe umfasst es zwei zusätzliche 8-MP-Rückfahrkameras, die in den beiden Außenspiegeln integriert sind, um die serienmäßigen 360-Grad-Kameras zu ergänzen und die Sicht nach hinten zu verbessern. Außerdem gibt es eine zusätzliche 8-MP-Kamera mit größerer Reichweite, die die Fernsicht des Fahrzeugs verbessern soll. Für die vordere Kamera in der SmartZone und die beiden Kameras in den Außenspiegeln kommt zudem eine automatische Reinigungsfunktion hinzu.
Die Daten fließen im Nvidia Drive Orin zusammen
Zusammen läuft der Datenstrom der verschiedenen Sensoren in einem zusätzlichen Zentralrechner: dem Nvidia Drive Orin. Auf diesen 254 TOPS (INT8) leistenden Chip mit (unter anderem) Arm-CPU und Ampere-GPU setzt ab dem kommenden Jahr übrigens auch Mercedes-Benz für Fahrzeuge mit MB.OS und erweiterten Assistenzsystemen. Zur IAA gab es mit dem Concept CLA Class einen Ausblick auf entsprechende Wagen.
Polestar 4, 5 und 6 in der Pipeline
Dass sich Polestar nicht von einem einzigen Ausrüster wie Nvidia abhängig machen will, zeigt der für das zweite Halbjahr 2024 erwartete Polestar 4, der jedoch erst mit einer späteren Ausführung des Fahrzeugs ebenso nach Level 3 fahren können soll. Bei diesem kleineren SUV vertraut Polestar auf die Technik von Mobileye mit zunächst deren „SuperVision“ für Level 2+ und später den Mobileye Chauffeur für Level 3.
In der Pipeline hat das Unternehmen den Polestar 5 als viertüriges Coupé, das 2025 auf den Markt kommen soll, und das Cabrio Polestar 6, das für 2026 geplant ist.
ComputerBase hat Informationen zu diesem Artikel von Polestar im Rahmen einer Veranstaltung des Herstellers in Hamburg erhalten. Die Kosten für Anreise und Abreise wurden von dem Unternehmen getragen. Eine Einflussnahme des Herstellers auf die oder eine Verpflichtung zur Berichterstattung bestand nicht. Es gab kein NDA.
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