Historisches Urteil: Wie bedroht sind Intels und TSMCs Pläne in Deutschland?
Das historische Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Umwidmung und Weiternutzung von Kreditermächtigungen könnte auch Auswirkungen auf die Subvention von Intels und TSMCs Halbleiterfertigungen in Deutschland haben, da diese aus dem durch die Entscheidung betroffenen Klima- und Transformationsfonds finanziert werden sollen.
Hintergründe zur Sachlage
Der besagte Fond ist ein Sondervermögen, welches ursprünglich im Jahr 2010 als „Energie- und Klimafonds" zur Umsetzung der Energiewende unter der schwarz-gelben Regierung eingeführt wurde. Im vergangenen Jahr baute man das Sondervermögen dann zum „Klima- und Transformationsfonds“ um und verschob Kreditermächtigungen aus der Coronazeit, um Projekte wie die Ansiedlung der Halbleiter-Industrie zu finanzieren. Aber der Reihe nach:
Ein historisches Urteil
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit dem Urteil vom 15. November 2023 (2 BvF 1/22) entschieden, dass die Umwidmung und Weiternutzung von Kreditermächtigungen außerhalb der eigentlichen Notlage und des maßgeblichen Zeitraums gegen die Grundsätze der Schuldenbremse verstößt. Die Bundesregierung darf also nicht einfach Kreditermächtigungen aus der Vergangenheit in die Zukunft schieben und dabei zweckentfremden, um die Schuldenbremse zu umgehen – Ein historisches Urteil, das zugleich auch zum ersten mal einen Haushalt der Bundesregierung für nichtig erklärt.
Bundesregierung widmete Schulden für das Klima um
Dies bedeutet, dass Teile der Finanzierung des mittlerweile als Klima- und Transformationsfonds (KTF) bekannten Sondervermögens nun wegfallen. Es handelt sich um stolze 60 Milliarden Euro, die der Bundestag während der Notlage der Coronazeit als Kredit an die Bundesregierung genehmigt hat und welche die Ampel-Regierung am Anfang des Jahres 2022 in den KTF verschoben hatte, um damit langfristig bis 2027 diverse Transformationsprozesse der Industrie und des Klimaschutzes zu finanzieren.
Die Finanzierung des Fonds schmilzt
Insgesamt befanden sich im KTF im August dieses Jahres noch rund 211 Milliarden Euro an eingeplanten Mitteln bis 2027, die durch die Entscheidung des BVerfG nun auf 151 Milliarden Euro und damit um knapp 28 Prozent reduziert werden. Der Blick auf das kommende Jahr ist noch dramatischer: Die zur Verfügung stehenden Gelder für das Jahr 2024 fallen von beinahe 100 Milliarden auf nur noch 38 Milliarden Euro.
Halbleiterindustrie wird mit Subventionen angelockt
Diese Mittel sind neben diversen Projekten, wie der geplanten Förderung für Wärmepumpen, auch für die Halbleiterindustrie bestimmt. Mithilfe umfangreicher Subventionen will die Bundesregierung Unternehmen wie Intel und TSMC dazu ermutigen, ihre Chips und ihr Know-how auch in Deutschland zu produzieren. In den vergangenen Monaten hat diese Strategie angefangen Früchte zu tragen und Bundeskanzler Olaf Scholz unterschrieb gemeinsam mit Intel-CEO Pat Gelsinger einen Vertrag über zwei neue Foundries, die im Herzen von Sachsen-Anhalt schon ab dem Jahr 2027 hochmoderne Chips der anstehenden Ångström-Ära produzieren soll. TSMC zog im August ebenfalls mit einer eigenen Foundry in Dresden nach.
Die geplante staatliche Förderung beläuft sich auf 9,9 Milliarden bei Intel und 5 Milliarden bei TSMC – Insgesamt also beinahe 15 Milliarden Euro die aus dem nun geschrumpften KTF kommen sollen.
Branchenverband schlägt Alarm
Aber wie steht es jetzt um die Finanzierung der Subventionen? Das Bundesverfassungsgericht selbst ist sich zwar der Tatsache bewusst, dass durch die Nichtigkeit des zweiten Nachtrags-Bundeshaushalts aus 2021 auch die 60 Milliarden in den Taschen des Klimafonds fehlen, doch überlassen die Richter es dem Gesetzgeber, wie er mit bereits eingegangenen Verpflichtungen – wie den Verträgen mit Intel und TSMC – umzugehen vermag:
Soweit hierdurch bereits eingegangene Verpflichtungen nicht mehr bedient werden können, muss der Haushaltsgesetzgeber dies anderweitig kompensieren.
Bundesverfassungsgericht, 15. November 2023
Der Branchenverband Silicon Saxony schlägt deswegen Alarm und spricht von Unsicherheiten für die Halbleiter-Subventionen:
Das Urteil bedeutet Unsicherheit für die angekündigten Halbleiterinvestitionen. Die Bundesregierung ist nun gefordert, die angekündigte Finanzierung möglichst noch in diesem Jahr sicherzustellen.
Hightech-Netzwerk Silicon Saxony e. V.
Die Ampel beschwichtigt
Die Bundesregierung zeigt sich in einer ersten kurzen Reaktion weniger schockiert und kündigt an den Wirtschaftsplan des KTF zu prüfen, also die Ausgaben und nun verminderten Einnahmen des Fonds neu aufzustellen.
Förderungen sind laut Wirtschaftsministerium sicher
Während die Förderungspläne der Wärmewende samt GEG laut Finanzminister Christian Lindner unangetastet bleiben sollen, geht der Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Schritt weiter und spricht sogar davon, dass "alle zugesagten Verpflichtungen eingehalten werden". Dies würde auch die Subventionen für Intel und TSMC umfassen, da diese bereits für das kommende Jahr mit vier Milliarden Euro fest eingeplant sind.
Ein Blick in die Zahlen
Die von Habeck suggerierte Zuversicht schwindet bei Betrachtung der Zahlen jedoch: Der KTF finanziert sich zwar – anders als das Sondervermögen für die Bundeswehr – nicht ausschließlich über Kreditermächtigungen, denn ihm fließen dank Erlösen aus der CO2-Steuer und weiteren Abgaben nächstes Jahr Einnahmen in Höhe von 28,42 Milliarden Euro zu.
Ausgaben liegen nun über den Einnahmen
Jedoch stehen dem gegenüber auch (geplante) Ausgaben von 57,60 Milliarden Euro – vier davon für neue Chipfabriken im Osten der Republik. Eine Selbstfinanzierung des Sondervermögens findet damit nur statt, wenn wie in den vergangenen Jahren im Schnitt nur die Hälfte der verfügbaren Mittel auch tatsächlich abfließen.
Ein Loch von 19 Milliarden Euro
Sollten alle verplanten Mittel aufgezehrt werden, könnte es tatsächlich eng werden für die Finanzierung: Die 70,72 Milliarden Euro schwere „Entnahme aus Rücklagen“, mit der das Finanzministerium rechnet, beinhaltet die nun entfallenden 60 Milliarden Euro aus der Coronazeit. Effektiv schmilzt die Rücklage damit auf spärliche ~ 10 Milliarden und verfehlt zusammen mit den Einnahmen von 28,42 Milliarden den geplanten Abfluss der Mittel in Höhe von 57,60 Milliarden Euro um 19,18 Milliarden Euro.
Ein möglicher Ausweg: Der Wegfall der Kreditermächtigungen aus der Coronazeit kann zur Not auch kurzfristig mit Zuschüssen aus dem Bundeshaushalt gedeckt werden, von denen der KTF letztes Jahr keinen Gebrauch gemacht hat.
Opposition und Schuldenbremse schränken Handlungsspielraum ein
Ob es dafür jedoch eine politische Mehrheit gibt, ist mehr als fraglich. Für Zuweisungen in das Sondervermögen wäre vermutlich eine Schuldenaufnahme notwendig, da der Bundeshaushalt bereits vollkommen verplant ist, jedoch werden Neuschulden durch die Schuldenbremse im Grundgesetz verhindert. Der Oppositionsführer Friedrich Merz hat bereits deutlich gemacht, dass er für eine Reform der Schuldenbremse, für welche die Regierungskoalition im Bundestag auf die Stimmen seiner Fraktion angewiesen ist, nicht zur Verfügung steht.
Reaktionen von Intel und TSMC stehen noch aus
Gewissheit über die Gesamtlage der Subventionen, wird spätestens der neue Wirtschaftsplan für den KTF, an dem nun das Finanzministerium arbeitet, schaffen. Solange bleibt die Lage undurchsichtig und die Finanzierungen für Intels und TSMCs Subventionen sind nicht zwingend gesichert. Wie die Chip-Giganten darauf reagieren werden, ist noch unklar.